Ärztliche Versorgung in Jagsthausen

Am 1.10.2024 wurde der Gemeindeverwaltung die Schließung der örtlichen Hausarztpraxis brieflich, ohne irgendwelche Vorabinformation, mitgeteilt....

Am 1.10.2024 wurde der Gemeindeverwaltung die Schließung der örtlichen Hausarztpraxis brieflich, ohne irgendwelche Vorabinformation, mitgeteilt. Nachdem die Gemeinde aus ihrem Netzwerk eine interessierte Ärztin hatte, fand daraufhin ein persönliches Gespräch in der Hausarztpraxis statt, in dem der Bürgermeister um Unterstützung bei der Nachfolge werben wollte. Dieses Gespräch verlief enttäuschend ergebnislos, obwohl sich die Gemeinde bei der damaligen Niederlassung sehr engagiert hatte. Die interessierte Ärztin nahm in der weiteren Folge Abstand zur Praxisnachfolge.

Weitere Gespräche im Laufe des Novembers mit dem MVZ Forchtenberg, den SLK Kliniken und einer weiteren Ärztin verliefen ebenso ohne positiven Abschluss. Daraufhin wurde am 14.11.2024 die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg schriftlich kontaktiert und mit der wirtschaftlich begründeten Schließung der Hausarztpraxis aufgrund Honorarkürzungen konfrontiert. Erwartungsgemäß erhielt die Gemeinde am 27.11.2024 die Antwort, dass „die KVBW zu dieser Thematik der falsche Adressat der Beschwerde“ sei. Es wurde auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit verwiesen.

Am 14.11.2024 wurden gleichzeitig die Landtagsabgeordneten aus unserem Wahlkreis informiert und um Unterstützung gebeten. Eine Resonanz gab es bisher nicht. Der Bürgermeister hat in der Folge am 12.12.2024 den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Folgen seiner verfehlten Gesundheitspolitik schriftlich konfrontiert.

Erfreulich und dankenswerterweise, sogar gute Nachrichten in diesem Kontext, gibt uns die Volksbank Möckmühl eG als Eigentümerin der Praxisräumlichkeiten, selbst noch im Jahr 2025 alle Möglichkeiten, eine Praxisnachfolge zu finden. Insofern darf ich den Aufruf auch an Sie starten: Haben Sie Kenntnis über eine Ärztin oder einen Arzt, der sich – in Jagsthausen – niederlassen möchte, dann bitte Kontaktaufnahme mit mir. Wir sind über jede Hilfe und Unterstützung dankbar.

Der Gemeinderat war über alle Schritte der Verwaltung informiert und hat mich in der Sitzung vom 12.12.2024 bestärkt, diesen Brief an den Bundesgesundheitsminister öffentlich zu machen, was ich hiermit tue:

Herrn Bundesminister

Prof. Karl Lauterbach

Bundesministerium für Gesundheit


11055 Berlin

Jagsthausen, den 12.12.2024

Ärztliche Versorgung

Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach,

in meiner Gemeinde des ländlichen Raumes nach dem Landesentwicklungsplan mit ca. 2.100 Einwohnern (Land Baden-Württemberg, Landkreis Heilbronn) schließt zum 31.01.2025 die örtliche Hausarztpraxis und alle meine bisherigen Bemühungen zur Nachfolgesuche sind krachend gescheitert.

Grund der Schließung ist die mangelnde Wirtschaftlichkeit aufgrund gekürzter Honorare für die Hausärzte. Die Arztpraxis ist nach Aussage der Hausärztin nicht mehr kostendeckend zu betreiben. Hierzu verweise ich auch auf den beigefügten Presseartikel der Heilbronner Stimme vom 16.11.2024, der diese mißliche Situation anschaulich beschreibt.

Die Budgetierung der Hausärzte ist eine Vorgabe des Gesetzgebers, also der aktuell noch handelnden Bundesregierung, der Sie als zuständiger Minister angehören, besser gesagt, eine Konsequenz aus Ihrem Nichthandeln. Die Situation ist geradezu absurd: Während Sie vollmundig ankündigen, die Hausärztebudgets abschaffen zu wollen, sind sie für hausärztliche Praxen in Baden-Württemberg erstmals seit über 10 Jahren wieder bittere Realität geworden.

Dabei war die Entbudgetierung der Hausärzte sogar Gegenstand des Koalitionsvertrages. Diese wurde im Laufe der Legislaturperiode mehrfach versprochen und von Ihnen immer wieder angekündigt. Aber eine Umsetzung des Gesetzentwurfs gibt es, nach meinen Recherchen, immer noch nicht. Das ist mehr als enttäuschend und für mich und meine Bevölkerung völlig inakzeptabel.

Sehr geehrter Herr Minister, mit Verlaub, wir kennen aber das Grundproblem: Große Worte, wenig bis gar keine Taten. Ich fordere Sie deshalb heute auf, das Gesetz so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, auch wenn nur noch wenig Zeit bis zum 23.02.2025 ist, um weiteren Schaden von der hausärztlichen Versorgung, insbesondere in den ländlichen Bereichen zu nehmen. Dauerhaft ist die Budgetierung im haus- und fachärztlichen Bereich nicht hinzunehmen.

Meine Hinweise an die KVBW kamen natürlich mit dem Verweis auf die Regelungen der Bundesregierung als Kanzleitrost zurück.

Sind sie sich dessen bewusst, dass Sie mit dieser menschenunwürdigen Gebühren- und Honorarpolitik die Menschen, insbesondere im ländlichen Bereich, im Stich lassen? Städtisch geprägte Praxen mögen diese Politik verschmerzen, auch ist die Arztdichte in diesen Regionen natürlich deutlich höher und verschmerzbar, wenn eine Praxis schließt.

Sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie eine Verantwortung gegenüber den Menschen im ländlichen Bereich ausüben? Dann nehmen Sie diese umgehend wahr. Ansonsten bleibt mir nur die Hoffnung, dass die Wählerinnen und Wähler, zu denen sogar die Menschen im ländlichen Bereich zählen, am 23.02.2025 die richtige Entscheidung fällen und eine neue, dem Menschen zugewandte Gesundheitspolitik wählen. Von meiner parteipolitisch ungebundenen Seite werde ich auf örtlicher Ebene jedenfalls die beste Werbung dafür betreiben.

Trotz der zweifelhaften Hoffnung, ob Sie mein Schreiben überhaupt persönlich erreicht, fordern Bürgerschaft, Gemeinderat und ich von Ihnen, die hausärztliche Versorgung in Jagsthausen für die Zukunft umgehend sicherzustellen und sich darum zu bemühen, die Arztpraxis in Jagsthausen wieder zu besetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Halter

Bürgermeister

Große Erwartungen an eine hilfreiche Antwort sind wohl eher nicht zu erwarten.

Der hausärztliche Mittelbereich Neckarsulm, zu dem auch Jagsthausen zählt, verfügt aktuell über 12 offene Hausarztsitze. Die KVBW in ihrem Schreiben vom 27.11.2024 teilt mit, „dass der aktuell in Jagsthausen befindliche Hausarztsitz aus bedarfsplanerischen Gründen unwiederbringlich verschwindet, ist derzeit nicht begründet. Sehr wohl aber stellt die beschriebene Nachbesetzung eines jeden frei werdenden Arztsitzes eine Herausforderung dar. Wie alle Freiberufler sind auch Ärzte frei in der Entscheidung, wo sie sich innerhalb eines Planungsbereichs niederlassen. Dies kann aufgrund der Regelungen der Bedarfsplanung dazu führen, dass in der Fläche (Anmerkung: d.h. im ländlichen Raum) lokal Versorgungsdefizite entstehen.“

Mich fasst dieses Thema sehr an, aber es gehört zur kommunalpolitischen Ehrlichkeit, dass ich derzeit keine realistische Hoffnung auf eine Praxisnachfolge machen kann. Die ärztliche Versorgung hat trotz alledem weiterhin eine hohe Priorität, aber bei ca. 1.000 unbesetzten Hausarztpraxen in Baden-Württemberg ist die Chance zur Wiederbesetzung derzeit als sehr gering einzustufen.

Roland Halter, Bürgermeister

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Jagsthausen
NUSSBAUM+
Ausgabe 51/2024
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