1. Der wasserrechtliche Gemeingebrauch gemäß § 25 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. § 20 WG wird wie folgt beschränkt:
Der Gemeingebrauch, das heißt das Schöpfen von Wasser mit Handgefäßen, das Entnehmen von Wasser in geringen Mengen für Privatpersonen, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und den Gartenbau sowie das Entnehmen von Wasser mittels Pumpen oder ähnlichen Einrichtungen, ist an den öffentlichen oberirdischen Gewässern im Landkreis Reutlingen untersagt.
Ausgenommen von diesem Verbot sind vom Gemeingebrauch umfasste Wasserentnahmen innerhalb des Landkreises Reutlingen aus den Gewässern Neckar, Erms, Echaz, Große Lauter flussabwärts ab dem Zusammenfluss der Gächinger Lauter und der Großen Lauter, Zwiefalter Aach und Kesselbach.
2. Für die Inhaber einer wasserrechtlichen Erlaubnis gilt das Wasserentnahmeverbot der Ziffer 1 ebenfalls, sofern die Erlaubnis eine Inhalts- oder Nebenbestimmung enthält, die die Wasserentnahme in dem Zeitraum für unzulässig erklärt, in dem der Gemein- und Anliegergebrauch durch Allgemeinverfügung untersagt ist.
3. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wird angeordnet.
4. Die untere Wasserbehörde kann auf Antrag eine widerrufliche Ausnahme von den Regelungen der Ziffern 1 und 2 erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Maßnahme erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führt.
5. Die Allgemeinverfügung gilt ab dem Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung. Sie tritt mit Ablauf des 04.09.2025 außer Kraft.
Rechtsgrundlage für die Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung ist § 21 Abs. 2 Nr. 1 WG, § 100 Abs. 1 WHG, § 35 S. 2 LVwVfG, § 82 Abs. 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 WG und § 3 Abs. 1 LVwVfG. Danach kann der Gemeingebrauch aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Ordnung des Wasserhaushalts und zum Schutz der Natur, geregelt, beschränkt oder verboten werden. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landratsamts Reutlingen als untere Wasserbehörde für den Erlass der Allgemeinverfügung ergibt sich aus § 82 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 WG, § 15 Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 5 b) Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg (LVG) und § 3 Abs. 1 LVwVfG.
Aufgrund der anhaltenden Trockenheit kommt es in den Gewässern des Landkreises Reutlingen trotz kurzzeitigen beziehungsweise lokalen Regenereignissen zu einer geringen Wasserführung, insbesondere in kleineren Bächen und Flüssen. Trocknen Bäche und Flüsse aus, sind ökologische Schäden die Folge. Wird zusätzlich Wasser im Rahmen des Gemeingebrauchs, zum Beispiel für Bewässerungszwecke, entnommen, verschlechtert dies die Lebensbedingungen für Fische, Kleinlebewesen und Wasserpflanzen in und an den Gewässern.
Die unter Ziffer 1 angeordnete Untersagung von Wasserentnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs ist geeignet, um die Gewässer im Landkreis Reutlingen bei der anhaltenden Trockenheit vor weiteren Störungen zu schützen und eine Verschlechterung der ökologischen Funktionen der Gewässer zu vermeiden. Die Beschränkung des Gemeingebrauchs ist auch erforderlich, um die Funktion der Gewässer als Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt während der anhaltenden Trockenheit und der Abflusssituation in den Gewässern zu erhalten und um eine Absenkung des Grundwasserspiegels zu verhindern. Ein milderes Mittel, welches zur Erreichung des angestrebten Gewässerschutzes ebenso geeignet ist, ist nicht ersichtlich.
Die Beschränkung des Gemeingebrauchs hat nachteilige Auswirkungen auf Personen, die eine Wasserentnahme aus Gewässern im Rahmen des Gemeingebrauchs beabsichtigen. Für die von der Regelung der Allgemeinverfügung Betroffenen führt das Wasserentnahmeverbot gegebenenfalls zu einer Einschränkung des individuellen Wasserverbrauchs oder zu einer Umstellung auf alternative Wasserquellen. Dem Interesse der Wasserentnehmer stehen jedoch gewichtige Belange des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Gewässerökologie und der Natur, gegenüber. Die oberirdischen Gewässer sind empfindliche Ökosysteme, deren Zustand und Funktion durch niedrige Wasserstände, hohe Wassertemperaturen und ein schlechtes Mischungsverhältnis bei Einleitungen von gereinigtem Abwasser gefährdet wird. Vor diesem Hintergrund überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz dieser Gemeinwohlbelange gegenüber den privaten und wirtschaftlichen Interessen der Wasserentnehmer. Bei der befristeten Untersagung von Wasserentnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs handelt es sich somit um ein angemessenes Mittel zum Schutz der Gewässer und der Natur während der anhaltenden Trockenheit und den damit einhergehenden niedrigeren Wasserabflüssen.
Wasserentnahmen, die über den Gemeingebrauch hinausgehen, bedürfen gemäß den §§ 8, 9 WHG einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Sofern eine erteilte wasserrechtliche Erlaubnis eine Inhalts- oder Nebenbestimmung enthält, welche die Wasserentnahme für den Zeitraum, in dem der Gemeingebrauch durch Allgemeinverfügung beschränkt ist, für unzulässig erklärt, gilt das Wasserentnahmeverbot dieser Allgemeinverfügung auch für den Inhaber der jeweiligen wasserrechtlichen Erlaubnis.
Diese Maßnahme ist geeignet, um zusätzliche Beeinträchtigungen des ökologischen und chemischen Gewässerzustands in Trockenzeiten durch die bestehenden Wasserentnahmen zu vermeiden. Die derzeit geringen Abflussverhältnisse machen ein Wasserentnahmeverbot erforderlich, da gerade bei erlaubten Wasserentnahmen in der Regel größere Wassermengen entnommen werden und die Beschränkung des Gemeingebrauchs allein nicht ausreichen würde, um die Gewässer im notwendigen Maß vor nachteiligen Auswirkungen zu schützen.
Das Verbot der Wasserentnahme aus öffentlichen oberirdischen Gewässern für Erlaubnisinhaber ist notwendig, um den Wasserhaushalt und die Gewässerökologie zu schützen. Der Schutz der Gewässer und der Natur überwiegt in diesem Fall das Interesse der Wasserrechtsinhaber an einer uneingeschränkten Ausübung ihrer Wasserentnahme im Rahmen der Bestimmungen ihrer wasserrechtlichen Erlaubnis. Mit der Möglichkeit der Beantragung einer Ausnahme von dem Wasserentnahmeverbot wird sichergestellt, dass in begründeten Einzelfällen, in denen die Interessen eines Erlaubnisinhabers überwiegen, weiterhin eine Wasserentnahme möglich ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse. Es ist nicht vertretbar, dass durch Einlegung von Rechtsmitteln Wasserentnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs sowie durch wasserrechtliche Erlaubnis genehmigte Wasserentnahmen fortgesetzt werden können und dadurch die Ordnung des Wasserhaushalts weiter verschlechtert wird. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines geordneten Wasserhaushalts das private Interesse eines Einzelnen, das angeordnete Verbot bis zum Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht beachten zu müssen.
Durch die Regelung in Ziffer 4 besteht die Möglichkeit, dass in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von den Beschränkungen der Ziffern 1 und 2 durch die untere Wasserbehörde zugelassen werden.
Die trockene Wetterlage und die Abflusssituation in den Gewässern hat sich seit der Beschränkung des Gemeingebrauchs durch die Allgemeinverfügung vom 24.07.2025 trotz der Niederschläge nicht wesentlich geändert, weshalb die Einschränkung des Gemeingebrauchs über den 14.08.2025 hinaus erforderlich ist.
Die Allgemeinverfügung wird aufgrund der Abflusssituation in den Gewässern, der anhaltenden Trockenheit sowie der aktuellen Wetterlage, welche derzeit keine ergiebigen und flächendeckenden Niederschläge erwarten lässt, bis zum 04.09.2025 befristet. Sollte sich die Wetterlage und damit der Zustand der Gewässer bis zum Ablauf der Befristung nicht geändert haben, muss die Beschränkung des Gemeingebrauchs über diesen Zeitpunkt hinaus erneut verlängert werden.
Die Allgemeinverfügung wird gemäß § 41 Abs. 3 S. 2 LVwVfG öffentlich bekannt gegeben, da eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Die Adressaten der Allgemeinverfügung sind nicht ausreichend bestimmbar. Der auf die öffentliche Bekanntmachung folgende Tag wird gemäß § 41 Abs. 4 S. 4 LVwVfG als Zeitpunkt der Bekanntgabe bestimmt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Allgemeinverfügung wirksam und zu beachten.
Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt entsprechend der Satzung über die Form der öffentlichen Bekanntmachungen des Landkreises Reutlingen vom 17.12.2020 durch die Bereitstellung im Internet unter der Adresse des Landkreises Reutlingen www.kreis-reutlingen.de unter der Rubrik Bekanntmachungen. Als Tag der Bekanntmachung gilt der Tag der Bereitstellung.
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Landratsamt Reutlingen, Bismarckstr. 47, 72764 Reutlingen erhoben werden.
Reutlingen den 14.08.2025
Landratsamt Reutlingen, Umweltschutzamt - M. Büttner, Stv. Amtsleitung Umweltschutzamt