Wer Angela Merkel am 25. Juni in der Wagener Galerie in Baden-Baden erlebte, bekam eine Ahnung davon, wie sie zu ihrem Spitznamen „Mutti“ kam. Geradezu mütterlich nahm sie sich für alle Zeit, die eins der 450 kostenlosen Tickets zur einstündigen Signierstunde ihrer im letzten Jahr erschienenen Biografie „Freiheit“ ergattert hatten.
Dabei hieß es im Vorfeld: Keine Fotos, keine persönlichen Widmungen – doch jeder mit Ticket bekam ein Bild mit der Bundeskanzlerin a.D., dazu ein paar persönliche Worte. Eine Seniorin wurde mit Gehhilfe zurückgerufen, um noch posieren zu können, ein Mädchen für das perfekte Familienporträt kurzerhand auf die Tischkante gesetzt. Angela Merkel arrangierte, hatte alles im Griff und strahlte eine Gelassenheit aus, die nur eine Frau haben kann, die nach 16 Jahren Kanzlerschaft endlich Ruhe vom aufreibenden Politikalltag hat.
Ihre Präsenz jedoch ist geblieben. Als sie im ersten Stock des Kaufhauses neben der Buchhandlung den Raum betrat, gab es spontan von einigen Wartenden Applaus. Da saß sie also, für alle sichtbar, denn auch die Kaufhaus-Besucher kamen nah an sie ran. Polizei und BKA sicherten die Umgebung ab, der Sicherheitsdienst schob die Schaulustigen immer mal wieder einen Meter nach hinten.
Zunächst wurden diese nicht-personalisierten Karten nach erfolgreicher Autogrammjagd behalten und danach teilweise einfach weitergegeben; bis sich dieses Unterfangen auch zu den Organisatoren durchgesprochen hatte. Wer Angela Merkel live erleben wollte, hatte auch einen Tag zuvor in Karlsruhe die Gelegenheit dazu. Nach einer Signierstunde in einer Durlacher Buchhandlung las sie am Abend im Tollhaus aus ihrem Buch vor – ohne Moderation und fast ohne Presse, die kurzerhand wieder ausgeladen wurde, „weil das Management dagegen ist“; so der Veranstalter.
Umso mehr freute sich das bunt gemischte Publikum, das aus vielen Frauen und allen Generationen, auch aus verschiedenen Herkunftsländern, bestand, wenn es vom Rand aus ein Selfie mit Angela Merkel bekam, die das Ganze wohl nur mitmacht, weil es der Verlag fordert oder im Buchvertrag steht – denn nötig hätte sie es nicht mehr. Ihre Biografie ist auch ohne dieses Zutun ein Bestseller geworden.
► Merkel vermisst Blumen und Küche im Kanzleramt
► Merkel übt Kritik an der israelischen Regierung