Wie viele Supermärkte braucht Durlach mitten im Zentrum? Dass dort einer nicht genügt, darüber sind sich Felix Wagner und Sarah Kim Haese vom KFT schnell einig. Und so planen sie flugs einen Zweiten gleich daneben, das KFT-Center in der Orgelfabrikhalle. Ein großes Baustellenplakat weist auf die bevorstehende Maßnahme hin.
Wirklich? Jein. KFT steht für „Kunstfreund*innen Treff“ und die Umwidmung der OrgelFabrikHalle ist ein Kunstprojekt dieses Kollektivs. Das besteht aus ehemaligen oder derzeitigen Studierenden an der Karlsruher Kunstakademie. „Wir wollen miteinander arbeiten, Konzepte ausarbeiten, Kunst machen und ausstellen“, erklärt Felix Wagner. Das sei eine schöne Art, Kunst zu gestalten.
Die wird hier also im KFT-Center sozusagen feilgeboten, denn, so Felix Wagner, Kunst könne auch konsumiert werden. Ansonsten jedoch sei die Ausstellung eine Konsumkritik, die verschiedene Aspekte beleuchtet. Sein eigener Beitrag heißt „Survival“, englisch für Überleben, und besteht aus mehreren vermeintlichen Sitzbänken, schmalen Holzgestellen mit Zwischenarmlehnen. Sie sind mit Stachelleisten nahezu unbesetzbar gemacht. „In den Shopping-Malls gibt es diverse Sitzgelegenheiten, die so unbequem wie möglich sein sollen“, sagt er. „Sie sind so konzipiert, dass die Leute sie schnell wieder verlassen und weiter kaufen.“ Außerdem würden sie Menschen ohne Wohnung einen Ort verwehren, an dem sie sich aufhalten könnten.
Auch Sara Kim Haese eine Sitzgelegenheit gestaltet. Das, was auf den ersten Blick wie ein Sofa aussieht, erweist sich auf den zweiten als ein Brunnen: Mitten auf der Sitzfläche sprudelt ein kleiner Springbrunnen. „Ich wollte von Anfang an einen Brunnen machen“, sagt sie. Ihr Sofa sei nicht zu benutzen, es sei so etwas wie eine „forced pleasure“, so auch der Titel, eine „erzwungene Freude“.
Erzwungener Spaß mache keinen Spaß mehr, erläutert sie, und zieht eine Verbindung zu weiblicher Lust. Der Zwang passe zum Shopping: „Nach dem Shoppen ist man kaputt und spürt den Schmerz und die Gewalt.“ Denn eigentlich herrsche in der Konsumwelt Schmerz, da sie nur ermöglicht würde, weil Menschen gezwungen seien, unter unwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Das gelte etwa für die Näherinnen in Bangladesch, die sich dem nicht entziehen könnten. „Der Kapitalismus ist auf Tränen aufgebaut“, zitiert sie.
Dass alle Waren, manchmal noch ungebraucht, zu Müll werden, zeigen Maria Pfrommer und Luca Cottier. Sie haben „Mitarbeiter gesucht (m/w/d)“ aus fast neuen Dingen aus dem Sperrmüll installiert. In der Mitte dieses Deponiebergs ist ein Mini-Raum, der nur durch einen engen, geknickten Gang erreicht betreten werden kann. Dort finden die Bewerbungsgespräche statt – die Bewerbenden sitzen auf einem niedrigen Stühlchen, die Künstler:innen als Firmenvertretung sehr erhöht.
„Der Mensch muss in der Arbeit funktionieren“, sagt Maria Pfrommer, „er wird zu einer Art Maschine, die jederzeit ersetzt werden kann.“ Den Bezug sehen die beiden in Michel Foucault und der „Dressur des Körpers“. Es gebe, so Luca Cottier, Tendenzen von neoliberaler Seite, die Errungenschaften in der Arbeitswelt wieder abzuschaffen.
Selbst das Intellektuelle verliert im Kapitalismus seine Möglichkeiten - das zeigt Tino Zimmermann. Er hat in der Ausstellung Bücher verteilt, die sich bei näherer Betrachtung als täuschend echte, bunt gestrichene Holzbretter herausstellen. Sie tragen Titel wie „Der Kofferraum als Ort der Lagerung“ oder „De Nuss als Moralkompass“. „Das Problem ist nicht, dass es Konsum gibt“, sagt er, „sondern, dass es ungerecht wird, weil die Superreichen das Spiel mit ihren Mitteln dominieren.“
Und dann ist da noch was: die Superarmen! Wer das KFT-Center betreten will, kommt „Before the Store“, „vor dem Laden“, an drei obdachlosen Menschen vorbei. Die hat Marco Spitz dort in Gestalt von Schaufensterpuppen niedergelassen.
Vorbeigehen und weggucken, wie, vielleicht, gewohnt? Stehenbleiben und das Kunstwerk betrachten? In jedem Fall: Reingehen und das künstlerische Nachdenken über den Konsum wirken lassen! Und hoffen, dass die OrgelFabrikHalle noch lange als Kultur-Ort erhalten bleibt und nicht dem Konsum zum Opfer fällt. (rist)