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Allein gelassen mit den Kosten

Benefiz: Baiertalerin kämpft mit seltenem Stoffwechselleiden

Benefizveranstaltung für Susanne Engel am Freitag, 25. Juli, in Baiertal: Unterstützung für einen unsichtbaren Leidensweg.
Familie Engel arbeitet gemeinsam an einem Ziel: Dass Susanne Engel wieder gesund wird. Dazu soll die Benefizveranstaltung am 25.7.2025 in Baiertal helfen.
Familie Engel arbeitet gemeinsam an einem Ziel: Dass Susanne Engel wieder gesund wird. Dazu soll die Benefizveranstaltung am 25.7.2025 in Baiertal helfen.Foto: dj

Die Baiertalerin Susanne Engel lebt mit der Diagnose Hämopyrrollaktamurie (HPU), einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung, die bisher in Deutschland nicht offiziell anerkannt ist. Um die teure, aber notwendige Behandlung weiterführen zu können, planen sie und ihr Umfeld eine Benefizveranstaltung am Freitag, 25. Juli. Das Fest soll nicht nur finanzielle Entlastung bringen, sondern auch ein Zeichen der Solidarität setzen.

Eine lange Suche nach Antworten

Bereits in ihrer Kindheit war Susanne Engel medizinisch auffällig. Sie reagierte auf viele Medikamente ungewöhnlich stark, entwickelte Nebenwirkungen, die bei anderen kaum auftraten, und musste bereits im Alter von 14 Jahren die Gallenblase entfernen lassen – ein Eingriff, der in diesem Alter sehr selten ist. Weitere Eingriffe folgten: Operationen an der Leber, Bandscheibenvorfälle etc. Immer wieder litt sie unter chronischen Infekten, starker Erschöpfung und langer Regenerationszeit nach Krankheiten oder Eingriffen. Trotz der Vielzahl an Symptomen fand sich über Jahre hinweg keine eindeutige medizinische Erklärung.

Als nicht medizinisch relevant anerkannt

Die Diagnose Hämopyrrollaktamurie – kurz HPU – kam erst spät. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, bei der Mikronährstoffe wie Zink, Vitamin B6 und Mangan in überdurchschnittlich hohem Maße über den Urin ausgeschieden werden. Die Folge sind schwere Defizite in verschiedenen Körperfunktionen: Das Immunsystem wird geschwächt, Entgiftungsprozesse laufen unzureichend ab, hormonelle Regelkreise geraten aus dem Gleichgewicht. Die Symptome reichen von chronischer Erschöpfung über Schmerzen bis zu psychischen Belastungen. Die Diagnose wurde schließlich durch einen Test in einem niederländischen Speziallabor, KEAC Parkstad, bestätigt. Für Engel bedeutete dies einerseits eine Erleichterung, andererseits eröffnete sich ein neues Problemfeld: Die Krankheit ist in Deutschland nicht als medizinisch relevant anerkannt.

Zwischen Diagnose und Realität

Durch die fehlende Anerkennung von HPU im deutschen Gesundheitssystem wird weder die Diagnostik noch die Therapie durch Krankenkassen übernommen. Es existieren keine offiziellen Behandlungsleitlinien, keine standardisierten Verfahren und auch kein ICD-Code, mit dem die Erkrankung medizinisch kodiert werden könnte. Somit bleibt die gesamte Behandlung Privatsache. Engel und ihr Ehemann Dave haben in den vergangenen Jahren rund 25.000 Euro aus eigenen Mitteln aufgebracht – für Nahrungsergänzungsmittel, Diagnosen in privaten Laboren und individuelle Behandlungsansätze. Die Kosten dafür: bis zu 1.200 Euro pro Monat – ebenfalls ohne Kassenzuschuss.

Über 20 Diagnosen

Doch HPU ist nur ein Teil eines komplexen Krankheitsbildes. Inzwischen sind über 20 Diagnosen dokumentiert: chronische Infektionen wie Borreliose, Epstein-Barr- und Coxsackie-Viren, ein Cortisolmangel aufgrund einer genetischen Nebennierenmutation, Titanunverträglichkeit, MTHFR-Genmutation, Post-Covid und mehrere Nahrungsmittelintoleranzen.

Kostspielige Beschwerden

Diese Vielzahl an Beschwerden erfordert nicht nur eine spezialisierte Betreuung, sondern verursacht auch kontinuierlich neue Kosten. Ein Beispiel: Aufgrund ihrer Titanunverträglichkeit musste eine Knieplatte entfernt und Zahnersatz durch teure Keramik ersetzt werden. Ihre Ernährung basiert mittlerweile auf einer kontrollierten Diät – glutenfrei, laktosefrei, histaminarm und möglichst zuckerfrei und möglichst als Bio-Ware oder von einem Metzger ihres Vertrauens. Die Lebensmittel dafür sind kostspielig, doch sie sind notwendig, um den Gesundheitszustand zu stabilisieren.

Der Alltag als Kraftakt

Der Alltag der heute 37-Jährigen ist durch ihre Erkrankungen stark eingeschränkt. Die Energie reicht nur für begrenzte Aktivitäten. Spaziergänge sind auf wenige Minuten beschränkt, selbst Lesen fällt schwer. Viele Alltagsverrichtungen wie Kochen oder Einkaufen übernimmt ihre Mutter, die selbst schwerbehindert ist und in der Einliegerwohnung der Familie lebt. Auch ihr Ehemann unterstützt, wo er kann – trotz seiner vollen beruflichen Tätigkeit als Erzieher. In den vergangenen Jahren musste Engel viele ihrer früheren Hobbys aufgeben. Leidenschaftlich nahm sie an Mittelaltermärkten teil und gestaltete einst mit Schwertkampf, Bogenschießen und Wandern ihre Wochenenden. Heute ist sie auf Unterstützung im Alltag angewiesen. Trotz allem bleibt sie bemüht, kleine Fortschritte zu erzielen. Hoffnung gibt ihr eine spezialisierte Klinik bei Darmstadt, die sie ganzheitlich behandelt.

Unterstützung durch Familie und Ehrenamtliche

Aus dieser Lage heraus entstand die Idee für eine Benefizveranstaltung. Was mit einem Onlineaufruf begann, entwickelte sich zu einer Spendenaktion über die Aktion Sonnenherz aus Bayern und nun zu einem lokalen Unterstützungsnetzwerk. Die Veranstaltung am Freitag, 25. Juli, in Baiertal wird von Freunden, Nachbarn und kleinen Unternehmen organisiert. Mit dabei sind unter anderem bereits das Deutsche Rote Kreuz, ein Eismobil, ein Waffelstand sowie ein Schätzspiel – mit einem WC samt Montage als Hauptgewinn. Auch eine Straßensperrung wurde beantragt, um das Fest sicher und zugänglich zu gestalten. Für Engel ist die Veranstaltung mehr als eine finanzielle Hilfe. Sie empfindet es als ein Zeichen der Anerkennung und Menschlichkeit, dass so viele – auch völlig Fremde – bereit sind, Zeit, Geld und Energie für ihre Unterstützung aufzubringen. „Das zeigt mir, dass ich nicht allein bin“, sagt sie.

Der Kampf um Anerkennung

Parallel zur Organisation des Festes laufen juristische Auseinandersetzungen. Ihre Erwerbsminderungsrente wurde trotz eines Gutachtens, das ihre vollständige Arbeitsunfähigkeit bestätigte, abgelehnt. Als Begründung genügte der Hinweis, dass sie mit einer geeigneten Therapie eventuell wieder arbeitsfähig sein könnte. Die zuständigen Stellen erkennen die Notwendigkeit offenbar nicht an – ein Umstand, den Engel nicht nur für sich selbst, sondern als Symptom eines strukturellen Problems betrachtet. „Es geht nicht nur um mich“, erklärt sie. „Es geht um all jene, deren Krankheitsbilder nicht in ein klassisches Raster passen.“ (dj)

Wer Susanne Engel unterstützen möchte, kann dies hierüber tun:

Aktion Sonnenherz

IBAN: DE07 7016 9614 0001 8090 83

bei der Freisinger Bank eG

Verwendungszweck: Susanne

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Ausgabe 22/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
30.05.2025

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