Hinter der Schönbornhalle erinnert derweil nur noch ein ziemlich großer Müllberg daran, dass Tausende Athleten und Zuschauer im Kurort waren. Hunderte von Absperrgittern, die auf schweren Betonklötzen standen und vom Bauhof transportiert wurden, sind weggeräumt, und unzählige Halteverbotsschilder verschwanden auch nach und nach. Der Ironman 70.3 Kraichgau ist zweifelsohne das größte Sportereignis der Region, das für ausgebuchte Herbergen sorgt und mit finanziell gut ausgestattetem Klientel wohl Millionen in die Region spült.
Wer im Ort unterwegs war, konnte viele freundliche Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen.
Es sind nicht nur die Profis, sondern Athletinnen wie Inge Stettner aus Potsdam, die mit ihren 77 Jahren wieder mit dem Zug anreiste und wie so viele für das Motto „Nichts ist unmöglich“ steht. Und doch scheint es immer weniger Berührungspunkte mit dem Megaevent und der Bevölkerung zu geben. Mittlerweile überwiegt doch bei vielen der Frust über die vielen Einschränkungen so direkt nach dem Jahrmarkt. Das beginnt damit, dass die Autos der Anwohner frühzeitig irgendwo geparkt werden müssen, und am Wettkampftag ist sogar der Lidl-Kreisel abenteuerlich zugeparkt. Spiele der Sportvereine wie vom TuS müssen vorverlegt werden. Wer selbst ein Konzert am Samstag hatte, wie die FeG, hatte keine Parkmöglichkeiten für Besucher. Wer direkt an der Rad- oder Laufstrecke wohnt, hat, sobald die Masse der Athleten auf der Strecke ist, fast keine Möglichkeiten mehr, die Straße zu überqueren.
Früher waren große Vereine wie die SG mit der Pasta-Party eingebunden, und die Bratwurst kaufte man bei der KJG. Heute fahren auswärtige Foodtrucks mit Burger und Falafel vor. Die Vorstellung der Topathleten zog einst viele Zuschauer an, und wenn Joey Kelly vorbeischaute, war der Saal voll. Am Wettkampftag selbst gab es überall Stimmungsnester, kleine Partys, und die Athleten wurden lautstark angefeuert. Irgendwie war das ganze Dorf auf den Beinen. Natürlich war das Wetter in diesem Jahr durchwachsen, aber auf dem Marktplatz oder im Kurpark blieb es fast schon gespenstig still. Die Zuschauer konzentrierten sich fast nur noch auf der Pestalozzistraße. Klaus Tilly, der als Mitglied der Feuerwehr beim Waldfest schon wieder am Grill stand, gehört zu den Motorradfahrern, die auf der Radstrecke unterwegs sind, um Kampfrichter und Medienleute zu transportieren. „Das macht mir Spaß“, sagt er. Rund ein Drittel der Aufwandsentschädigung fließt direkt in den Sprit, den er braucht, um die 90 km Radstrecke zweimal abzufahren. In diesem Jahr ist er in Östringen gestürzt und glücklicherweise wurde niemand verletzt. „Nach der langen Trockenheit machte der Regen die Straße unglaublich rutschig“, sagt er und auch viele stürzten auf dem Bike genau an dieser Stelle. Er hofft, dass er den Schaden am Motorrad von der Versicherung ersetzt bekommt, aber es ist jetzt natürlich erst einmal viel Ärger.
Ohne die vielen Helfer, die Rucksäcke packen, tausende von Beuteln transportieren, die Wechselzone betreuen, die Athleten auch medizinisch versorgen, ist ein Ironman nicht möglich. Natürlich lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen, und aus dem einstigen Kraichgau Triathlon Festival ist eine Veranstaltung eines profitorientierten amerikanischen Großkonzerns geworden. Aber vielleicht kann die Bevölkerung doch wieder etwas mehr ins Boot geholt werden. Ein Kids- bzw. NightRun als Volkslauf im Vorfeld ist da wahrscheinlich nicht genug. Auch voraussichtlich mindestens die nächsten drei Jahre soll das Event im Land der 1000 Hügel bleiben. Hoffentlich wieder bei bestem Kraichgauwetter.
(Claudia Maciejewski)