//Aleviten in Filderstadt im Gespräch mit Oberbürgermeister Christoph Traub//

„Menschlichkeit kennt keine Grenzen“ Die Betroffenheit bei Menschenrechtsverletzungen endet nicht an der Staatsgrenze – sie wirkt darüber...

„Menschlichkeit kennt keine Grenzen“

Die Betroffenheit bei Menschenrechtsverletzungen endet nicht an der Staatsgrenze – sie wirkt darüber hinaus, oftmals weltweit. Die Alevitische Gemeinde Filderstadt sorgt sich derzeit um Minderheiten (wie beispielsweise die Alawiten) in Syrien und hat dieser Tage Oberbürgermeister Christoph Traub sowie seine Referentin für Internationales, Gulistan Nas, über die aktuellen Entwicklungen nach dem Sturz des Assad-Regimes informiert.

Die Alevitische Gemeinde in Filderstadt, die rund 1.200 Menschen zählt, ist tief in der Großen Kreisstadt verwurzelt und seit vielen Jahren Teil des „Interreligiösen Dialogs“ vor Ort. Sie tauscht sich regelmäßig mit der Stadtverwaltung aus, engagiert sich bei Veranstaltungen sowie Festen (Interkulturelles Familienfest, Begegnungsfest, Plattenhardter Frühlingsfest). Ihr Sprecher Kemal Batman spricht von „seiner Stadt“, wenn er von Filderstadt erzählt. Seine Überzeugung: „Wir alle sind Filderstadt.“

Und eines stellt der so überzeugte Filderstädter Batman gleich zu Beginn des Gesprächs klar: „Unsere Sorge mit Blick nach Syrien gilt nicht ausschließlich den dort lebenden Alawiten. Uns geht es auch nicht um Unterschiede zwischen Aleviten und Alawiten. Für uns zählt nur eines: der Mensch.“ Minderheiten – unabhängig ihrer Herkunft oder Religion – dürften grundsätzlich nicht ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben oder gar ermordet werden. In diesem Zusammenhang erinnert Kemal Batman an die Ereignisse Anfang März 2025 in Syrien, als nach offiziellen Angaben über 1.000 Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten von Sicherheitskräften der neuen Übergangsregierung getötet wurden (die Dunkelziffer liegt weit höher).

Hoffnung auf ein

„friedliches Miteinander“

Dies zeige, so die Gesprächsgäste der Alevitischen Gemeinde in Filderstadt (Nurettin Öztürk und Kemal Batman), „dass Frieden in Syrien nicht Frieden in Syrien für alle Menschen“ bedeute. Nach wie vor würden Minderheiten (neben den Alawiten auch Christen, Drusen, Jesiden oder Kurden) in einem Land verfolgt, das seit Jahrzehnten von „einem brutalen Bürgerkrieg, systematischen Menschenrechtsverletzungen, willkürlicher Gewalt, Bombardierungen und Vertreibungen“ gekennzeichnet sei. Ihre Forderung an die internationale Gemeinschaft (insbesondere an Deutschland und die Europäische Union): „nicht wegzusehen sowie eine klare und entschlossene Haltung gegen die Kriegsverbrechen in Syrien sowie anderen Ländern zu zeigen“.

Batman und Öztürk wünschen sich ein friedliches Miteinander sowie den Austausch und Dialog aller Kulturen und Religionen weltweit. Auch Angehörige von Minderheiten sollten stets „als Menschen behandelt werden“. Filderstadts Aleviten sorgen sich auch um die wachsende Instabilität in Ländern wie Syrien, allgemeine Radikalisierungen, wachsende Spannungen und die Migrationsbewegungen, von denen Europa (samt Deutschland) tangiert sei.

Wunsch: Auch bei den

Geflüchteten „genauer hinsehen“

Ein Blick der Alevitischen Gemeinde in die Ferne: Auch nach dem Umsturz in Syrien (im Dezember 2024) gebe es keine demokratischen Strukturen, weiterhin heftige Kämpfe, zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, Verfolgungen und Hinrichtungen. Daher machten sich nach wie vor Geflüchtete auf den Weg Richtung Sicherheit, eine Zukunft, Europa, Deutschland, Filderstadt.

Batman: „Viele Menschen aus Syrien, die beispielsweise in Deutschland um Asyl gebeten haben, können jetzt nicht einfach in ihre alte Heimat zurückgeschickt werden, da ihnen oftmals auch jetzt – nach dem Sturz des ehemaligen Machthabers – weiterhin Gewalt droht.“ Dies unterstreicht auch Pastoralreferent Reinhold Walter von der Katholischen Kirche in Filderstadt: „Ich sehe mit großer Sorge, wie ungefiltert von syrischen Geflüchteten gesprochen wird – auch in unserer Stadt. Hier gilt es, ganz genau und differenziert hinzuschauen – gerade auch im Hinblick auf die Übergangsregierung in Syrien.“ Walter plädiert dafür, dass „alle Menschen im Dialog bleiben“, dass nicht automatisch abgeschoben werde – „nur weil sich die Machtverhältnisse in einem Land“ gedreht hätten.

Wie die Aleviten in Filderstadt ist auch Pastoralreferent Reinhold Walter ein Befürworter des „Interreligiösen Dialogs“ in der Großen Kreisstadt, der seit rund 15 Jahren geführt wird. Dort tauschen sich Vertretende des Christentums (evangelische wie katholische Kirche), von muslimischen Glaubensrichtungen sowie andere vertrauensvoll aus. „Dies geschieht gleichberechtigt und auf Augenhöhe“, freut sich der Gruppensprecher Reinhold Walter. Er sowie Batman und Öztürk laden Interessierte weiterer religiöser Strömungen oder Richtungen in der Großen Kreisstadt gerne zum Austausch ein.

Bei allen Unterschieden

viele Gemeinsamkeiten

Bei allen Unterschieden gebe es, so Christoph Traub, auch viele Gemeinsamkeiten der verschiedenen Glaubensrichtungen oder Konfessionen: unter anderem der Wunsch nach einen friedlichen Miteinander, die Ablehnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit („wo immer diese auch auf der Welt geschehen“), die Hoffnung auf Gerechtigkeit und die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung sowie den Schutz und die Unterstützung für geflüchtete Menschen in Not. „Das Gehörte führt mir die aktuelle Gewalt in Syrien aber auch an anderen Orten der Welt vor Augen. Dort und anderswo sind Minderheiten durch Machtansprüche anderer in Gefahr. Wir erleben, dass Schutzversprechen nicht mit tatsächlichem Schutz gleichzusetzen sind. Egal, ob Schutz von innen, also aus dem Land selbst, oder von außen, also einem anderen Staat, versprochen wird.“, fasst Oberbürgermeister Traub das Gespräch zusammen. Das Stadtoberhaupt teilt die Überzeugung der Alevitischen Gemeinde sowie vieler anderer in Filderstadt: „Menschlichkeit kennt keine globalen Grenzen.“

Und seine Referentin für Internationales, Gulistan Nas, ergänzt: „Gerade in Zeiten globaler Krisen ist es ein starkes Zeichen, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft hier in Filderstadt gemeinsam für Frieden, Menschenrechte und Dialog einstehen. Es ist wichtig, dass wir als Stadt auch die leisen Stimmen hören und sie schützen. Eine offene Gesellschaft beginnt im Lokalen.“

(sk)

Erscheinung
Amtsblatt Filderstadt
Ausgabe 21/2025

23.05.2025
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