Freitag, 27. Juni, die Festhalle in Blankenloch: Es war 17:43 Uhr, als der Vorhang aufging und den Blick auf die Bühne freigab: Ein großer Tisch stand da mit Blumengestecken, eine Wand dahinter, weiß, mit in der Mitte einer angedeuteten Tür. Zwei Wappen links der Tür, zwei rechts, eine Linie. Über die Tür war Tüll drapiert, rot-gelb, wie ein Hochzeitsbogen (Bühnenbild: Dietmar Israel). Ein offenbar besonderer Moment stand bevor.
Dann kam eine Frau in diesen festlichen Raum, mit Mappen im Arm. Sie legte je eine zu einem der insgesamt vier Namensschilder auf dem Tisch. Schon schien alles vorbereitet zu sein. Die rund 400 Festgäste im vollbesetzten Saal ahnten, dass es in dieser Inszenierung um die feierliche Unterzeichnung des Stutensee-Vertrags am 20. Mai 1974 gehen konnte.
Drei Herren in Anzug und Krawatte, die sich nun ins Bild stellten, holten zu weiten Gesten aus. Rein pantomimisch unterstrichen sie die Wichtigkeit des bevorstehenden Akts. Wie später erklärt wurde, waren es Dr. Dr. Zerr vom Regierungspräsidium Karlsruhe, der damalige Landrat Dr. Ditteney und der damalige Landtagsabgeordnete Herr Kühnle. Marius Biebsch, Andreas Leupolz und Manfred Beimel spielten diese Rollen.
Dann betrat ein Duo die Bühne, der eine Stadtteilausschussvorsitzender für Blankenloch einschl. Büchig, Sven Schiebel, der andere Ortsvorsteher für Friedrichstal, Lutz Schönthal. Schiebel mimte den Bürgermeister von Blankenloch, Friedrich Haisch, Schönthal den von Friedrichstal, Hubert Hornung. Es folgten Spitzfindigkeiten zu Sinn und Auswirkungen des geplanten Zusammenschlusses, rasch hatten die beiden das Publikum auf ihrer Seite.
Auch das zweite Duo, das dann vom Saal aus die Bühne betrat, löste mit seinen Dialogen viel Heiterkeit und Lachen aus: Jürgen Feth, Ortsvorsteher für Spöck und Autor des Stücks, gab konsequenterweise den Bürgermeister Richard Hecht. Adalbert Scherer, Ortsvorsteher in Staffort, war in die Rolle von Bürgermeister Arnold Hauck geschlüpft. Die Szenen fiktiv, doch – da war man sich einig – konnten sich so oder ähnlich zugetragen haben. Die (Laien-)Darsteller ernteten mit ihrem erfrischenden „Opener“ des Abends herzlichen Applaus.
Was folgte, war ein für viele überraschend kurzweiliger Abend mit musikalischen Akzenten, Grußworten der Partnerstädte, hintergründigen historischen Beiträgen und einem Video mit Gänsehautmoment: Mit packender Musik unterlegt und dynamisch geschnitten war es das Making-of einer Aktion zum Schulbegegnungstag am 15. Oktober und ein wohl einmaliges Geschenk der nachfolgenden Generation an die Stadtgemeinschaft Stutensee.
Dafür stellten sich gut 1.500 Schülerinnen und Schüler der sieben Schulen der Stadt so auf, dass der Schriftzug Stutensee entstand, eingefangen von einer Kameradrohne über dem Sportplatz des Bildungszentrums, nur hundert Meter Luftlinie von der Festhalle entfernt. Das Video bot die spektakuläre Ansicht der nicht einmal mehr als Stecknadelköpfe erkennbaren Schülerinnen und Schüler aus der Luft und zeigte den Ablauf ihrer Aufstellung am Boden.
Für die Orchestrierung sorgten 250 Lehrkräfte, sechs Schulleiterinnen, ein Schulleiter sowie Inge Steimer, geschäftsführende Schulleiterin und Leiterin der Erich-Kästner-Realschule, die sich am Schulbegegnungstag auf das Engagement der Schülerschaft über alle Alters- und Klassenstufen offensichtlich absolut verlassen konnte. Auch den Anblick von Stutensee als Landkarte mit Stadtteilen aus luftiger Höhe ermöglichten sie mit ihrer Disziplin und Geduld.
Mit Stücken aus der Zeit, als Stutensee gegründet wurde, trug der eigens zum Jubiläum aus Gesangsvereinen gegründete Projektchor musikalisch zum Abend bei. Für die Stutensee-Hymne von Fritz Kern, „Thank you for the Musik“ von Björn Ulvaeus und Benny Andersson von ABBA, bedankte sich Oberbürgermeisterin Petra Becker, Moderatorin des Abends, per Video-Liveübertragung von der Empore. Sie dankte den gut 70 Sänger/-innen und ihrem Chorleiter Aldo Martínez. Für von den Gästen ebenso mit viel Applaus bedachten Beiträge sorgten Meng Jin (Klavier) und Rüdiger Liebich (Posaune) mit CANTINA BAND von John Williams, T-Bone Blues von Arthur Frackenpohl bzw. Frédéric Chopins Nocturne Nr. 20.
Der Musikverein „Harmonie“ Blankenloch e.V., der parallel zum Stadtjubiläum sein 100-jähriges Bestehen feiert, intonierte unter der Leitung von Thomas Ernst den Marsch „Grüße an Stutensee“ und zum Abschluss das von den Gästen freudvoll mitgesungene Badnerlied.
Yves Monin, Bürgermeister von Stutensees französischer Partnergemeinde Saint-Riquier, überbrachte seine Glückwünsche per Videobotschaft. Die partnerschaftlichen Beziehungen zu Saint-Riquier bestehen seit 1982. Zoltán Balogh aus Tolna/Ungarn ging in seinem Grußwort auf wirtschaftliche Verbindungen zwischen Deutschland und seinem Land ein.
Balogh war im Rahmen der Partnerschaft wiederholt hier, das Jubiläumswochenende bot ihm Gelegenheit zu seinem Antrittsbesuch als Bürgermeister – eine Funktion, die er seit Oktober für Tolna ausübt. Mit Blick auf die Corona-Pandemie, den Ukrainekrieg und die Energiekrise ließ er auch ernstere Töne anklingen. Übersetzt von Maria Heilmann, verwies er stolz auf die Städtepartnerschaft, die Tolna und Stutensee Ende 1990 besiegelten und die beide Städte somit seit mehr als 34 Jahren pflegen.
Landrat Dr. Christoph Schnaudigel war der Festredner des Abends. Er rekonstruierte die 70er, als Stutensee gegründet wurde, als Zeit, in der man sich nicht mit Samthandschuhen angefasst habe: „Aber die Debatte war im demokratischen Rahmen, mit Stil.“ Schnaudigel sagte, er frage sich, wenn er an manche Debatten in Sozialen Medien denke, „ob wir heute noch die Kraft hätten, eine solche Verwaltungsreform durchzuführen.“
Schnell, so sagte er in Anspielung auf das heitere Theaterstück zu Beginn des Abends, habe man in Stutensee „die neuen Chancen, die mit der neuen Größe verbunden“ waren, erkannt: „Da ging es dann aufwärts und voran“. Augenzwinkernd nahm er für sich in Anspruch, in seiner Amtszeit mit zwei Dritteln der Oberbürgermeister von Stutensee zusammengearbeitet zu haben, nachdem sich seit Gründung erst drei Personen um die Geschicke gekümmert hatten.
Oberbürgermeisterin Becker überbrachte Grüße von Klaus Demal, „unserem Ehrenbürger, der über 27 Jahre hinweg als Bürgermeister und Oberbürgermeister die Entwicklung Stutensees maßgeblich gestaltet und geprägt hat“. Sie sagte: „Ohne ihn gäbe es das Stutensee, das wir heute kennen und lieben, in dieser Form nicht.“ Dafür gelte ihm ein herzlicher Dank. Für die Unterstützung des Festes, die man nicht hoch genug schätzen könne und die nicht selbstverständlich sei“, dankte sie allen Sponsoren und ganz besonders den Hauptsponsoren.
Mit Anleihen bei Asterix und Obelix („gallisches Dorf“) ging Autor Hanspeter Gaal auf seine Skizze „Auf dem Weg nach Stutensee“ ein: Das von der Stadt Stutensee herausgegebene Buch, das im Verlag Regionalkultur erscheint, beleuchtet den Prozess, der vor 50 Jahren zur Gründung der Stadt in der jetzigen Form führte - Gaal: „nur eben ohne Miraculix und ohne Zaubertrank“.
Pyrotechnik begleitete immerhin gegen 20 Uhr den „Einzug“ der Geburtstagstorte. Den Saal hatte der Techniker am Pult auf der Empore noch während des Badnerlieds abgedunkelt. So glitt der Servierwagen, von vielen zunächst unbemerkt, wie von Zauberhand bewegt und mit Feuerwerk über den Mittelgang hinein bis nach vorn. Eine Cremetorte mit Obst: 50 Jahre Stutensee als Schriftzug und obenauf die Figur einer Stute. Die Stute diente dem Abend auch als Emblem: golden, mit fünf Sternen darin, auf die linke Seite der Bühne projiziert.