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Adolf-Falk-Rundgang durch Hochberg

In der Rolle des jüdischen Metzgers Adolf Falk erzählte Kai Buschmann am vergangenen Sonntag bei einem Rundgang durch den Ort vom Leben des letzten...
2019 verlegter Stolperstein für Adolf Falk (Hauptstr. 18, Hochberg)
2019 verlegter Stolperstein für Adolf Falk (Hauptstr. 18, Hochberg)Foto: K. Buschmann

In der Rolle des jüdischen Metzgers Adolf Falk erzählte Kai Buschmann am vergangenen Sonntag bei einem Rundgang durch den Ort vom Leben des letzten Juden in Hochberg: Am 20. Juli 1939 verließ Adolf Falk zwangsweise sein Heimatdorf, in dem er 81 Jahre gelebt hatte. Nach der Reichspogromnacht im November 1938 hatten die Nazis drei Verordnungen erlassen, die ihm die Lebensgrundlage entzogen: Juden durften kein Handwerk mehr ausüben (Falk war Metzger), durften keine Immobilien mehr besitzen (Falk musste sein Haus verkaufen) und mussten von Vermögen über 5000 Reichsmark 20 Prozent als „Judenvermögensabgabe“ an das Finanzamt abführen (Falk zahlte 1800 RM). Seit 1933 lag Adolf Falks Sohn Hugo, der in London lebte, dem Vater in den Ohren, er möge zu ihm nach England auswandern. Doch Falk fühlte sich sicher in seinem Heimatort. Die in Jahrzehnten gewachsenen vertrauensvollen Beziehungen in der nachbarschaftlichen Dorfgemeinschaft hielt er für stärker als die antijüdischen Machenschaften des NS-Staates. Eine Rolle mag dabei auch die Falksche Weihnachtsspende gespielt haben: Seit 1920 überwies der Londoner Teil der Familie Falk diese Spende an die Hochberger Gemeindekasse, mit der vor allem der Hochberger Kindergarten Alexandrinenpflege finanziert wurde. Wir lesen zwar im Dezember 1933 zum letzten Mal etwas über diese jährliche Spende in der Zeitung, in der NS-Zeit wird sie aber wahrscheinlich als eine Art Schutzgeld für Adolf Falk weiter bezahlt worden sein. Die reichsweiten antijüdischen Verordnungen nach der Reichspogromnacht machten dem dörflichen Agreement aber ein Ende.
Für den Ausreisetag Falks, den 20. Juli 1939, ist noch eine besondere Geschichte überliefert: Adolf Falk traf auf dem Ludwigsburger Bahnhof seinen ehemaligen Nachbarn Georg Kühnle, von 1920 bis 1935 Wirt der Hochberger Gaststätte Rose. Der nach Ludwigsburg umgezogene Kühnle hatte Falk vier Jahre nicht gesehen und sprach ihn erfreut am Bahnhof an. Falk reagierte mit „Ich kenne Sie nicht“. Nachdem Kühnle konsterniert nachhakte, flüsterte Falk ihm zu: „Gehen Sie weiter, wir werden beobachtet“. Damit schütze Adolf Falk seinen ehemaligen Nachbarn vor Nachstellungen der Gestapo, die bei Falks Ausreise offensichtlich genau beobachteten, mit wem der letzte Hochberger Jude noch Kontakt hatte.
Adolf Falk lebte noch vier Jahre im Londoner Stadtteil Hackney. Er starb am 5. Oktober 1943 und wurde auf dem Willesden Jewish Cemetery im Stadtteil Brent bestattet.

Kai Buschmann
Beth Shalom – Haus des Friedens, www.bethshalom-remseck.de

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Remseck Woche – Amtsblatt der Stadt Remseck am Neckar
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Ausgabe 28/2024
von Beth Shalom - Haus des Friedens. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e. V.
11.07.2024
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