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Auf jüdischen Spuren in Leutershausen

Wo heute enge Gassen den Ortskern prägen, war einst eine lebendige jüdische Gemeinde zu Hause. Um 1860 lebten rund 165 Jüdinnen und Juden in Leutershausen,...
Hans Behrendt, Pfarrer i. R., trägt mit der Geschichte der Mikwe auf seinem Grundstück zum Ortsrundgang bei.
Hans Behrendt, Pfarrer i. R., trägt mit der Geschichte der Mikwe auf seinem Grundstück zum Ortsrundgang bei.Foto: Penk

Wo heute enge Gassen den Ortskern prägen, war einst eine lebendige jüdische Gemeinde zu Hause. Um 1860 lebten rund 165 Jüdinnen und Juden in Leutershausen, die als Händler, Handwerker und Vereinsmitglieder das öffentliche Leben aktiv mitgestalteten. Ihre Spuren sind bis heute sichtbar – wenn man weiß, wo man hinschauen muss.

Zu einem Spaziergang auf den Spuren jüdischen Lebens hatte die Volkshochschule Badische Bergstraße eingeladen. Nach der Begrüßung durch Renate Rothe von der VHS-Geschäftsstelle in Hirschberg wurden die dreißig Teilnehmenden von Martina Schulz-Hamann und Michael Penk vom Vorstand unseres Arbeitskreises durch den Ort geführt.

Im Unterschied zu vielen anderen Gemeinden lebten die jüdischen Familien in Leutershausen nicht abgeschieden in einer sogenannten „Judengasse“, sondern mitten im Ortskern – Tür an Tür mit ihren nichtjüdischen Nachbarn. „Das Zusammenleben funktionierte hier über viele Jahrzehnte“, erklärte Schulz-Hamann.

Anhand eines Dutzends noch erhaltener Gebäude berichteten Schulz-Hamann und Penk über das Leben der damaligen Bewohnerinnen und Bewohner. Neben den ehemaligen Wohnhäusern in der Hauptstraße, der Vordergasse, der Mittelgasse und der Martin-Stöhr-Straße standen auch das erste Bethaus und die Synagoge auf dem Programm. Hans Behrendt, Pfarrer im Ruhestand, erzählte der Gruppe die Geschichte der Mikwe (das rituelle Bad), die auf seinem Grundstück steht.

In der ehemaligen Schule in der Mittelgasse 15 lebten gleich zwei herausragende Persönlichkeiten der Gemeinde. Kantor Meier Heller war aktives Vereinsmitglied, gefragter Festredner und Mitbegründer des bis heute bestehenden Odenwaldklubs Leutershausen. Nach ihm ist auch der Platz neben der Synagoge benannt. Ebenfalls in dem Haus wohnte Kurt Hermann Weil – „wohl der international bekannteste Leutershausener“, wie Penk betonte. Der Ingenieur diente als Flieger im Ersten Weltkrieg, konstruierte später Flugzeuge für Junkers, war an der Organisation der Berliner Luftbrücke 1948 beteiligt und lehrte schließlich als Professor für Maschinenbau in den USA.

An einigen Stationen wurden das Leid und die Verfolgung jüdischer Familien während der NS-Zeit greifbar. So konnten einige Familien in die USA oder nach Palästina emigrieren, mussten alles aufgeben, was ihr Leben bislang ausgemacht hatte. Andere hatten versucht, Zuflucht in den Großstädten zu finden, in dem Trugschluss, dort untertauchen zu können – meist vergeblich. 1940 wurden Juden aus Baden und der Pfalz nach Gurs deportiert. Von dort führte der Weg meist in die Vernichtungslager und in den Tod.

Der Rundgang endete in der ehemaligen Synagoge, die 1938 von der jüdischen Gemeinde verkauft werden musste. Noch immer besuchen Nachkommen jüdischer Familien Hirschberg, um die Orte ihrer Vorfahren kennenzulernen. So bleibt die Geschichte jener Gemeinschaft lebendig, die einst ein selbstverständlicher Teil des Dorflebens war – und deren Erbe bis heute Mahnung und Auftrag zugleich ist. Unser Arbeitskreis trägt mit Recherche, Dokumentation und Bildungsarbeit dazu bei, diese Erinnerung wachzuhalten. Er bietet auch an, diesen Ortsrundgang für andere Gruppen durchzuführen.

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Gemeinde Hirschberg an der Bergstraße
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Ausgabe 43/2025
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