In diesem Jahr feiern wir 50 Jahre Zusammenschluss von Kirrlach, Waghäusel und Wiesental. Die Vereinbarung zur Neubildung der Gemeinde trat zum 1. Januar 1975 in Kraft.
Die Gemeindefusion war in den Jahren des Umbruchs auch Thema der Fasenacht.
Ein Jahr zuvor, im Februar 1974, hatte die KiKaGe ihre Prunksitzung erstmals in der 1973 fertiggestellten Rheintalhalle veranstaltet. Dabei inszenierten die „KiKaGe-Boys“ unter Führung von Karlheinz Schweikert, wie eine künftige Gemeinderatssitzung nach einem damals noch nicht sicheren Zusammenschluss aussehen könnte, bei der unter anderem als künftige Ortsnamen „Zuckerau“, „Rheintal“ und „Sandhausen“ diskutiert wurden.
Zur gleichen Zeit hieß es in der Faschings-Glosse in den Wiesentaler Gemeindenachrichten vom 21. Februar 1974: „Von gewisser Seite aus ist daran gedacht, mit dem Wiesentaler Faschingsumzug 1974 auch den Stadtteil Kirrlach anzusteuern. Es soll jedoch den Teilnehmern freigestellt bleiben, ob sie sich dafür oder für einen Schweigemarsch über Oberhausen entscheiden.“
Der Umzug am Fastnachtsdienstag, den 26. Februar 1974, stand dann im Zeichen der Ölkrise und des „aktuellen Wiesentaler Themas Nr. 1“ Fusion oder Selbstständigkeit: Zu lesen war bei einer Fußgruppe: „Kärrlocher werden wir nie, eher ziehen wir aus mit Hab und Vieh“ und bei einer Radgruppe: „Was soll der Streit und was soll die Wahl, es bleibt beim Herz und Wiesental“.
Am 14. Februar 1975 lautete dann die Überschrift „Amtsverweser R. Straub wieder abgesetzt“ auf der Titelseite des Mitteilungsblatts mit einem Bericht über den ersten Rathaussturm nach der Fusion.
Am Fastnachtssonntag, den 9. Februar 1975, waren das KiKaGe-Prinzenpaar Alfred I. und Maria I. (Vogelbacher) mit den Elferräten und närrischem Gefolge zur Übernahme der Macht für die tollen Tage zum Rathaus Kirrlach gezogen. Dort war der Dienstsitz des Fusionsbürgermeisters bis zum Bezug des gemeinsamen Rathauses in Waghäusel 1983. Vorab hatte man alle Närrinnen und Narren der drei Ortsteile eingeladen, den Sturm auf das Rathaus tatkräftig zu unterstützen und spekulierte: „Im Zeichen der Fusion bleibt es abzuwarten, wie viele Gemeinderäte der neuen Großgemeinde Amtsverweser Robert Straub zu seiner Verteidigung aufbieten wird.“ Angesichts einer närrischen Übermacht musste er den Rathausschlüssel abgeben und die Elferräte führten die Ratsherren gefesselt aus dem Rathaus. Das Prinzenpaar verlas dann unter großem Beifall sein Regierungsprogramm, in dem Prinz Alfred I. den Ausgleich zwischen den Ortsteilen suchte, in dem „er den Wiesentalern genauso verbot, das ‚R‘ zu rollen, wie er es den Kirrlachern untersagte, das ,A' langzuziehen.“ Die gefesselten Gemeinderäte wurden anschließend in das „Hofgefängnis“ in der Rheintalhalle abgeführt, wo man noch lange „bei Wasser und Brot“ zusammensaß. Der Bericht schloss mit der Hoffnung, dass die zahlreiche Beteiligung von Einwohnern und Gruppen am Rathaussturm auch in der Zukunft anhalten möge.
Zwei Tage später, am Fastnachtsdienstag, 11. Februar 1975, stand der Wiesentaler Faschingsumzug bei strahlendem Wetter unter dem Motto: „Und war die Fusion ein noch so großer Schmerz, Helau dem Wiesentaler Herz“.
Der Umzug startete um 13.59 Uhr an der heutigen Bolandenschule II und nahm die Strecke Ring-, Bahnhof-, Kirch-, Wagbach-, Stefan-, Rotkreuz-Straße (Wende), Stefan-, Krieg-, Lager-, Schützen-, Heiligen- und Kirchstraße (Ausklang).
Angeführt wurde er von der Wiesentaler Feuerwehr, dem Fanfarenzug und den drei Pfarrgemeinderatsmitgliedern Maria Metzger, Hans Weisbarth und Hans Scherrer in schwarzen Fräcken. Kurz vor seiner Auflösung grüßten Amtsverweser Straub, sein erster Stellvertreter Rupert Baumann und der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hans Weisbarth den Zug.
Der Komitee-Wagen des Kienholzclubs stellte zur Fusion die Frage: „Geht es gut, alles unter einem Hut?“. Mehrere Gruppen griffen bereits das Kürzel „Wa-Wi-Ki“ in ihren Präsentationen auf.
Die Fuß- und Wagengruppe des Männergesangvereins zeigte das Schild „Landreform der dummen Planer stört uns nicht – Wir sind Indianer –“. Laut Bericht des Mitteilungsblatts vom 21. Februar 1975 „brachte der Schnauzerclub mit dem Fusionsspruch: ,Der Schnappsack kassiert Sandhas und Zuckerrüb' bei manchem echten Wiesentaler eine kleine Träne zum Vorschein“.
Auch die im April bevorstehende erste gemeinsame Kommunalwahl war Thema: Auf dem Wagen des Hundesportvereins stand: „Suchen Hunde, die nicht bellen, für den Gemeinderat“. Dagegen appellierte ein reiner Frauenwagen: „Wählt Frauen in den Gemeinderat“.
(von Katja Hoffmann, Stadtarchivarin)
(Fortsetzung folgt)