„Eine perfekte Täuschung ist keine mehr“, sagt Anette Ochsenwadel. „Eine Täuschung muss immer auch so sein, dass die Ent-Täuschung möglich ist und wir erkennen, wie faszinierend wir getäuscht wurden.“ Anette Ochsenwadel ist Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin. Sie spricht bei junge alte im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung im Gemeindehaus Am Zwinger über „Das Trompe-l’œil – die Kunst der Augentäuschung“.
Ein Trompe-l’œil, französisch für „täusche das Auge“, von tromper „täuschen“ und l’œil „das Auge“, ist eine illusionistische Malerei. In ihr wird etwas, häufig eine dritte Dimension, vorgetäuscht, die es in der Realität nicht gibt.
„Eine Methode der Täuschung ist die Perspektive“, erklärt Anette Ochsenwadel. Dabei bediene sich der Künstler oft Hilfsmittel. So schaue er etwa unter einem fest fixierten Blickwinkel durch ein Gitter, etwa in eine Landschaft, und zeichne, was er in den Zwischenräumen sehe. Mit der „Errungenschaft der Zentralperspektive“ seien perfekte Illusionen möglich geworden. Bei einer Zentralperspektive befindet sich der Fluchtpunkt in der Bildmitte und es entsteht eine Frontalansicht des Objektes ohne Verschiebungen nach rechts oder links.
Manche perspektivische Darstellung sei, wenn sie frontal von vorne betrachtet werde, nur als Verzerrung zu erkennen. „Es gibt dann immer einen ganz bestimmten Standort, von dem aus das Werk betrachtet werden muss, damit das dargestellte Objekt wahrgenommen werden kann“, sagt Anette Ochsenwadel.
In der Bildhauerkunst kämen häufig Täuschungen über die Materialität. So seien aus Marmor täuschend echte Netze oder Schleier, etwa bei der Skulptur “Die verschleierte Jungfrau” von Giovanni Strazza (1817/18 – 1875), geschaffen worden.
Trompe-l’œils gebe es seit der Antike und bis heute. Bereits Parrhasios, (um 5./4. Jahrhundert v. Chr) täuschte: Er malte einen Vorhang, den die Betrachter*innen zur Seite ziehen wollten. „Der Vorhang wird sehr häufig beim Trompe-l’œil verwendet“, berichtet Anette Ochsenwadel. „Früher hat es die Tradition gegeben, Bilder mit einem Vorhang zu verhängen.“
Ebenfalls oft wird eine Schein-Kuppel auf eine flache Raumdecke gemalt. Die Kuppel wölbt sich dann, unter definiertem Blickwinkel, optisch nach oben. Bekannt sei die Scheinkuppel in der Jesuitenkirche in Wien von Andrea Pozzo (1642- 1709).
Maler haben Nischen, Türen und Fenster auf flache Wände gezaubert, die in ihrer Umgebung wie echt wirken. In den Nischen stehen Figuren oder andere dreidimensional erscheinende Gegenstände. Durch die Fenster ist ein Blick ins, vermeintliche, draußen möglich. Eine Garten-Illusion bietet sich beim Schloss Vaux-le-Vicomte in Frankreich: Von der Terrasse aus wirkt der geometrische Garten groß und einheitlich, die Geländebrüche und Höhenunterschiede sind nicht zu erkennen.
Moderne Künstler wie Victor Vasarely (1906 – 1997) ordnen geometrische Formen in der Ebene so an, dass sie sich optisch vorwölben oder Tunnels bilden. M.C. Escher (1898 – 1972) lässt Wasser bergauf und im Kreis fließen und Treppen im Nichts enden.
„Auch im urbanen Raum tauchen Trompe-l’œils auf“, sagt Anette Ochsenwadel. Sie zeigt, wie der Künstler Banksy zwei auf die Wand gemalte Männer nach der durchgestrichenen Farb-Spraydose auf einem Verbotsschild gegen Graffiti greifen lassen. Eine nahe Augentäuschung ist im Schwetzinger Schlossgarten als „Perspektiv“, im Volksmund „Das Ende der Welt“, installiert: „Man geht durch eine grüne Laube und hat das Gefühl, auf eine Landschaft zuzugehen. Es ist jedoch ein Bild“, sagt Anette Ochsenwadel. (rist)