„Die Grötzinger Malerkolonie hatte das Ziel, lebensreformerisch auf dem Land zu leben“, sagt Sabine Becker. „Die Künstlerinnen und Künstler standen am Beginn der Freiluft-Malerei mit einem neoromantischen Bezug zur Natur.“
Sabine Becker hat zusammen mit Ksenija Chochkova Giese die Ausstellung „Heilende Kunst – Wege zu einem besseren Leben“ im Museum LA8 in Baden-Baden kuratiert. Die Lebensreformbewegung umfasste seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene soziale Reformbewegungen, die mit Kritik an Industrialisierung, Materialismus und Urbanisierung verbunden waren.
„Das Thema der Ausstellung hat einen Bezug zu Baden-Baden“, erklärt Dieter Kistner, der Geschäftsführer der GRENKE-Stiftung, die das Museum LA8 in der Lichtentaler Allee 8 im Kulturzentrums LA8 seit 2009 betreibt, bei der Eröffnung. „Außerdem hat das, was wir hier zeigen, auch einen Bezug zum heutigen Alltag und der gesellschaftlichen Diskussion.“
Den Bogen spannen die Kuratorinnen weit. Sie präsentieren die Heilungswirkung in Bereichen wie Kunsttherapie, Spiritualität, Lebensreformbewegung, Freikörperkultur, Vegetarismus... Allen gemeinsam sei, dass sie zu einer Protestbewegung gehörten, so Sabine Becker. „Die moderne Gesellschaft hatte sich von der Natur wegentwickelt“, sagt sie, „Die Städte wurden immer lauter und die Menschen entwickelten ein Bedürfnis nach naturnahmen Leben.“ In der Ausstellung gebe es nun historische Heilansätze zu sehen.
Ein gesundheitsbewusstes, selbstbestimmtes Leben sei auch ein sehr aktuelles Thema, so Sabine Becker weiter. „Es gibt zwei Hauptgründe, warum Heilen wieder populär ist“, erklärt sie. „Zum einen hatten wir eine globale Corona-Pandemie, zum anderen haben wir eine globale Klimakrise.“ Es sei also notwendig, auf Luxus, Fleisch und das Auto zu verzichten, damit es den Menschen und der Erde besser gehe.
Gerade auf Fleisch hätten auch die Vegetarier verzichtet. „Du sollst nicht töten“, ermahnen in der Ausstellung Werke von Karl Wilhelm Diefenbach (1851 – 1913). Zu sehen ist seine Arbeit, die einen übermächtigen, dunklen Gott zeigt, der einen Steinbock vor dem Menschen schützt. Eine Zeichnung von einem nackten Mädchen, das einen Hirsch hält, stammt von Fidus (Hugo Höppener) (1868 – 1948). Im Bereich der Kunsttherapie zeigen die Kuratorinnen Werke von psychisch kranken Menschen, darunter auch Herrmann Hesse (1877 – 1962) und Frida Kahlo (1856 - 1939). Kunstwerke würden, so der Begleittext, einen Zugang zum eigenen Unterbewusstsein liefern und dabei helfen, durch Alltags-und Lebenserfahrung in künstlerischer Arbeit widerstandsfähiger zu werden.
Zu sehen sind aus der Zeit der Grötzinger Malerkolonie Arbeiten von Jenny Fikentscher, Otto Fikentscher, Gustav Kampmann, Margarethe Hormuth-Kallmorgen und Friedrich Kallmorgen. „Diese Künstler hatten die Sehnsucht nach der Natur, die auch die Lebensreformer hatten“, so Sabine Becker. „Das haben sie auch in ihrer Malerei dargestellt. Sie haben einen Wohlfühlort für die Seele gesucht.“ So habe etwa Margarethe Hormuth-Kallmorgen (1857 - 1916) auf die reine Wirkung der Natur geschwört. Die Grötzinger ermuntert Sabine Becker zu einem Besuch: „Sie können hier ihre Vergangenheit und sich selbst entdecken“, sagt sie.
• Zurück zur Natur“! Die Lebensreform
• Vegetarismus
• Freikörperkultur
• Zusammen leben in der Natur: Grötzinger Malerkolonie
• Sinnsuche auf dem Berg: Das Sanatorium Monte Verità
• Schöner wohnen
• Freier leben: Ausdruckstanz und Eurythmie
• Heilen mit Spiritualität
• Reise ins Ich: Heilkraft der Kunst"
► Die Ausstellung geht bis 12. Januar 2025
Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr, geöffnet an Feiertagen
Öffentliche Führungen: sonntags 15 Uhr