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Amnesty International Gruppe 1289 Calw-Althengstett: Jahresbericht 2023/2024

Am 24.04.2024 hat Amnesty International seinen aktuellen Jahresbericht 2023/2024 zur weltweiten Lage der Menschenrechte veröffentlicht. Im Vorwort schreibt...

Am 24.04.2024 hat Amnesty International seinen aktuellen Jahresbericht 2023/2024 zur weltweiten Lage der Menschenrechte veröffentlicht. Im Vorwort schreibt Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, unter anderem:

Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich einmal bei der Betrachtung der Lage der Menschenrechte an den Science-Fiction-Film Zurück in die Zukunft aus den 1980er-Jahren erinnert fühlen würde. Doch nun ist es so weit: Ähnlich wie in diesem Film hat die Welt eine Zeitreise gemacht. Es fühlt sich so an, als wären wir in einer Zeit vor 1948, einer Zeit also, in der es noch keine allgemeingültig verbrieften Menschenrechte gab. Gleichzeitig bewegen wir uns immer schneller auf eine Zukunft hin, die von Tech-Giganten und unregulierter künstlicher Intelligenz (KI) beherrscht wird.

Im Jahr 2023 stellte das politikwissenschaftliche Forschungsinstitut V-Dem fest, dass die Zahl der Menschen, die in Demokratien leben (hier definiert als Länder, in denen Rechtsstaatlichkeit herrscht, die Exekutive von Legislative und Judikative begrenzt wird und die bürgerlichen Freiheiten geachtet werden), auf den Stand von 1985 gesunken ist. Das ist die Zeit vor der Entlassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis, vor dem Fall der Berliner Mauer, vor dem Ende des Kalten Krieges und vor all den damit verbundenen Hoffnungen auf eine neue Ära für die Menschheit.

Diese neue Ära war flüchtig. Im Jahr 2023 häuften sich andere, entgegengesetzte Anzeichen. Autoritäres Denken und Handeln griffen auf Regierungs- und Gesellschaftsebene um sich. In zahlreichen Ländern des Nordens, Südens, Ostens und Westens untergruben autoritäre Maßnahmen die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, die Geschlechtergleichstellung und die sexuellen und reproduktiven Rechte.

Den Begleitton lieferte dabei ein öffentlicher Diskurs, der Hass und Angst schürte und dazu führte, dass der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft eingeschränkt wurde. Sowohl Einzelpersonen als auch ganze Bevölkerungsgruppen am Rande der Gesellschaft wurden dämonisiert.

Unsere metaphorische Zeitmaschine brachte uns allerdings nicht nur ins Jahr 1985. Sie versetzte uns auch zurück in eine Hölle, deren Tore 1948 verriegelt worden waren. „Nie wieder“ schwor sich die Welt nach einem Weltkrieg mit rund 55 Millionen zivilen Todesopfern und den Gräueln des Holocaust, bei dem sechs Millionen Juden und Jüdinnen und Millionen andere Menschen ausgelöscht worden waren.

Und dennoch wurden die ethischen und rechtlichen Grundfesten des „Nie wieder“ im Jahr 2023 erschüttert. Am 7. Oktober 2023 beging die Hamas schreckliche Verbrechen, bei denen mehr als 1.000 Menschen, zumeist israelische Zivilpersonen, getötet, Tausende verwundet und etwa 245 Menschen als Geiseln oder Gefangene genommen wurden. Anschließend antwortete Israel mit Vergeltungsmaßnahmen, die einer Kollektivbestrafung gleichkamen. Zivilpersonen und zivile Infrastruktur wurden vorsätzlich und unterschiedslos beschossen, humanitäre Hilfe verweigert. Die folgende Hungersnot war vorhersehbar.

Hinzu kommt die großangelegte Militärinvasion Russlands in die Ukraine. Sie verstößt gegen die UN-Charta und untergräbt die internationale Rechtsordnung. Russische Truppen greifen gezielt die ukrainische Zivilbevölkerung an. Dabei haben sie bereits Tausende Menschen getötet und die zivile Infrastruktur weitgehend zerstört.

Auch China, ein weiteres ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats, verstößt gegen das Völkerrecht. Die chinesische Regierung nimmt Menschen fest und foltert sie. Außerdem entzieht sich das Land der internationalen Kontrolle, wenn es um seine anhaltenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht, beispielsweise gegen die uigurische Minderheit.

Im Jahr 2023 katapultierten uns außerdem ChatGPT-4 und andere generative KI-Technologien, die früher als erwartet eingeführt wurden, mit Überschallgeschwindigkeit in die Zukunft. Die im vergangenen Jahr begangenen Verstöße durch Tech-Giganten lassen auch für kommende Zeiten nichts Gutes erahnen. Bestimmte Technologien höhlen unsere Rechte aus, indem sie rassistischer Politik Vorschub leisten, die Verbreitung von Falschinformationen ermöglichen oder die Meinungsfreiheit beschneiden. Große Technologiekonzerne haben diese Gefahren bislang ignoriert oder heruntergespielt.

Die Rückschritte bei den Menschenrechten blieben im Jahr 2023 allerdings nicht unbemerkt – im Gegenteil. Menschen auf der ganzen Welt haben diese Rückschritte lautstark angeprangert und damit globale Solidarität im großen Stil bewiesen. Es gab im Jahr 2023 zahlreiche Menschen, die sich all jenen entgegenstellten, die das Rad der Zeit auf 1985 oder gar vor 1948 zurückdrehen wollten. Menschen, die auf die Straße gingen und gegen eine Zukunft demonstrierten, die wir uns so nicht wünschen. Trotz aller Widrigkeiten haben auch sie das Jahr 2023 mitgestaltet.

Meine Hoffnung ist, dass Diplomat/-innen und Aktivist/-innen im Jahr 2048 – oder gar 3048 – auf 2023 zurückblicken und zu einem Schluss kommen werden: Dass es damals unzählige Menschen auf der ganzen Welt gab, die alles daran gesetzt haben, sich gegen das Unrecht zu stellen und für unsere gemeinsame Menschlichkeit und die Menschenrechte einzustehen.

Erscheinung
`s Blättle – Amtsblatt der Gemeinde Althengstett
NUSSBAUM+
Ausgabe 19/2024
von Amnesty international, Gruppe Calw-Althengstett
10.05.2024
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