Es war die Woche der Entscheidungen, Turbulenzen mit eingeschlossen. Am Mittwoch wurde die Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trump bestätigt. Dieses Ergebnis sorgte schon teilweise für Entsetzen bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei den europäischen Regierungen. Doch nur einen Tag später sorgte Bundeskanzler Olaf Scholz für den nächsten Knall, als er am späten Abend die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner in den Medien vermeldete. Damit war das eingetreten, was schon Wochen vorher prognostiziert wurde – ein vorzeitiges Scheitern der Ampelregierung. Der Rausschmiss von Finanzminister Lindner markiert jedoch das Ende einer langen gestörten Zusammenarbeit in der Ampel.
Die Redaktion hat bei den vier Bundestagsabgeordneten für den hiesigen Wahlkreis sowie den örtlichen Parteivorsitzenden von CDU, SPD, Grüne und FDP nachgefragt und um ihre Meinung gebeten, wie sie den Ausgang des Koalitionsbruchs beurteilen und wann die Vertrauensfrage gestellt werden sollte.
Prof. Dr. Lars Castellucci, MdB, SPD: Ich empfinde es als ein Scheitern, dass es uns nicht gelungen ist, die Wahlperiode vollzumachen. Andererseits war das Regieren schon lange eine Qual. Nicht, weil wir nicht auch viel Gutes bewirken konnten – die Sicherung der Energieversorgung, die Rückführung der Inflation, die Reduzierung des Niedriglohnsektors, Erhöhung des Kindergelds, vieles mehr. Nein, weil all das immer wieder konterkariert wurde durch öffentliches Auseinanderlaufen, oftmals direkt, nachdem man sich gerade geeinigt hatte. Es ist alles versucht worden, aber zum Gelingen muss der Wille zur Zusammenarbeit von allen Seiten da sein. Bundeskanzler Olaf Scholz hat jetzt die Reißleine gezogen. Das ist auch eine Befreiung.
Der Fahrplan hin zu Neuwahlen findet meine Zustimmung. Ist die Vertrauensfrage einmal gestellt und verloren, laufen kurze Fristen, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen durchzuführen. Niemand will an Silvester wählen gehen. Dazu kommt: Nicht überall sind die Kandidierenden schon nominiert. Parteien müssen Parteitage organisieren. Und vor allem: Ich will auch eine Chance haben, mit Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen.
Moritz Oppelt, MdB, CDU: Für die Menschen in Deutschland kommt das Ampel-Ende einer Erlösung gleich. Die Ampel-Regierung war meiner Meinung nach die schlechteste Bundesregierung, die Deutschland seit Gründung der Bundesrepublik jemals erdulden musste.
Die Ampel ist nicht nur im Stil, sondern vor allem auch mit ihrer Politik gescheitert. Sie steht vor dem Scherbenhaufen ihrer linksliberalen-grün-ideologischen Politik. Die Ampel ist der real gewordene Beweis, dass linke Politik in der realen Welt einfach nicht funktioniert – ob beim Heizungsgesetz, den Bauernprotesten, einer anhaltenden Rezession oder der Migrationskrise.
Wer jetzt Verantwortung für unser Land übernehmen will, darf nicht auf der Ministerbank kleben bleiben, sondern muss jetzt den Weg für Neuwahlen frei machen. Deutschland hat kein Vertrauen mehr in die Ampel und dieser Bundeskanzler hat keine Mehrheit mehr im Deutschen Bundestag. Gerade jetzt braucht Deutschland aber einen Kanzler, der international sprechfähig und handlungsfähig ist. Wir brauchen deshalb schnell eine neue stabile Mehrheit und einen neuen Bundeskanzler für dieses Land.
Jürgen Kretz, MdB, Bündnis 90/Die Grünen: In der schwieriger werdenden internationalen Lage brauchen wir umso dringlicher eine Regierungskoalition, die handlungsfähig ist und konstruktive Kompromisse findet. Wir Grünen waren uns dieser Verantwortung bewusst und haben entsprechende Angebote gemacht. Doch die FDP war nicht mehr an einer Lösung interessiert. Die Koalition ist an Christian Lindners Ego gescheitert. Seine Entlassung durch den Kanzler kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, ist aber folgerichtig. Jetzt geht es darum, wichtige Projekte noch zu Ende zu bringen – für eine nachhaltige Wirtschaft und für Sicherheit in Europa. Mit seiner Kanzlerkandidatur macht Robert Habeck eine deutliche Ansage: Wir Grünen sind bereit für den Bundestagswahlkampf!
Wann die Vertrauensfrage gestellt wird, liegt in der Verantwortung des Kanzlers. Wir Grünen sind bereit, bis dahin unseren Verpflichtungen in der Regierung und im Bundestag nachzukommen.
Dr. Jens Brandenburg, MdB, FDP: Die Lage ist ernst. Deutschland braucht dringend einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach vielen wichtigen Reformen war es in der Koalition zuletzt leider nicht mehr möglich, sich auf eine spürbare Wirtschaftswende zu verständigen. Ich bin erleichtert, dass Christian Lindner sich vom Kanzler nicht erpressen ließ, einem offensichtlich verfassungswidrigen Haushalt zuzustimmen. Wir brauchen jetzt keine ungezügelte Kamelle-Politik, sondern mutige Schritte bei Innovationen, Bürokratieabbau und steuerlicher Entlastung. Das erfordert auch Ausgabendisziplin beim Staat. Mit Olaf Scholz und der bisherigen Koalition wird das nicht mehr funktionieren. Wir kämpfen jetzt für eine neue Regierungsmehrheit, die die Herausforderungen unserer Zeit nicht nur aussitzen, sondern wirklich lösen will.
Wir haben dem Kanzler ein geordnetes Verfahren mit einer stabilen Mehrheit für besonders dringende Entscheidungen vorgeschlagen. Das hat er brüsk abgelehnt. Umso mehr steht er jetzt in der Verantwortung, offensichtlich nötige Neuwahlen nicht aus wahltaktischen Gründen zu verschleppen. Das Land braucht Klarheit und deshalb sollte der Kanzler den Weg zum Wählervotum endlich frei machen.
Michael Wanner, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes: Die Gemeinsamkeiten der drei Ampel-Parteien waren schon lange erschöpft. Die zutiefst zerstrittene Ampel-Koalition hatte keine tragfähige Grundlage mehr, die im Land anstehenden und nicht aufschiebbaren Probleme zu lösen. Der Zerfall der Ampel-Koalition war längst absehbar und nur noch eine Frage der Zeit. Der Akt der Trennung selbst wurde als unwürdiges Schauspiel mit verbalen, persönlichen Anfeindungen vollzogen. Parteipolitische und wahltaktische Spielchen verhinderten letztendlich einen würdevollen Ausstieg und einen geordneten Übergang in Neuwahlen.
Die Vertrauensfrage darf nicht bis 2025 aufgeschoben werden. Die Hängepartie der Restregierung ohne parlamentarische Mehrheit und somit ohne eigene Gestaltungsmöglichkeiten sollte schnellstens beendet werden. Ich teile die Meinung von Friedrich Merz, dass wir mit dieser Regierung keinen Aufschwung mehr hinbekommen. Der Wähler hat das Recht auf zügig angesetzte Neuwahlen, um dem Land wieder eine Richtungsentscheidung und eine stabile Regierung zu geben. Die Gründe der Rumpfkoalition für späte Neuwahlen sind rein parteipolitisches Kalkül und der weitere Stillstand wird weiteren Schaden verursachen.
Friso Neumann, Vorsitzender der FDP Südliche Bergstraße: Wenn grundlegende politische Anschauungen und speziell finanzielle Prioritätensetzungen zu stark voneinander abweichen, ist es besser, man trennt sich. Ein Weiter-So wäre die schlechtere Alternative gewesen. Eine Trennung über geordnete Neuwahlen zu vollziehen, wäre zu begrüßen. Dies hatte Herr Lindner vorgeschlagen. Bundeskanzler Scholz hielt es für angemessener, mit einer persönlich diffamierenden Ansprache, die ihresgleichen sucht, den Koalitionsbruch zu besiegeln. Auch ein wahlkampfgetriebenes Taktieren mit dem Termin der Neuwahl ist nicht gerade das, was man sich von einem Bundeskanzler erhofft. Neuwahlen müssen so früh, wie es aus rechtlicher und organisatorischer Perspektive möglich ist, angesetzt werden.
Kai Jacob, Vorsitzender des OV Bündnis 90/Die Grünen: Der Bruch der Ampelkoalition ist bedauerlich, war aber angesichts der Blockadehaltung der FDP in zentralen Fragen letztlich unvermeidbar. Wir Grüne hätten die Koalition gerne bis zum Ende der Legislaturperiode fortgesetzt, um den Wählerauftrag zu erfüllen. Aber wenn ein Partner nicht mehr kompromissbereit ist, ist ein schnelles Ende besser als ein langes Siechtum.
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, die Vertrauensfrage schnell zu stellen, um rasch Klarheit zu schaffen. Wenn der Bundeskanzler aber mit der Opposition noch wichtige Projekte auf den Weg bringen kann, wäre ein Aufschub bis Januar vertretbar. Ansonsten plädiere ich für eine schnellere Klärung, um den Weg für Neuwahlen freizumachen.
Wir Grüne sind jedenfalls bereit für einen Neuanfang und blicken zuversichtlich auf den bevorstehenden Wahlkampf. Auf Ortsebene werden wir uns engagieren, sobald der Startschuss gefallen ist.
Philipp Rothenhöfer, stellv. Vorsitzender des OV der SPD: Die Arbeit der Ampel-Koalition war seit geraumer Zeit von unterschiedlichsten Problemen und verschiedenen politischen Ansichten der beteiligten Parteien geprägt. Wir sehen die Entlassung von Herrn Lindner als Finanzminister und damit das Scheitern der Ampel-Koalition als folgerichtig an, es kann nicht die gesamte politische Arbeit der Koalition an der Blockadehaltung des kleinsten Partners scheitern. Wir begrüßen das konsequente Handeln unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz in dieser Situation.
Der Zeitpunkt zum Stellen der Vertrauensfrage ist sicherlich ein zu diskutierender Punkt. Aus unserer Sicht muss genug Zeit sein, um die Neuwahl vorzubereiten, wobei auch die vielen ehrenamtlichen Helfer in den Gemeinden sowie sonstige Vorbereitungen bedacht werden sollten. Ein Wahlkampf während der Weihnachtszeit sollte aus unserer Sicht, auch mit Blick auf die Helfer in den Ortsvereinen, vermieden werden.
Sollten andere politische Akteure einen schnelleren Regierungswechsel fordern, steht der Weg des konstruktiven Misstrauensvotums offen, dieser Weg scheint aber derzeit von den anderen politischen Akteuren nicht gewünscht zu sein. (chs/red)