Redaktion NUSSBAUM
68723 Schwetzingen
Rassismus im Alltag

Bestseller-Autorin Florence Brokowski-Shekete im Gespräch

Regional und überregional engagiert und bekannt, setzt Florence Brokowski-Shekete sich aktiv gegen Rassismus im Alltag und in den Schulen ein.
Florence Brokowski-Shekete widmet sich Sorgfalt und Humor dem Thema Rassismus im Alltag.
Florence Brokowski-Shekete widmet sich Sorgfalt und Humor dem Thema Rassismus im Alltag.Foto: Tanja Valérien

Florence Brokowski-Shekete ist ein echter Tausendsassa. Die engagierte Frau mit nigerianischen Wurzeln arbeitete jahrelang als Rektorin in Schwetzingen und seit 2013 in einem staatlichen Schulamt. Sie widmet sich seit Jahren dem Thema Rassismus und Ausgrenzung im Alltag, mal auf humorvolle, mal auf sehr ernste Art und Weise.

Neben zwei Spiegel-Bestseller-Büchern und einem kürzlich erschienenen dritten Buch veröffentlicht sie auch Podcasts und berät Kinder, Jugendliche und Erwachsene zum Thema Rassismus. Sie selbst wuchs als Kind nigerianischer Eltern bei ihrer Adoptivmutter bei Hamburg auf. Sie erhielt so tiefe Einblicke den gesellschaftlichen Umgang mit Diskriminierung.

Schwetzinger Woche: Frau Brokowski-Shekete, wenn ich Sie jetzt unvermittelt fragen würde, wo Sie herkommen. Was würden Sie mir dann antworten?
Brokowski-Shekete: Aus Mannheim. Weil ich jetzt grade eben aus Mannheim gekommen bin- das würde ich spontan antworten, ohne den Kontext Ihrer Frage zu kennen. Wenn ich aber zwei Sekunden länger darüber nachdenke, dann weiß ich natürlich, was Sie wissen möchten. Und dann würde ich Ihnen professionell antworten, dass meine Eltern aus Nigeria kommen. Wenn ich meine humoristische Seite zeige, dann würde ich sagen, dass ich aus Heidelberg komme, weil ich dort wohne und vorher aus Buxtehude, weil ich da schonmal gewohnt habe. Es kommt immer auf den Kontext an.

SW: Das heißt, das Gegenüber hat ein Bild, das Sie in Ihrer Lebenswelt gar nicht haben?
Brokowski-Shekete: Ich habe das schon in meiner Lebenswelt, weil ich ja tagtäglich damit zu tun habe und das Thema auch zu meinem Beruf gemacht habe. Von daher weiß ich, was die meisten Menschen wissen wollen.

SW: Ist die Frage an sich problematisch?
Brokowski-Shekete: Die Frage an sich ist nicht problematisch, sondern das Nicht-Akzeptieren der Antwort. Wenn ich Ihnen antworte, dass ich aus Buxtehude komme und Sie das anzweifeln.

SW: Wie viel Rassismus steckt im Alltag von Menschen mit internationalen Wurzeln?

Brokowski-Shekete: Zum Rassismus rechnen kann man all das, was den Menschen auf das Äußere begrenzt. Angefangen mit der Frage eben und dem Infragestellen der Antwort, bis hin zum Lob für die eigene Sprache. Als ich einmal in beruflichem Kontext eine Rede gehalten habe, wurde ich dann für die tolle Rede gelobt. Ich dachte, derjenige fände den Inhalt meiner Rede toll. Aber er sagte dann: „Und das in einem so guten Deutsch.“ Er hat zwanzig Minuten gehört, dass ich fließend und akzentfrei Deutsch spreche. Das dann zu loben, ist schlichtweg unpassend. Es hat sich auch schon beim Einkaufen gezeigt, dass ich beobachtet wurde, aus Angst, ich könnte etwas mitgehen lassen. Oder wenn Schülern mit internationaler Biografie in der Schule suggeriert wird: das könnt ihr ja nicht können, denn zu Hause bekommt ihr keine Unterstützung.

SW: Stirbt diese Haltung aus?
Brokowski-Shekete: Nein. Aussterben würde bedeuten, dass man das morgen oder übermorgen nicht mehr hat. Ich persönlich sage, dass es sich verändert. Wenn ich mit jungen Menschen spreche, kommt diese Frage nie. Da verändert sich in den Generationen schon etwas. Und die Babyboomer sagen mir oftmals, dass sie zu Hause am Tisch viele Diskussionen haben, weil die Kinder darauf hinweisen, was nicht korrekt ist, was nicht mehr gesagt werden soll.

SW:Es laufen schon seit einiger Zeit emotionale Debatten, wie man den Schaumkuss nennt oder über den Sarotti Mohr. Sind das Banalitäten oder hat das Gewicht?
Brokowski-Shekete: Dass der Schaumkuss nicht mehr so genannt werden sollte, wie er wie er oftmals genannt wird, das sollte jeder schon mitgekriegt haben. Dieser Begriff ist rassistisch konnotiert. Wer darüber noch diskutiert, hat es entweder nicht begriffen oder will es nicht begreifen. Beim Sarotti Mohr oder beim Diener von Uncle Ben’s stellt sich die Frage, warum wir Menschen so darstellen wollen. Mit einer Physiognomie, von der man glaubt, dass sie typisch ist für Menschen, die aus einem bestimmten Land oder von einem Kontinent kommen. Das ist stereotypisch und ist nicht notwendig.

SW: Haben Sie den Eindruck, dass der Rassismus zunimmt? Man spricht von Salonfähigkeit und von Ausdrücken, die einfach in die Normalität übergehen, gerade in der politischen Debatte im Moment.
Brokowski-Shekete: Wenn ich mit jungen Leuten spreche - ich hatte auch einen Lehrauftrag an der pädagogischen Hochschule – war das eine wahre Freude. Da musste ich viele Dinge nicht erklären. Diese Salonfähigkeit allerdings ist zu beobachten. Was ich auch beobachte, ist, dass gewisse Menschen rassistische Gedanken lange unterdrückt haben und sich jetzt frei fühlen das alles so zu sagen. Es gibt Menschen, die es einfach cool finden, dass es wieder salonfähig ist. Es gibt Menschen, die leise waren und jetzt meinen, alles laut sagen zu dürfen.

SW: Woran liegt das?
Brokowski-Shekete: Menschen in hohen gesellschaftlichen Positionen äußern sich so. Und dann glaubt man eben, wenn die das können, dann könne man selbst das auch.

SW: Wenn Sie den Wahlkampf und die Sprache der AfD beobachten, wie schätzen sie das ein, als jemand der einerseits Expertin für Kommunikation ist und zudem internationale Wurzeln hat?
Brokowski-Shekete: Auch beim Thema Rassismus schafft Sprache unsere Wirklichkeit. Das ist ein abgedroschener Satz, aber es stimmt. Man kann schnell einordnen, was das Gesagte bewirken soll. Ob es Menschen ausgrenzen oder auch beeinflussen soll, so zu denken. Mich schockiert die ein oder andere Äußerung schon. Aber ich versuche, die Sache nicht so zu inhalieren oder gezielt nach solchen Inhalten in Social Media zu suchen. Das ist was, was mir nicht guttut.

SW: Sie sind auch Expertin in Sachen Schule, haben in Schwetzingen eine Schule geleitet. Findet Rassismus im Schulalltag statt?
Brokowski-Shekete: Ja. Je älter kleine Menschen werden, umso mehr sie beeinflusst von ihrer Umwelt. Und dann kann es passieren, dass die Schüler darüber nachdenken, wie sie jemanden ab besten ärgern könnten. Das kann schnell diskriminierend werden. Und Diskriminierung betrifft viele Aspekte: Zum Beispiel, wenn jemand etwas dicker ist. Und leider berichten auch Schüler und Eltern, dass es auch Diskriminierung vonseiten der Lehrer gibt. Das können wir nicht leugnen. Lehrkräfte sind Menschen. Nur weil sie mal Lehramt studiert haben, sind sie keine besseren Menschen als alle anderen auch. Wir haben die Gaußsche Normalverteilung auch im Lehrerzimmer. Aber das Thema wird auch in der Schule natürlich bearbeitet.

SW: Haben Sie eine positive Wirkung gespürt, als Sie als Frau mit internationalen Wurzeln eine Schule geleitet haben?
Brokowski-Shekete: Ja, und das war wirklich eine großartige Zeit. Das war eine weiterführende Schule, die ich geführt habe, das sind in Baden-Württemberg Wahlschulen, wo die Eltern sich aussuchen können, an welche Schule das Kind gehen soll. Ich habe in Schwetzingen erlebt, dass Eltern ganz bewusst zu mir kamen. Ich glaube schon, dass es für Eltern auch mit internationaler Biografie nett war zu sehen, dass da eine Schulleiterin wie sie selbst ist. Als von der Schule ins Schulamt gegangen bin, sagten zwei Schwarze Freundinnen: „Jetzt haben wir endlich eine Schulleiterin gefunden, die so aussieht wie wir. Und jetzt gehst Du.“

SW: In Ihren Büchern behandeln Sie das Thema Integration und Rassismus sehr humorvoll. Wie viel davon ist Humor und wie viel ist auch bitterer Ernst?
Brokowski-Shekete: Es passiert gleichzeitig. Meine Mama in Deutschland hat weder gesagt, dass alle Weißen Rassisten sind, noch hat sie mich naiv großgezogen. Es ist deshalb gut, wenn man Situationen positiv und mit Humor sieht. Es kommt auch immer darauf an, wen man vor sich hat. Wenn bei der Person eine gute Kommunikationsbasis besteht, dann kann man ein Fettnäpfchen auch mal verzeihen.

SW: Gibt es weitere Dinge, die Sie grade jungen Menschen raten würden, stark groß zu werden, wenn Sie eine internationale Biografie haben?
Brokowski-Shekete: Ich habe meinem Sohn immer gesagt: „Wenn Du in die Schule gehst, müssen die anderen höflich zu dir sein, gar nicht mal freundlich“. Das ist ein Unterschied. „Die anderen müssen respektvoll zu sein, geliebt wirst du zu Hause bei Freunden und Familie.

SW: Gibt es bald ein neues Buch?
Brokowski-Shekete: Nach dem Buch ist vor dem Buch. Ich habe ein eine neue Buchidee im Hinterkopf und freue mich schon darauf, wenn ich anfangen kann.
SW: Was gibt es noch Neues?
Brokowski-Shekete: Der Podcast, der jetzt in der sechsten Staffel ist. Lehrkräfte fragen mich, ob sie ihn im Unterricht benutzen können. Da werde ich ein Projekt starten: InsightPodcast. Ich werde zu jeder Folge in kleinen Videosequenzen Tipps geben, wie man das Material für Unterricht verwenden kann. Da ist auch noch mein „People Talk: Schwarzwälder & Butterkuchen“. Das ist das Hauptprojekt 2025.
Ich spreche mit Menschen, die in ihrem Tun, beruflich oder privat, die Demokratie und das Wohlwollen in der Gesellschaft stärken. Das sind nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern einfach Menschen, bei denen ich erkenne, sie tun etwas, was anderen guttut. Es gibt eine Folge mit der Schauspielerin Gesine Cukrowski, die sich für eine fast vergessene Volksgruppe in Afrika einsetzt. Ich suche im Moment einen Fernsehsender, der einen solchen People Talk zeigen möchte.

SW: Ihre Bücher haben es alle in die Spiegel Bestsellerlisten geschafft …
Brokowski-Shekete: Ich habe irgendwann gedacht, ich fange mal an mit dem Schreiben. Ich fragte mich immer wieder, ob das jemand lesen will, jemanden interessiert. Schreiben, zweifeln und so weiter. Dann war der Prozess, einen Verlag zu suchen.
Ich habe selbst gesucht, woraufhin viere Verlage interessiert waren. Dann rief mich nach einiger Zeit die Verlegerin an und sagte: „Spiegel Bestsellerliste“. Ich habe anfangs nicht daran geglaubt. Und dann sagte die Verlegerin, „Sie dürfen sich jetzt Bestseller-Autorin nennen“. Ich empfinde hier viel Respekt, Demut und Dankbarkeit. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Die Fragen stellte Dominik Ralser.

Erscheinung
exklusiv online

Orte

Schwetzingen

Kategorien

Bildung
Dies und das
Panorama
Politik
Schulen
von Redaktion NUSSBAUMDominik Ralser
23.01.2025
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto