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Auf den Spuren von Julius Marx in Freudental

Am vergangenen Sonntag bot Beth Shalom eine besondere Ausfahrt an: In Freudental konnte an einem „Theaterspaziergang“ teilgenommen werden: Michael...
Foto: K. Buschmann

Am vergangenen Sonntag bot Beth Shalom eine besondere Ausfahrt an: In Freudental konnte an einem „Theaterspaziergang“ teilgenommen werden: Michael Volz, Leiter des Pädagogisch-Kulturellen Centrums ehemalige Synagoge Freudental (PKC) verkörperte stilecht mit Anzug, Hut, Zigarre und Oldtimer den 1888 in Freudental geborenen Julius Marx, der 1970 als Letzter auf dem jüdischen Friedhof des Ortes beerdigt wurde. 1966 kam er aus Zürich nach Freudental, um sich vor Ort seinen Grabplatz auszusuchen. Das Publikum traf Julius Marx Zigarre rauchend an seinem Auto direkt vor dem Friedhofstor. Von hier aus folgte man Marx und seinem Mercedes auf der Reise zurück in seine Vergangenheit bis vor die ehemalige Synagoge in Freudental. Die Stationen in der Freudentaler Wiesenlandschaft zeichneten das Bild eines erfolgreichen Unternehmers, Schriftstellers, Soldaten und Lebensmanns: Für seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg wurde Marx mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet. Seine Kriegserfahrungen verarbeitet er in seinem „Kriegstagebuch eines Juden“, das 1939 in der Schweiz erschien. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Julius Marx in Stuttgart die Firma „Autoteile Marx“, mit der er schon bald ein ernstzunehmender Konkurrent von Robert Bosch war. Im Zuge der „Arisierungskampagnen“ der Nationalsozialisten musste er seine Firma 1935 weit unter Wert verkaufen und floh nach Zürich. Aus der Schweiz unterstützte er deutsche emigrierte Schriftsteller mit der Gründung eines eigenen Verlages. In Zürich gründete er die Firma „Julius Marx AG“, mit der er wieder erfolgreich Autoteile verkaufte. Zu seinem Geburtsort Freudental hielt er nach 1945 wieder Kontakt und widmete seiner Heimat ein Gedicht: „Oh Du, mein kleines Dorf“: Ich hört‘ in mancher Stadt
der Glocken Festgeläute, doch nirgends in der weiten Welt hört ich so jubelnd ihre Töne klingen, konnt mich ihr Zauber auf die Kniee zwingen, wie einst zur Abendruh ihr trauter Klang daheim in meinem Dorf. (…) Doch wehe mir, – kein Gruß, kein freudiges Erkennen – einst Freunde, trennt uns nun das Blut… In wildem Hass, mit drohender Gebärde vertriebt Ihr mich aus meiner Heimaterde. Ich floh den Bach entlang beim Glockenklang – O Du, mein kleines Dorf!“ Die Worte „O Du, mein kleines Dorf“ finden sich auch auf seinem Grabstein wieder. Volz alias Marx gelang es wunderbar, das Publikum durch Reflexionen über den Begriff „Heimat“ oder durch die Übertragung von kleinen Nebenrollen beim Theaterspaziergang einzubinden. Ein Genuss, den wir bei neuen Auflagen 2025 gerne weiterempfehlen.

Sonntag, 6. Oktober, 14 Uhr: Auf jüdischen Spuren durch Hochberg
Am Sonntag, den 6.10. wird dieses Jahr zum letzten Mal ein öffentlicher Rundgang durch Hochberg auf jüdischen Spuren angeboten. Um 14 Uhr ist Treffpunkt an der Schlosskirche in Hochberg. Neben dem jüdischen Friedhof wird auch die ehemalige Synagoge in der Hochberger Hauptstraße mit der Ausstellung der Genisa-Funde besucht. Ein Gang durch das Ortszentrum mit ehemaligen jüdischen Wohnhäusern gehört auch zum Programm. Anmeldung ist nicht erforderlich.

Kai Buschmann
Beth Shalom – Haus des Friedens. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck, www.bethshalom-remseck.de, info@bethshalom-remseck.de

Erscheinung
Remseck Woche – Amtsblatt der Stadt Remseck am Neckar
NUSSBAUM+
Ausgabe 40/2024
von Beth Shalom - Haus des Friedens. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e. V.
02.10.2024
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