Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mindestens einmal im Jahr ein regionales Weingut zu besuchen. Aus diesem Anlass waren wir kürzlich im Weingut Clauer in Heidelberg. Der Bus startete traditionell beim Rathaus in Rauenberg. Rund 30 Vereinsmitglieder hatten sich für diese Veranstaltung angemeldet.
Am Ortsausgang Leimen angekommen, mussten noch ein paar hundert Meter in Richtung Gaiberg bewältigt werden. Oben wurden wir nicht nur mit einem eindrucksvollen Ausblick belohnt, sondern auch mit ortstypischen Weinen, die allesamt einen kraftvollen und aromatisch sehr klaren Sortenausdruck zeigen. Die Handschrift von Jörg Clauer ist quer durch die Kollektion unverkennbar. Er und seine Familie können und wollen nicht anders, als in und mit der Natur zu leben. Der Betrieb umfasst 14,5 Hektar Rebland, von denen etwa zehn in der Lage Dormenacker verwurzelt sind. Der Rest ist Acker, Wald und Streuobstwiesen. Weißweine sind mit 60 % vertreten, die Rotweine mit 40 %. Insgesamt können im Weingut in Edelstahltanks sowie Barrique-Fässern rund 120.000 Liter gelagert werden. Eine durchschnittliche Ernte beträgt etwa 60.000 Liter. Vieles ist bewahrt geblieben, seit der frühere landwirtschaftliche Betrieb - erstmals erwähnt im Jahr 1739 – Ende der 1950er-Jahre die Hügel hinaufgewandert ist. Damals zogen Hans und Käthchen Clauer mit ihren Tieren von Rohrbach auf den Dormenackerhof.
Die Landschaft konnte seither als Einheit erhalten werden, der spezielle Untergrund aus kalkhaltigem Löss und Muschelkalk bietet beste Voraussetzungen für Riesling, Sauvignon Blanc, Grauburgunder, Weißburgunder oder Chardonnay. Aber auch rote Sorten wie Frühburgunder, Schwarzriesling, Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc gedeihen prächtig. Die Rebzeilen umrahmen das Weingut. Das ermöglicht kurze Wege vom Stock in den Keller. Mit dem Jahrgang 2000 hat Jörg Clauer die ersten Weine im eigenen Keller ausgebaut. Fünf Jahre zuvor hatte er seinen Abschluss als Weinbautechniker an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg absolviert. Kurz danach hat er auf eine vollständige Eigenvermarktung umgestellt.
Neben dem Dormenacker, seit über 500 Jahren urkundlich belegt, bewirtschaftet das Gut noch einige Rebflächen in der kleinen Einzellage „Heidelberger Sonnenseite ob der Bruck“ direkt gegenüber dem Heidelberger Schloss. Vielleicht der landschaftlich schönste Weinberg Deutschlands, wenn man Goethe glauben will. Der terrassierte Granitverwitterungsboden wird vom nahen Neckar mit einem konstant milden Klima verwöhnt. Ein buchstäblich harter Brocken, dem der Wein schwer abzuringen ist. Doch die Mühe lohnt: die Rieslinge und Spätburgunder sprechen für sich. In früheren Jahren zählte Heidelberg einmal zu den großen Weinstädten Deutschlands. Heute sind nur noch zwei Weinberge übrig.
Vom Pflanzen der jungen Stöcke bis zur Vermarktung passiert heute alles in Eigenregie. In der Heidelberger Spitzengastronomie sind die Weine allgegenwärtig. Senior Philipp Clauer ist mit 85 Jahren noch immer ins Team eingebunden. Seine Erfahrung ist ein Schatz für das Weingut. Jörg und seine Ehefrau Beate repräsentieren die sechste Generation, und Sohn Felix (15) könnte das Erbe dereinst weiter verwalten. Seit Jahrzehnten setzt der Betrieb auf eine ökologisch wertvolle Dauerbegrünung und maximale Artenvielfalt im Weinberg. Es zählt die physiologische Reife, dem alten Oechsle-Diktat hat der Winzer längt abgeschworen. Ein schonender Kellerausbau mit langem Hefelager bringt Weine mit starkem Rückgrat und stabilem Reifepotential hervor. Rund 96 Prozent der Weine werden trocken ausgebaut. Neben den Guts- und Premiumweinen hat Clauer vor vier Jahren eine eigene Klassifizierung „Alte Reben“ lanciert. Hinter den „Sternstunden“ steckt eine Spitze von Topweinen, die in Holzfässern gereift sind.
Die Führung durch den Betrieb sowie die Weinverkostung hat der senior Philipp Clauer übernommen. Seine 85 Jahre merkt man ihm nicht an. Seine Begeisterung für das Thema Wein schon. Er sprudelt nur so von Weinwissen und kann dabei auf viele Jahrzehnte Weinbau zurückblicken.
Wir haben insgesamt acht Weine verkostet:
2023er Riesling
2024er Chardonnay
2024er Grauburgunder
2024er Souvignier Gris
2023er Weißer Burgunder „Alte Reben“
2023er Rosé
2020er Schwarzriesling „Alte Reben“
2020er Spätburgunder „Alte Reben“
Alle Weine wurden trocken ausgebaut. Dazu wurden Käsewürfel mit Brot und Wasser gereicht. Die Qualitäten konnten mehr als überzeugen, ebenso Philipp Clauer, der alle Fragen souverän gemeistert hat. Zu unserer Überraschung gab es vom Senior immer wieder Einlagen auf dem Klavier. Das hat ihm und uns großen Spaß bereitet und viele haben begeistert mitgesungen. In bester Stimmung haben wir das Weingut verlassen und sind nach Nußloch zum „Felderbock“ gefahren. Beim Abendessen in geselliger Runde ging ein erlebnisreicher Tag seinem Ende entgegen. Der Bus hat die Gruppe wieder sicher in Rauenberg abgeliefert.
Andreas Staar