Egal ob „Hitlerjunge Salomon“ (1990) oder „Green Border“ (2023) – die Filme von Agnieszka Holland sind kontrovers. Während sie, wie sie selbst behauptet, wegen „Hitlerjunge Salomon“, ein Film über einen jüdischen Jungen in der Hitlerjugend, von den „härtesten Kritikern Deutschlands“ kritisiert worden sei, brauchte sie wegen „Green Border“, der von der harten Grenzpolitik Polens handelt, sogar Personenschutz. Im Zuge ihrer „Masterclass“ während des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg erklärte sie am 14. November, warum ihre Filme diese Reaktionen heraufbeschwören.
Normalerweise behandeln die Filme von Holland geschichtliche Themen. Mit ihrem 2023 erschienen Film „Green Border“ legte sie allerdings den Fokus auf die Gegenwart, auf die moderne Grenzpolitik Polens, die aufgrund großer Migrationswellen sehr hart geworden ist. Der Film war ein riesiger Skandal in ihrem Heimatland, sie habe sogar Bodyguards gebraucht, sei mit Hitler, Stalin, Goebbels, Putin verglichen worden. Agnieszka Holland sieht diese Reaktion als eine Methode rechter Parteien, ihre politischen Kampagnen voranzutreiben. Sie wurde dabei lediglich im Kreuzfeuer erwischt.
Die Grenzproblematik in den europäischen Staaten würden Ereignisse des 20. Jahrhunderts widerspiegeln, behauptet Holland. Der „Impfstoff“ gegen rechtsextreme Regimes, mit dem die Menschen nach dem Terror des Nationalsozialismus immunisiert worden seien, lasse nach. Rechte Parteien gewännen an Macht und würden Ängste in der Bevölkerung ausnutzen oder anhand bestimmter Phänomene, wie eben Migration, konstruieren. „Wir haben keine Migrationskrise, sondern eine politische Krise“, erzählt Holland im Gespräch auf der Bühne. Der Skandal um ihren Film sei aber ideale Werbung gewesen, fügt sie schmunzelnd hinzu.
„Europa, Europa“ ist der Originaltitel von „Hitlerjunge Salomon“, ihr wahrscheinlich bekanntester Film. Europa ist für Holland ein Kontinent, der für viele Menschen, gerade Geflüchtete, Hoffnung bedeute, gleichzeitig aber von den Verbrechen des 20. Jahrhunderts geprägt sei. Weil sie 1981 aufgrund der Erklärung des Kriegsrechts in Polen das Land in Richtung Frankreich verließ, konnte sie den Umgang mit Migranten und Flüchtlingen hautnah erleben. Integration in Europa sei schwierig, fast unmöglich, erzählt sie, weil Europäer Ausländer „nur ins Vorzimmer und nicht ins Wohnzimmer“ lassen würden. In den Vereinigten Staaten sei die Integration einfacher, doch auch dort werden stark rechte Politiker immer mächtiger. Der „Impfstoff“ lasse eben nach.
„Ich glaube, wir werden bald einen Krieg haben“, sagt Holland und bringt den Saal zum Verstummen. Der Glaube an die Demokratie erlischt, antidemokratische Parteien erstarken in allen entwickelten Ländern. Sie sieht keine mutige Antwort des politischen Mainstreams auf diese Krise, die liberalen Parteien nähmen stattdessen die Agenda der Rechten auf im Glauben, dass das der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger sei. „Die Leute wollen aber keine Autokratie“, sagt sie abschließend.
Ein Krieg wäre sicherlich ein sehr pessimistisches Ende der angespannten Lage. Ein grundlegender Pessimismus ist bei Agnieszka Holland nichts Neues, spiegelt er sich doch in ihren Filmen wider. Denn wie sie selbst sagt: „Für optimistische Enden müssen Sie woandershin.“
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