Vera-Sabine Winkler schreibt, seitdem sie Kind ist. Sie sagt über sich, sie sei keine Prosaschreiberin. Sie sei Poetin. Genauer: Theopoetin. Sie schreibe, erklärte die Autorin, mit Bezügen zur Theologie. „Ich kann gar nicht anders“, lächelte sie dann in die Runde der Besucherinnen, die in die Bücherei gekommen waren, um ihren Worten zu lauschen. Es war der Dienstagnachmittag. Und es war der Auftakt der öffentlichen Lesungen der Literaturtage in der Stadt.
Ein Jahr hatten Sabine Rupach von der Katholischen Öffentlichen Bücherei und Christa Hohenadel vom Stadtseniorenrat die Veranstaltungsreihe vorbereitet. „Jetzt geht es los“, begrüßten die beiden entsprechend freudig die Besucherinnen. Noch mehr Freude herrschte darüber, dass die Frauen zahlreich gekommen und so fast alle aufgestellten Stühle besetzt waren. In der Tat waren es nur Frauen. Vielleicht lag das an der Autorin, vielleicht auch an ihrem Buch – ein Roman in Prosaform. Der dreht sich auch um eine Frau. Eine Pfarrerin, wie Winkler selbst. Die hatte sich Gedanken gemacht zum Thema des Abends. Dabei drängte sich eine Frage für sie auf: „Wie schaffen wir Frieden? Zwischen den Völkern, in uns, in zwischenmenschlichen Beziehungen.“ Vielleicht, so mutmaßte sie, hänge das ja auch zusammen.
Und so begann sie ihre Lesung mit zwei Friedensgedichten, die die Besucherinnen zumeist still annahmen. Erst dann leitete Winkler zum Buch über. Das war ihrer Prosa nicht unähnlich. Und damit war „Ein wenig Weiß und viel Schwarz“ für Lesende allein mit Blick auf seinen Seitensatz keine leichte Kost. Das galt auch für das Zuhören. Wo Autoren sonst ausschmücken, sich Zeit nehmen, um mitzunehmen in Bilder und Beschreibungen, sie zusammenzusetzen zu einem Ganzen, da blieb Winkler sparsam, scheute das Zuviel, das die Prosa in sich hätte zusammenfallen lassen. Auch der Satzbau blieb in ihren ausgewählten Passagen immer wieder der Prosa treu; eine Herausforderung für den Kopf der Zuhörerinnen. Die Sätze muteten als Stakkato an, als Fragmente, die sich aneinanderreihten, sich dabei aber nahtlos ineinanderfügten. Winkler, der man die Übung im Vortragen deutlich anmerkte, scheute auch das Senken der Stimme, die sonst eine Interpunktion, das Ende des Satzes andeuteten. Nicht so bei ihr. Und so reihten sich die Zeilen auf wie Perlen zu einem langen Kreis.
In diesem Stil folgten die Zuhörerinnen der namenlosen Protagonistin durch ihr Leben, durch die Begegnungen mit einer alten Frau mit Hut und einem Kellner, der sich als Musiker herausstellte. Man war dabei, wenn sie auf Menschen traf, die Verzweiflung und Geheimnisse in sich trugen. „Sie wird nie wieder die Gleiche sein, die sie war“, machte Winkler schon früh klar, dass es bei all dem um die Entwicklung ihrer Protagonistin ging. Um die Auswirkungen, die Menschen und Begegnungen und Erfahrungen auf sie und ihr Leben, ihr Dasein hatten. Auf ihren Wandel. „Es soll zeigen, dass es sich lohnt, dass wir Frauen zu uns selbst aufbrechen“, so ihre Intention. Für diesen Aufbruch stand ihre Protagonistin. Die war laut der Autorin reine Fiktion. „Der Roman ist nicht autobiographisch“, betonte Vera-Sabine Winkler zu Beginn der Lesung. Und ein bisschen war er es doch. „Alle Autoren verarbeiten eigene Erfahrungen“, schob sie dann nach. Welche das bei ihr sind, darüber schwieg sie sich aus.
Wer die Lesung verpasst hat: Den Roman „Ein wenig Weiß und viel Schwarz“ und den Band „Furchtlos über die Meere ziehn“, eine Sammlung von Gedichten, Gebeten und Liedern, gibt es fortan in der Bücherei als Leihausgaben. Ein Geschenk der Autorin, die zum Auftakt der öffentlichen Lesungen der Literaturtage in Hemsbach eine ganz neue Form des Romans präsentierte. „Darüber muss man nachdenken und die Worte hallen nach“, fasste Sabine Rupach diesen einprägsamen, aber den Leser auch fordernden Stil Winklers in ihren Worten zusammen. (cs)