In diesem Jahr feiern wir 50 Jahre Zusammenschluss von Kirrlach, Waghäusel und Wiesental. Die Vereinbarung zur Neubildung der Gemeinde trat zum 1. Januar 1975 in Kraft.
Am kommenden Sonntag sind es genau 50 Jahre, dass der erste Bürgermeister der Fusionsgemeinde gewählt wurde.
Im Wahlkampf hatten Emil Groß und Robert Straub in vielen damals drängenden Sachfragen übereingestimmt. „Als wichtigste Aufgabe des neuen Bürgermeisters in der Großgemeinde Waghäusel erkannten die beiden Bewerber … die drei Ortsteile zu einem echten Gemeinwesen zu vereinen“, berichtete die Bruchsaler Rundschau am 24. Mai 1975 über die erste Kandidatenvorstellung am 22. Mai in Waghäusel. Beide wollten insbesondere die Verwirklichung des geplanten Großen Bildungszentrums im Ortsteil Waghäusel und dass bei dem anstehenden Neubau von Verkehrsprojekten wie der Schnellbahnstrecke und der Verlegung der B 36 die Belange der Bevölkerung angemessen beachtet werden.
Unterschiedliche Sichtweisen gab es vor allem um den Verlauf der Gemeindefusion und die Höhe der entgangenen Fusionsprämien. Durch Regelungen zur Gemeindereform wären über mehrere Jahre gestaffelte Zahlungen des Landes, abhängig von der Gemeindegröße, möglich gewesen. Waghäusel hatte den freiwilligen Zusammenschluss zum letztmöglichen Zeitpunkt vollzogen und rund 800.000 DM erhalten, die nach der Fusionsvereinbarung komplett für den Bau des Bildungszentrums bzw. der Realschule verwendet wurden.
„Die Auseinandersetzung wurde schärfer“ berichtete die Bruchsaler Rundschau am 28. Mai über die zweite Kandidatenvorstellung am 26. Mai in Wiesental und stellte u. a. die Positionen zur Fusion gegenüber:
Zu seinem Anteil am späten Zustandekommen der Fusion führte Emil Groß aus, er habe den Mehrheitswillen von Bevölkerung und Gemeinderat respektiert. Bei der Bürgeranhörung am 20. Januar 1974 hatte es in Wiesental 89,16 Prozent Nein-Stimmen zur Fusion gegeben. Aus Sicht von Emil Groß hätten sich die Fusionsprämien auf maximal 6 Millionen DM netto auf 9 Jahre verteilt belaufen können und möglicherweise wären dann Zuschüsse für das Bildungszentrum niedriger ausgefallen.
Robert Straub erläuterte, für ihn sei es aufgrund der räumlichen Nähe und engen Verflechtung der drei Orte klar gewesen, dass die Fusion nicht zu umgehen sei. Nach seiner Überzeugung wären bei einem früheren Zusammenschluss bis zu 9 Millionen DM Fusionsprämien möglich gewesen. Er bedauerte, dass Waghäusel nun diese Millionen fehlten, „mit denen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft vorzüglich gewirtschaftet werden kann“. Er betonte: „Ich wollte die Fusion nicht des Geldes wegen – aber ich wollte die Fusion erst recht nicht ohne die Prämie“.
Zur letzten Kandidatenvorstellungen am 27. Mai in Kirrlach kamen nochmals rund 700 Interessierte, die eine „interessante und lebhaft verlaufene Diskussion“ erlebten, so die Bruchsaler Rundschau am 30. Mai.
Zur Bürgermeisterwahl am 1. Juni 1975 waren insgesamt 11.482 Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. Die meisten Wahlberechtigten lebten in Kirrlach mit 5.617, in Wiesental waren es 5.358 und in Waghäusel 507.
Es gaben insgesamt 9.087 Wahlberechtigte ihre Stimme ab (= 79,14 Prozent). Am höchsten war die Wahlbeteiligung in Kirrlach mit 83,17 Prozent (= 4.672 Stimmen), in Wiesental lag sie bei 75,51 Prozent (= 4.046 Stimmen) und in Waghäusel bei 72,78 Prozent (= 369 Stimmen).
139 Stimmzettel waren ungültig, davon kamen 70 aus Kirrlach, 59 aus Wiesental und 10 aus Waghäusel.
Die öffentliche Feststellung des Wahlergebnisses erfolgte in der Schillerschule in Kirrlach. Gegen 19 Uhr - eine Stunde nach Schließung der Wahllokale - konnte der Vorsitzende des Gemeinde-Wahlausschusses und Bürgermeister-Stellvertreter Vinzenz Trunk (CDU) das vorläufige Endergebnis bekanntgeben.
Robert Straub gewann die Wahl mit insgesamt 5.041 Stimmen (= 56,33 % aller gültigen Stimmen), davon kamen aus Kirrlach 4.328 (= 94,04 % der Kirrlacher Stimmen), aus Wiesental 435 (= 10,91 % der Wiesentaler Stimmen) und aus Waghäusel 278 (= 77,43 % der Waghäuseler Stimmen).
Emil Groß erhielt insgesamt 3.880 Stimmen (= 43,36 % aller gültigen Stimmen), davon kamen aus Kirrlach 262 (= 5,69 % der Kirrlacher Stimmen), aus Wiesental 3.542 (= 88,83 % der Wiesentaler Stimmen) und aus Waghäusel 76 (= 21,17 % der Waghäuseler Stimmen).
Der ursprünglich dritte Kandidat Karl Flösser aus Karlsruhe erhielt trotz seines Rückzuges 26 Stimmen, davon kamen 12 aus Kirrlach, 9 aus Wiesental und 5 aus Waghäusel.
Eine einzige gültige Stimme aus Wiesental ging an Hugo Stork, Postobersekretär aus Wiesental, der nicht auf dem Wahlzettel stand, dessen Name aber korrekt handschriftlich hinzugefügt worden war.
Hinweis: Die Beiträge des Stadtarchivs zu 50 Jahre Fusion sind auch auf der städtischen Internetseite eingestellt unter: www.waghaeusel.de/stadt-wirtschaft/geschichte-wappen/50-jahre-gemeindefusion
(von Katja Hoffmann, Stadtarchivarin)
(Fortsetzung folgt)