Die Gründerjahre der jüdischen Gemeinde in Wankheim vor 250 Jahren waren sicher nicht immer einfach. Über die Anfänge der Gemeinde, die sich auch auf dem jüdischen Friedhof widerspiegeln, informiert am Sonntag, 2. Juni, um 15 Uhr schwerpunktmäßig Harald Schwaderer vom Förderverein für jüdische Kultur. Der Friedhof ist wieder zwischen 14 und 16 geöffnet.
Vier jüdische Familien hatten die Erlaubnis der Ortsherrschaft St. André, sich 1774 in Wankheim anzusiedeln. Angereist sind schließlich lediglich zwei. Untergekommen sind die Neuankömmlinge zunächst zur Untermiete in christlichen Haushalten. Kein leichtes Unterfangen, teilten sich die christlichen und jüdischen Bewohner doch beispielsweise eine Küche. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren für die jüdischen Familien in Wankheim schwierig. Landhandel bildete die Grundlage. Sozial und religiös gehörten die jüdischen Wankheimerinnen und Wankheimer daher vorrangig dem Landjudentum an.
„Wer hat Heimat hier?“ ist der Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Sannwald am Donnerstag, 6. Juni, um 19 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Wankheim überschrieben. Untertitel: Viktor Marx und sein Gedenkstein von 1946 an die Tübinger Opfer der Shoah.
Zur Erinnerung an deportierte Tübinger Jüdinnen und Juden stiftete Viktor Marx aus Tübingen 1946 einen Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Wankheim. Er befindet sich auf der rechten Seite nach dem Eingangstor. Victor Marz ließ darauf vor seiner bevorstehenden Auswanderung in die USA auf eigene Kosten einmeißeln: „Dies sind die Opfer der Gemeinde Tübingen welche von den Nazi gemordet wurden”.
Marx hatte selbst mehrere KZs überlebt, seine Frau Marga und seine Tochter Ruth gehören zu den Opfern der Massenerschießungen bei Riga 1942. Ihre Namen sind die ersten der 14 auf dem Stein genannten, die vor allem in Gaskammern, bei Massenerschießungen oder in Ghettos ermordet worden sind. Auch seine Mutter Blanda ist dort verzeichnet. Sie wurde in Ausschwitz-Birkenau ermordet.
Der jüdische Friedhof in Wankheim war nach Schändungen 1938 oder 1939 „weitgehend zerstört“. Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als französisches Militär Südwürttemberg und Hohenzollern verwaltete, setzten Stadt und Landkreis Tübingen den Friedhof wieder instand. Zu diesem Zeitraum befand sich der Friedhof nach dessen erzwungenem Verkauf im Jahr 1943 noch im Besitz der bürgerlichen Gemeinde Wankheim. Erst 1949 restituierte die Gemeinde Wankheim das Friedhofsgelände durch Vergleich vom 18. April an die Israelitische Kultusvereinigung in Württemberg.
1947, 1950, 1984, 1986 und 1990 kam es erneut zu Schändungen: Steine wurden umgestürzt, zerschlagen, beschmiert, Gräber ausgehoben.
In Kooperation laden dasKreisarchiv Tübingen mit den Jugendguides, der Förderverein für jüdische Kultur in Tübingen und die Evangelische Bildung Reutlingen am Sonntag, 9. Juni, um 15 und 16 Uhr zu zwei Rundgängen auf und beim Jüdischen Friedhof Wankheim ein. Die beiden Veranstaltungen können selbstverständlich auch getrennt besucht werden.
Zunächst zu Kreisarchiv und Jugendguides: diese führen zum Gedenkbuch vor dem jüdischen Friedhof um 16 Uhr. Das Gedenkbuch aus Metall, das der Landkreis Tübingen und die Gemeinde Kusterdingen aufgestellt haben, steht dort seit zwei Monaten
Jugendguides und Kreisarchiv Tübingen stellen in der öffentlichen Führung die Verbindung zwischen einzelnen der 56 im Gedenkbuch genannten Shoah-Opfer zu deren Vorfahren auf dem Jüdischen Friedhof her. Zusätzlich zu den Biografien präsentieren die Jugendguides ausgewählte archivische Quellen.
Wer die Jugendguides persönlicher kennenlernen möchte, kann mit ihnen ab 14.15 Uhr von der Bushaltestelle „Vor dem Großholz“ (Linie 35) zum jüdischen Friedhof bergauf wandern.
Bereits um 15 Uhr können sich Interessierte für eine Stunde im Kontext des jüdischen Schawuot-Festes auf historische und theologische Spurensuche über den jüdischen Friedhof in Wankheim begeben. Schawuot wird sieben Wochen nach Pessach gefeiert – daher der Name Wochenfest. Diese sieben Wochen zwischen Pessach und Schawuot entsprechen der Zeitspanne, während der sich die Israelit/-innen laut talmudischer Überlieferung nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste aufhielten und sich auf den Empfang der Gebote am Berg Sinai vorbereiteten. Zusammen mit Pessach und Sukkot gehört Schawuot in der jüdischen Religion zu den drei Wallfahrtsfesten.
Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Männliche Teilnehmer sollten für das Betreten des Friedhofs eine Kopfbedeckung mitbringen.
Treffpunkt für beide Veranstaltungen ist der jüdische Friedhof in Wankheim.
Nähere Infos zum Gedenkbuch: www.tueerinnern.de.