Aus den Rathäusern

80 Jahre Kriegsende: Am 19. April 1945 marschierten die Franzosen auch in Gomaringen ein

Tübingen, 19. April 1945: ab 7:00 Uhr morgens marschieren die Franzosen vom Ammertal her ein. Wenige Monate später wurde die Universitätsstadt „Landeshauptstadt“...

Tübingen, 19. April 1945: ab 7:00 Uhr morgens marschieren die Franzosen vom Ammertal her ein. Wenige Monate später wurde die Universitätsstadt „Landeshauptstadt“ des neuen Bundeslands „Württemberg-Hohenzollern“ unter französischer Militärregierung. Es war nach Bremen das Kleinste im ehemaligen Deutschen Reich und umfasste rund 10.000 Quadratkilometer zwischen Bodensee und A 8. Mangels Großstädten und wenig Industrie, stattdessen 16 überwiegend landwirtschaftlich geprägten Landkreise, waren die Luftangriffe hier nicht so zerstörerisch gewesen wie anderswo. Das Ländchen wurde deshalb auch als das "Glück im Winkel" bezeichnet.

Auch Gomaringen, das zum Oberamt Reutlingen gehörte, fiel 1945 in die französische Besatzungszone und kam somit zum Land Württemberg-Hohenzollern. Bürgermeister war kommissarisch bis 1946 Karl Beck, nach ihm zwei Jahre lang Heinrich Rapp.

Der französische Einmarsch in Gomaringen am 19. April 1945

Der Raum Tübingen / Ofterdingen / Kirchentellinsfurt / Reutlingen wurde von den französischen Truppen in der Zeit vom 19.-21. April 1945 eingenommen. Im nahen Schönbuch fanden bei Weil im Schönbuch am 21./22. April 1945 noch schwere Kampfhandlungen zwischen deutschen und französischen Truppen statt, weil dort Reste der deutschen 19. Armee lagen.

Anders als bisher nur durch Erzählungen und Briefe erlebten die Gomaringer in diesen Tagen die Auswirkungen des Krieges durch den Einmarsch der Franzosen hautnah. Die letzten Kriegstage hat der damalige stellvertretende Schulleiter Gerhard Junger seinem Tagebuch anvertraut:

1. April 1945: Brandbombenangriff der Alliierten auf das Ölschieferwerk „Hermann Göring“ auf dem Höhnisch; Jagdbomber („Jabo“) über dem Wiesaz-/Steinlachtal, am Abend Abschuss zweier Bomber über den Öschinger Wiesen und beim Hofgut Alteburg. Schon in den Monaten zuvor gab es immer wieder Jagdbomber-Angriffe auf den Härten, über dem Rammert und im Steinlachtal, was sicher auch Gomaringen in Angst und Schrecken versetzte.

18. April 1945: Personenangriff aus Jagdbombern zwischen Mörikestraße und Layweg

19. April 1945: Erste Meldung, dass Tübingen von den Franzosen eingenommen sei und Panzer Richtung Härten vorrückten, durch einen Gomaringer Bürger, der mit dem Fahrrad von der Zahnklinik kam. Es wurde, wie in umliegenden Ortschaften auch, der Befehl gegeben, die angelegte Panzersperre zu schließen. Zudem sollten überall, wo das deutsche Militär sich aus der Region um Tübingen zurückzog, Brücken und alle wichtigen öffentlichen Gebäude zerstört werden, was aber in Gomaringen – wie in Tübingen – nicht mehr ausgeführt wurde.
Die Panzersperre wurde jedoch gehalten von Volkssturm und Freikorps, im Rathaus befand sich der Ortsgruppenleiter mit dem Bürgermeister und Volkssturmführern. Nach einem Panzeralarm setzen sie sich jedoch alle ab. Nur noch einige Volkssturm-Männer, mehrere HJ-„Werwölfe“ und eine Handvoll deutscher Soldaten waren vor Ort. Und auch die, sowie andere versprengte Soldaten blieben nicht, sondern desertierten, nun in erbettelter Zivilkleidung, Richtung Süden.

Am Nachmittag marschierten die Franzosen mit vier Panzern und anderen Kampfwagen nun auch in Gomaringen ein. Eine planmäßige Verteidigung gab es nicht – im Gegenteil, die Gomaringer hatten genug und forderten die freiwillige Übergabe. Eine Gomaringerin hängte sogar ein weißes Leintuch an den Kirchturm, was letztlich zur Folge hatte, dass nicht die alliierten, aber deutsche Kampfbomber die Gomaringer Gegend aus der Luft beschossen.

Schwere Zeit

20./21. April 1945: Letzte Kampfhandlungen bei Gomaringen, Durchbruch der französischen Fronttruppe (hauptsächlich Marokkaner) durch die noch bestehende Panzersperre von Mähringen und Ohmenhausen her; die Panzer hatten sich tags zuvor nach Immenhausen zurückgezogen. Vier Tage blieben die Franzosen, weil sie nicht nach Süden weiterkamen; in dieser Zeit hatten, wie andernorts, vor allem sehr viele Mädchen und Frauen zu leiden: Wer nicht rechtzeitig unauffindbar versteckt werden konnte, wurde vergewaltigt. Nach vier Tagen folgte die zweite französische Frontlinie und quartierte sich in Gomaringer Häusern ein. Alles „kriegswichtige Material“ wurde beschlagnahmt – Autos, Betten, Kleidung, Wäsche und Bettwäsche, selbstverständlich alle Waffen, Fotoapparate, Ferngläser und Radios. Zu essen gab es abgesehen von dürftigen amerikanischen Lebensmittel-Rationen (500-800 Kal./Tag) wenig in dieser Zeit; die landwirtschaftlichen Produkte verlangten die Besatzer für sich. Gomaringen war schwierig zu verlassen und zu erreichen; die Bahnlinie hinter Betzingen von den Deutschen gesprengt. Die befreiten ausländischen Kriegsgefangenen marodierten in Gomaringen; es gab sehr strenge Sperrzeiten und die Schule blieb bis 1. Oktober geschlossen, das französische Militär viele Jahre im Ort.

Freundschaft mit Frankreich

Wir gedenken dieser Tage an das Ende des Zweiten Weltkriegs mit einem Rückblick auf die letzten Tage hier in Gomaringen. Wir erinnern aber auch immer wieder an die überaus wichtige Freundschaft, die sich mit dem Nachbarland entwickelt hat:

Nach 1945 musste allerorts noch viel geschehen, ehe die Ressentiments auf beiden Seiten einigermaßen ausgeräumt und die Zeit reif war für eine deutsch-französische Freundschaft. Allerdings kam es bereits 1950 zu einer ersten Städtepartnerschaft mit Frankreich (Ludwigsburg-Montbéliard), lange vor dem Élysée-Vertrag 1963 (Konrad Adenauer und Charles de Gaulles). Gomaringen nahm das Band der Freundschaft mit Arcis-sur-Aube 1976 auf.

Den 50-jährigen Bestand dieser Freundschaft feiern Arcis und Gomaringen 2026 und 2027. Möge das Band der Freundschaft und des Friedens in Europa weiterhin bestehen.

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Wir verweisen auf den Vortrag von Kreisarchivar Wolfgang Sannwald am Dienstag, 22. April, um 18:30 Uhr im Großen Sitzungssaal des Landratsamts Tübingen („Schwere Kämpfe um Tübingen“ – die Vorgänge zwischen dem 18. und 26. April im Kreisgebiet).

Quellen:

  • Udo Rauch (Stadtarchivar): Tübingen bei Kriegsende. Memento vom 8. Oktober 2006
  • Wolfgang Sannwald, Die Geschichte von Gomaringen, S. 350ff. Zweiter Band des Gomaringer Heimatbuchs (1988)
Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Gomaringen
Ausgabe 15/2025
von Gemeinde Gomaringen
12.04.2025
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