– „Können Service nicht mehr anbieten“
Ein bewährtes System steht vor dem Aus: Zu viel Müll, zu wenig Qualität – die Altkleidersammlung kollabiert. Und mit ihr droht auch das Ende wichtiger Projekte des Deutschen Roten Kreuzes.
Wer dieser Tage sein altes Hemd in einen der rot-beigen DRK-Container werfen möchte, könnte vor einer gähnenden Leere stehen – oder einem Platz, an dem bis vor Kurzem noch gesammelt wurde.
Die Fa. FWS Bremen, die im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes im Kreisgebiet für die Abholung zuständig ist, hat damit begonnen, Container einzusammeln.
Es gibt von FWS für die abgelieferten Altkleider kein Geld mehr für das DRK.
Was sich wie ein Verwaltungsakt liest, ist in Wahrheit ein Kollaps mit Ansage. Denn mit den Altkleidern verschwinden nicht nur die Container – sondern auch ein wichtiger Teil der sozialen Infrastruktur, Altkleidercontainer verkommen zur Restmülltonne.
Die Altkleidersammlung hat uns über viele Jahre hinweg wichtige Mittel für die gemeinnützige Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes gesichert. Doch dieser Weg ist faktisch versperrt: „Veränderte Marktbedingungen, steigende Kosten und zunehmender Missbrauch unserer Container machen es nicht länger möglich, den Service in gewohnter Form anzubieten.“
Viele Altkleidercontainer quellen zwar über – doch die Qualität der abgelieferten Textilien wird immer schlechter. Es ist ein Phänomen mit vielen Gesichtern – und einem gemeinsamen Nenner: Die Qualität der abgegebenen Kleidung sinkt, die Kosten steigen. Immer mehr Menschen werfen Müll, Windeln, Farbeimer oder völlig zerschlissene Textilien in die Container – und zerstören damit das Prinzip, das auf Wiederverwendung basiert. Was nicht wiederverwertet werden kann, muss teuer entsorgt werden. Was früher Einnahmen brachte, produziert heute Verluste.
Altkleider: Fast Fashion flutet den Markt – und verstopft das System
Die Gründe für die Krise sind systemisch. Die Textilwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Immer mehr Kleidung wird billig produziert, oft aus synthetischen Fasern, die weder weiter tragbar noch recycelbar sind. Der Trend zur sogenannten Fast Fashion führt dazu, dass die Container mit Bergen minderwertiger Kleidung überquellen. Seit Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie zum 1. Januar 2025, die eine getrennte Sammlung von Alttextilien vorschreibt, hat sich die Lage weiter verschärft.
„Seit Januar laufen unsere DRK-Altkleider-Container vielerorts über“, bestätigte der DRK-Kreisverband bereits keine drei Wochen nach dem Jahreswechsel gegenüber der Lokalzeitung. Denn viele Menschen missverstünden die neue Regelung – oder ignorierten sie schlicht. Auch stark verschmutzte und unbrauchbare Kleidung lande in den Containern, obwohl sie weiter in den Restmüll gehöre. Die Folge: Ganze Containerladungen müssten entsorgt, statt weiterverwertet werden.
Verwertungskrise Altkleider: Wenn Kleidung zur Last wird
Das Problem liegt aber nicht allein im Konsumverhalten. Auch geopolitische Faktoren wie der Krieg in der Ukraine haben den Absatzmarkt in Osteuropa nahezu zum Erliegen gebracht. Dort, wo früher Secondhand-Ware hin verkauft wurde, ist die Nachfrage eingebrochen. Gleichzeitig steigen die Transportkosten, etwa durch neue Mautgebühren für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen. All das macht die Sammlung unwirtschaftlich. Laut Fairwertung, dem Dachverband gemeinnütziger Kleidersammler, eignet sich inzwischen nur noch etwas mehr als die Hälfte der gesammelten Altkleider für den Secondhand-Markt. Ein kleiner Teil wird zu Putzlappen oder Dämmmaterial recycelt. Der Rest muss verbrannt werden – mit klimapolitisch fragwürdigem Ergebnis.
Altkleidersammlung: Ein System, das an sich selbst erstickt
Dabei war die Altkleidersammlung lange eine Erfolgsgeschichte. Qualitativ hochwertige Textilien konnten weiterverwendet oder verkauft werden. Die Erlöse flossen in soziale Projekte, regionale Hilfsangebote, Katastrophenschutz. Auch im Rems-Murr-Kreis. Doch dieses System droht nun zu kippen. Besonders bitter: Die neue EU-Richtlinie, die eigentlich für mehr Nachhaltigkeit sorgen sollte, verschärft das Problem auf lokaler Ebene. „Das bislang funktionierende System würde kollabieren, wenn es verstärkt als Abfallentsorgung missbraucht wird“, warnt Fairwertung in einer aktuellen Pressemitteilung. Auch die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) sieht sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Zwar gibt es weiterhin Annahmestellen für Alttextilien – etwa in Backnang, Winnenden oder Remshalden. Doch deren Kapazitäten reichen kaum aus, um das wachsende Aufkommen zu bewältigen. Die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Kreises (AWRM) appelliert an die Bevölkerung, nur tragbare Kleidung in die Container zu geben – und den Rest korrekt zu entsorgen.
Politik gefordert – und Bürger in der Verantwortung
Nicht nur das DRK hofft nun auf eine politische Lösung. Doch kurzfristig ist keine Hilfe in Sicht. „Der Wegfall der Einnahmen aus diesem Bereich müsste durch Spenden kompensiert werden“, heißt es aus dem Kreisverband. Doch ob das gelingt, ist fraglich. Die Spendenbereitschaft ist vielerorts rückläufig – und andere soziale Projekte konkurrieren um dieselben Mittel. Die neue EU-Richtlinie war gut gemeint. Doch sie trifft ein bewährtes System mitten ins Herz – und offenbart einmal mehr die Lücke zwischen politischem Anspruch und praktischer Umsetzung. Die Verantwortung wird dabei weitergereicht: von der EU an die Länder, von den Ländern an die Kommunen, von dort an karitative Einrichtungen – und letztlich an die Bürger.
Altkleidersammlung in der Krise: Ein Verlust für die Gemeinschaft
Und so wird ein Symbol der Solidarität zum Mahnmal eines Systems, das sich selbst überlebt hat. Bleibt zu hoffen, dass es nicht ganz verschwindet. Denn Altkleider sind mehr als Müll. Sie sind Ressourcen, Geschichten – und für manche Menschen schlicht Notwendigkeit. Aktuelle Informationen zu den Annahmestellen der AWR.