Die Organisatoren der Initiative Stolpersteine Dossenheim waren sehr erfreut über das große Interesse an dieser Lesung! Anlass war die Erinnerung an die Deportation jüdischer Einwohner aus Baden und der Pfalz am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen.
Pfarrer Ronny Baier begrüßte die Gäste und betonte die anhaltende und immer dringliche Erinnerungsarbeit, auch vor Ort. Er erinnerte an den engen Bezug der Oppenheimers zu Dossenheim, die hier ihren wirtschaftlichen Standort hatten in der Futtermittelhandlung am Platz der heutigen Volksbank und dem an der B3 gegenüberliegenden Wohnhaus. Ronny Baier konnte auch darauf hinweisen, dass am Vortag der Dossenheimer Gemeinderat einstimmig beschlossen hatte, den Bereich vor und neben der Volksbank am 27. Januar 2025 offiziell zum Oppenheimer-Platz umzubenennen. Eine Mitteilung, die im Saal großen Beifall auslöste.
Grundlage der Lesung war Anton Ottmanns Buch „OPPENHEIMER. Briefe einer jüdischen Familie. Gegen das Vergessen“, erschienen im Lindemanns Verlag 2024.
In der voll besetzten Museumsscheuer lasen Anton und Ursula Ottmann, Gerd Weisskirchen und Friedrich E. Becht. Musikalische Akzente setzte Martin Ritz am Flügel.
Vorgetragen wurden Passagen aus den 200 Briefen, welche die Oppenheimer-Eltern nach der Deportation mit ihrem Sohn Hans austauschten, dazu erklärende Passagen und Auszüge aus autobiografischen Berichten der Eltern und Söhne. Die Lesung wurde ergänzt und illustriert durch reichhaltiges Bild- und Fotomaterial (Bilderschau: Friedrich E. Becht). Grundlage aller Beiträge aber waren die jahrelangen sorgfältigen Recherchen des Autors und Journalisten Anton Ottmann, der sich u. a. auf das umfangreiche Privatarchiv der Familie Oppenheimer stützen konnte.
Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 waren die Oppenheimers von einem Tag auf den anderen zu Menschen minderen Werts geworden. In der rassistischen Ideologie der Nazis zählten nicht mehr die Verdienste Leopolds im Ersten Weltkrieg, seine unternehmerische Tätigkeit, so wenig wie die breite Bildung Rosittas und ihr Engagement in der Erziehungsarbeit oder die guten Leistungen der beiden Söhne in der Schule und im Sport. Weil sie Juden waren, verlor die Familie Vermögen, Anerkennung und gesellschaftlichen Status, schließlich auch die Freiheit und – im Fall des Vaters und des Sohnes Hans – das Leben. Leopold Oppenheimer wurde in Lublin-Majdanek ermordet, sein Sohn verstarb nach einem brutalen Todesmarsch von Auschwitz nach Buchenwald wenige Tage vor der Befreiung dieses Lagers. Ottmann verknüpft die vier Lebensläufe zu einem fesselnden Gesamtbild einer deutsch-jüdischen Familie mit regionalem Bezug. Von Heidelberg bis nach London, von den französischen Internierungslagern Gurs und Noé, von der Verfolgung bis zum Exil, taucht Ottmann tief in die Geschichte der Familie ein.
Zum Abschluss der Lesung skizzierte Ottmann Stationen seiner Recherche: Generallandesarchiv in Karlsruhe, Stadtarchiv Wiesloch, die jüdische Firma Ebner & Kramer, ehemals eine der größten Pfeifentabakfabriken Deutschlands, die von Max Oppenheimer verfassten Bücher und Artikel und die vertrauensvollen Gespräche mit Gaby Oppenheimer, der Enkelin von Leopold und Rositta Oppenheimer. Insgesamt gelang Ottmann und seiner Crew ein berührendes und eindringliches Gesamtbild jüdischer Verfolgung.
Für die Initiative bedankte sich Norbert Giovannini nach der Lesung und einigen erhellenden Bemerkungen von Anton Ottmann im Namen der Dossenheimer Stolpersteininitiative. Ein Dank, der auch spürbar für das gesamte Publikum gelten konnte. Er betonte, wie groß der „Schatz“ dieser Oppenheimer Hinterlassenschaft ist, der uns und allen nachfolgenden Generationen ein realistisches und emotional ergreifendes Bild der Menschen und ihrer Verfolgungsschicksale ermöglicht. Insbesondere in Zeiten, in denen bedenkenlose Verharmlosungen oder Ignoranz gegenüber der Vergangenheit an der Tagesordnung sind, geben Ottmanns Recherchen eine verlässliche Basis für eindringliche und wirksame Bildungsarbeit ab.
Text: Norbert Giovannini und Rainer Loos
Fotos: Rainer Loos