Fast 40 Jahre lang war der promovierte Biologe Clemens Becker verantwortlicher Tierbiologe und stellvertretender Zoodirektor in Karlsruhe. Er koordinierte das Erhaltungszuchtprogramm für Orang-Utans in 70 europäischen Zoos und ist international als Menschenaffenexperte gefragt. Nun ist er im Ruhestand und betreut als Vorstand weiterhin die 2016 gegründete „Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe“. Im Christkönigshaus in Durlach spricht er über „Schöpfung bewahren mit der Artenschutz-Stiftung“. Vorab hat er Fragen beantwortet.
Grötzingen Aktuell: Wozu brauchen wir Artenschutz?
Clemens Becker: Die Artenvielfalt ist die grundsätzliche Voraussetzung für unser Überleben. Wenn das ökologische Gleichgewicht mit seinen biologischen Kreisläufen und vielschichtigen Nahrungsketten nicht erhalten bleibt, hat das weitreichende Folgen. Außerdem liefert die Artenvielfalt Ressourcen für die Menschen, erzeugt Medikamente und garantiert genetische Vielfalt.
GA: Was sind die Ursachen des Artensterbens?
Becker: Da gibt es viele Faktoren: Lebensraumverlust und Zerstückelung der Lebensräume durch menschliche Aktivitäten wie Straßen- und Bergbau, Abholzung, Überfischung, Verschmutzungen, Landwirtschaft, invasive Arten. Die Klimaveränderung mit heißem und trockenem Klima kommt dazu, was zu schweren Unwettern führen kann.
GA: Nennen Sie uns bitte Beispiele.
Becker: Unsere Wälder gehen kaputt. Die Eichen und die Buchen können hier nicht mehr leben. Die Meere sind voll von unserem Plastikmüll. Invasive Arten - das sind Tier- und Pflanzenarten, die neu in Lebensräume einwandern und dort keine natürlichen Feinde haben - vermehren sich ungebremst. Dadurch rotten sie unter Umständen die heimische Fauna und Flora aus oder bringen Krankheiten. Beispiele sind der Ochsenfrosch, der die Gewässer leerfrisst, und die Tigermücke, die das Dengue-Fieber überträgt. Riesige Maisfelder gaukeln uns grüne Landschaft vor, sind aber ökologisch betrachtet grüne Wüsten.
GA: Wie wird entschieden, welche Projekte unterstützt werden?
Becker: An der Entscheidung wirken Naturschutzorganisationen, Wissenschaft, Politik und andere mit. Sie orientiert sich an gesellschaftlichen Bedürfnissen und an ökologischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Erfordernissen. Begonnen hat der Artenschutz bei den Säugetieren, inzwischen werden sehr viele Tiere begleitet und einige Pflanzen. Bei den Pilzen und den Mikroorganismen ist der Artenschutz trotz ihrer Bedeutung noch nicht sehr weit.
GA: Wie sehen Sie die Zukunft der „Schöpfung“?
Becker: Als Christ gilt für mich das Prinzip Hoffnung und Zuversicht. Ich möchte Begeisterung für die Schöpfung wecken und freue mich, dass Menschen, etwa Fridays for Future oder die Grünen, nicht aufgeben. Übrigens gibt es auch in den anderen Religionen Hinweise darauf, die Schöpfung zu erhalten. Das könnte ein weltweit überreligiöses Programm sein.
GA: Was erfahren die Teilnehmerinnen in Ihrem Vortrag beim Frauenfrühstück?
Becker: Ich möchte vor allem vorstellen, was wir als Artenschutz-Stiftung tun, welche Projekte wir betreuen, was wir dafür ausgeben und welche Erfolge wir damit erzielen. Ich werde über Aufforstung in Ecuador sprechen; über Auswilderungen der Orang-Utans in Indonesien; Großwildtiere bei den Massai in Kenia; den Eisbär, den Moorfrosch und den Scheckenfalter in Karlsruhe und vieles mehr. Außerdem möchte ich zeigen, dass man ganz konkret und im Kleinen anfangen kann, Arten zu schützen. (rist)