Gemeinsam mit dem Gemeinderat, dem Architekten und dem Zimmermann haben wir uns die Renovierungsbaustelle des „Alten Rathauses“, also das Fachwerkgebäude, genauer angesehen.
Im ehemaligen Sitzungssaal geht es derzeit luftig zu: Sowohl nach oben durch das nicht mehr vorhandene Dach als auch nach unten durch den entfernten Boden öffnet sich der Blick in die Weite. Nachdem wir uns Stockwerk um Stockwerk nach oben gearbeitet hatten, war jedem klar: Hier wurde bereits viel gemacht, aber es stehen auch noch umfangreiche Arbeiten an, bis ein Teil der Gemeindeverwaltung wieder hier einziehen kann.
Doch, der Reihe nach:
Im ersten Obergeschoss wurden viele Bestandteile des Fachwerks ausgetauscht. Von innen und außen sind sie gut an der noch hellen Farbe des frischen Holzes zu erkennen. So mussten beispielsweise drei der vier Eckpfosten des Hauses aus Eiche ausgetauscht werden. Sie waren schlichtweg in die Jahre gekommen und hatten das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Ähnlich erging es anderen Balken. Jede einzelne Schwelle und jede Verstrebung wurden auf Herz und Nieren geprüft. Was nicht mehr gut war, wurde ausgetauscht. Teilweise wurde die volle Länge ausgetauscht, teilweise lediglich ein Teil, beispielsweise die äußeren zwei Meter (die „Balkenköpfe“) eines langen Balkens, der im mittleren Bereich noch gut ist. Dies ist eine Handwerkskunst mit passgenauer Präzision.
Die Fächer zwischen dem Fachwerk waren ausgemauert, jedoch nicht stabil genug damit verbunden. Einige drohten herauszufallen und wiesen zum Teil größere Schlitze auf, durch die Kälte, Hitze und Insekten ungehindert passieren konnten. Die betroffenen Felder wurden nun mit neuen Steinen ausgemauert und fachgerecht gesichert:
Jeder Fachwerkrahmen wird von einer Leiste umlaufen, die außen mit einem Seil versehen ist. Jeder Stein am Rand einer Reihe erhält folglich eine Kerbe, die für eine gute mechanische Verzahnung sorgt. Sollte dennoch bei Schlagregen etwas Feuchtigkeit eindringen, quillt das Seil auf und dichtet zusätzlich ab. Anschließend trocknet alles wieder aus, ohne dass Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze in das Gebäude eindringen konnten.
Es sind viele solcher kleinen Kniffe notwendig, die jedoch auch Zeit kosten und nur von geschultem Personal fachgerecht ausgeführt werden können. An dieser Stelle herzlichen Dank an die engagierten Handwerker und die kompetente Betreuung des Projekts.
Der Übergang zwischen dem Fachwerkgebäude und dem Neubau wird durch ein gläsernes Modul gestaltet, an das sich auch das zweite Treppenhaus anschließt. So werden Alt und Neu verbunden und die Verwaltung hat nach der Fertigstellung wieder kurze Wege und alle Mitarbeitenden befinden sich in einem großen Gebäude. Immer wieder erhalte ich skeptische Nachfragen, ob das Rathaus dann nicht zu groß sei. Ja, die vielen Räume werden benötigt: Das Anmieten von privaten Wohnungen, die zu temporären Büroräumen umfunktioniert wurden, gehört dann der Vergangenheit an. Ebenso können der Besprechungs- und der Sozialraum dann für ihren eigentlichen (und vorgeschriebenen!) Zweck genutzt werden. Die vorhandenen Büros werden nicht mehr überbelegt, sodass eine angemessene Umgebung für konzentriertes Arbeiten geschaffen wird und sensible Gespräche ohne zusätzlichen Aufwand in einem geschützten Rahmen stattfinden können.
Überrascht waren wir vom derart schlechten Zustand desDachstuhlss. Ursprünglich sollten die Dämmung und die Innenverkleidung im Dach über dem alten Sitzungssaal erhalten bleiben. Nach dem Öffnen des Daches von außen wurde jedoch klar, dass hier genauer hingeschaut werden muss: Teile der Sparren sind morsch und nicht mehr tragfähig. Manche wurden bereits in der Vergangenheit notdürftig geschient und der für die Statik bei dieser Bauweise notwendige Überstand stark verkürzt, sodass er seiner eigentlichen Aufgabe nicht mehr gerecht werden konnte.
Folglich muss auch hier ausgebessert werden, wodurch zusätzliche, ungeplante Arbeiten und Kosten anfallen. Ein Cabrio-Rathaus hätte jetzt im Sommer durchaus seinen Reiz: Trauungen unter freiem Himmel, Gedanken und Ideen, die sich über die Decke hinaus frei entfalten können … Galgenhumor beiseite: Wir sind bei der Renovierung wieder an einem Punkt, an dem wir keine andere Wahl haben. Es wäre unverantwortlich und würde zu weitaus größeren Folgeschäden führen, wenn der Dachstuhl nicht ausgebessert und teilweise ersetzt werden würde.
So kommt es, dass wir schließlich mit etwa einem Jahr Verspätung ins Fachwerkgebäude einziehen werden. Ein Gebäude, das in seinen 500 Jahren einiges an Überraschungen für uns vorbereitet hat, die erst beim Rückbau/Abriss zutage traten. Ein Gebäude, das bei den letzten größeren Renovierungen vielleicht nicht immer optimal behandelt wurde – wenn auch unwissentlich. Vorwürfe wären jedoch ebenfalls unangemessen: Es ist davon auszugehen, dass bei jeder Renovierung nach dem jeweils aktuellen Kenntnisstand mit bestem Wissen und Gewissen gearbeitet wurde. Vieles war auch gut umgesetzt! Alte Häuser sind jedoch besonders – und so sind es nun alte Handwerkstechniken, die uns bei dieser umfassenden Renovierung des Ofterdinger Rathaus-Fachwerkgebäudes weiterhelfen. Wenn wir Recht behalten, legen wir damit eine sehr gute Ausgangslage für die nächsten 500 Jahre.
Ihr Simon Wagner, Bürgermeister