In einer Zeit, in der viele Innenstädte mit einem Rückgang der Besucherzahlen und einem verstärkten Wettbewerb durch Online-Handel zu kämpfen haben, hat Bad Wildbad eine proaktive Strategie entwickelt, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Bürgermeister Marco Gauger stellte in der vergangenen Gemeinderatssitzung klar, dass das aktuelle Innenstadtprojekt nicht nur kurzfristige Ziele verfolgt, sondern eine nachhaltige Entwicklung der Stadt anstrebt. „Wir müssen langfristig denken und konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Attraktivität unserer Innenstadt zu steigern“, betonte Gauger.
Die verkaufsoffenen Sonntage, an denen die Stadt von zahlreichen Besuchern belebt wird, sollen als Ausgangspunkt dienen, um die Bedürfnisse der Gäste besser zu verstehen und gezielt anzusprechen. Gauger erklärte, dass es das Ziel sei, Bad Wildbad nicht nur als Kurort, sondern auch als lebendigen Treffpunkt zu positionieren, der vielfältige Freizeitmöglichkeiten und ein einladendes Ambiente für Einheimische und Touristen gleichermaßen bietet. Um dies zu erreichen, sei eine enge Zusammenarbeit aller Akteure erforderlich, die die Stärken der Stadt herausstellen und neue Ideen umsetzen können.
Im Rahmen des Dialogprojekts „Handel 2030“, das vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg ins Leben gerufen wurde, erhält Bad Wildbad gezielte Unterstützung durch Innenstadtberaterin Julia Sengotta. Dieses umfassende Programm, das aktuell zehn Regionen in Baden-Württemberg umfasst, zielt darauf ab, die Städte in ihrer Entwicklung zu stärken und lebendige Innenstädte zu fördern. Mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2024 bietet das Projekt wichtige Impulse zur Verbesserung der Lebensqualität in den Innenstädten und zur Stärkung des lokalen Handels.
Die Teilnahme an diesem Projekt ermöglicht es Bad Wildbad, strukturiert und systematisch an den Herausforderungen zu arbeiten, die durch den demografischen Wandel, die digitale Transformation und das veränderte Kaufverhalten der Konsumenten entstanden sind. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Förderung des innerstädtischen Handels und die Schaffung einer ansprechenden Atmosphäre, die sowohl Einheimische als auch Besucher anzieht.
Im Mai 2023 entschloss sich die Stadtverwaltung in enger Zusammenarbeit mit dem innerstädtischen Einzelhandel, am Förderprojekt „Innenstadtberater“ teilzunehmen. Dieses Angebot umfasst eine kostenfreie Beratung und Prozessbegleitung durch die IHK Nordschwarzwald. Ziel ist es, durch gezielte Maßnahmen neue Impulse für die Innenstadt zu setzen und die Attraktivität zu steigern.
Zu Beginn des Prozesses führte die IHK-Innenstadtberaterin Julia Sengotta eine detaillierte Analyse der Wildbader Innenstadt durch, die durch eine umfassende Besucherbefragung ergänzt wurde. Dabei wurden sowohl die Stärken als auch die Schwächen der Innenstadt identifiziert. Zu den Stärken zählen unter anderem die Sommerbergbahn, die hervorragende Aufenthaltsqualität im Kurpark und ein vielfältiges Angebot an inhabergeführtem Einzelhandel. Auch die Anbindung an die Städte Pforzheim und Karlsruhe sowie die vorhandene Gastronomie wurden als positive Merkmale hervorgehoben.
Auf der anderen Seite wurden jedoch auch signifikante Schwächen festgestellt, darunter das Fehlen von Orientierungspunkten in zentralen Bereichen, eine unzureichende Sichtbarkeit der Fußgängerzone und zahlreiche Leerstände in der Innenstadt. Zudem wurde das Gemeinschaftsgefühl als verbesserungswürdig identifiziert.
Die Ergebnisse dieser umfassenden Analyse flossen in einen größeren Lenkungskreis ein, der sich aus Vertretern der Verwaltung, des Einzelhandels, der Gastronomie sowie weiteren lokalen Akteuren zusammensetzt. In insgesamt neun Treffen, die von September 2023 bis Juli 2024 stattfanden, wurden konkrete Ideen zur Stärkung des innerstädtischen Handels entwickelt. Vorgeschlagen wurden zahlreiche Maßnahmen, darunter ein neues Beschilderungssystem, ein Bodenleitsystem zur besseren Orientierung für Fußgänger, die Kennzeichnung von Fotomotiv-Standorten, um die Attraktivität der Stadt visuell zu unterstreichen, sowie die Installation digitaler Bildschirme zur Vermarktung Bad Wildbads.
Die Themen, die im Lenkungskreis diskutiert wurden, fanden ihren Weg in eine lebhafte Diskussion im Gemeinderat. Ursula Jahn-Zöhrens (SPD) wies auf die Bedeutung von Wasser und Brücken in der Stadt hin, die eine zentrale Rolle in der Identität Bad Wildbads spielen. Sie sprach sich für eine Unterstützung bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen aus und fragte sich, wie die Stadt die verschiedenen Akteure motivieren könne, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Julia Sengotta stellte klar, dass der Lenkungskreis bereits neun Mal zusammengekommen sei und es einen langen Atem benötige, um die unterschiedlichen Interessen und Perspektiven der Akteure zusammenzubringen. „Wir müssen kontinuierlich arbeiten und den Dialog aufrechterhalten“, betonte Sengotta. Zudem verwies sie darauf, dass junge Akteure in die Projekte einbezogen werden könnten, beispielsweise bei der Gestaltung der bunten Pflastersteine, um eine Verbindung zwischen der Stadt und der jüngeren Generation herzustellen.
Jürgen Schrumpf (SPD) äußerte Bedenken hinsichtlich der vielen leer stehenden Geschäfte in der Innenstadt und der Tatsache, dass einige Standorte nicht attraktiv für Einheimische oder Gäste seien. „Es ist wichtig, die Innenstadt sichtbar zu machen, aber wie können wir die Geschäfte beleben? Wenn wir fünf oder sechs Taschenläden haben, wird das nicht funktionieren. Wir müssen zuerst die Frequenz schaffen, damit die Geschäfte folgen können“, argumentierte Schrumpf.
Jochen Borg (CDU) stellte fest, dass der Leerstand in der Wilhelmstraße dank gezieltem Stadtmarketing und der Arbeit von Marina Lahmann bereits zurückgegangen sei. Er betonte jedoch, dass es wichtig sei, die Beleuchtung in der Stadt zu verbessern, um eine einladende Atmosphäre zu schaffen. „Eine gute Beleuchtung kann viel zur Aufenthaltsqualität beitragen“, sagte Borg. Er bedauerte auch, dass Calmbach nicht in die Untersuchung einbezogen wurde und appellierte an alle Beteiligten, sich aktiv an der Umsetzung der Vorschläge zu beteiligen. Rita Locher (FWV) fand die Ergebnisse der Passantenbefragung interessant und bemerkte, dass die Wildbader ihre Stadt als schön und attraktiv empfinden, gleichzeitig aber unzufrieden mit der derzeitigen Situation sind. „Wir haben viele Ideen, und die Begleitung durch Julia Sengotta ist wertvoll, aber es ist entscheidend, dass wir die Motivation aufrechterhalten“, betonte Locher. Zudem fragte sie, inwieweit die jüngere Generation in die Planung einbezogen werden könne, um sicherzustellen, dass deren Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt werden. Julia Sengotta antwortete, dass es von großer Bedeutung sei, auch die Jüngeren in den Prozess einzubeziehen. Sie könne sich Projekte wie eine Foto-AG in Schulen vorstellen, die aktiv zur Gestaltung und Vermarktung der Stadt beitragen könnten. Bürgermeister Gauger warnte, dass man sich nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen dürfe: „Wir haben eine gute Ausgangslage, aber es ist wichtig, jetzt weiterzuarbeiten, um die Stadt zu einem noch attraktiveren Ort zu machen.“ Jürgen Schrumpf (SPD) schlug vor, die Sprecher des Einzelhandels in eine zukünftige Sitzung einzuladen, damit sie ihre Perspektiven und Herausforderungen darlegen können.
Nach dem Ende des Förderprojekts am 31. Dezember 2024 wird die Innenstadtberaterin Julia Sengotta weiterhin bereitstehen, um Fragen zu klären, wird aber den Prozess aktiv nicht mehr fortsetzen. Die Motivation zur Verbesserung der Innenstadt ist vorhanden. Jetzt sind alle Akteure eingeladen, an der gemeinsamen Vision für Bad Wildbad zu arbeiten und die nächsten Schritte auf den Weg zu bringen. (mm)