Erst noch einen Apfel zur Stärkung für jeden, und dann geht’s los. Gleich fünf Gruppen mit jeweils mehr als zwanzig Personen lassen sich über die Anlagen im Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg führen.
Vielleicht kommen sie da ja sogar an dem Baum vorbei, an dem die Frucht, die sie verzehren, gewachsen sein könnte ... Jedes Jahr zur Baumblüte findet der traditionelle Blütenrundgang statt. Zu erfahren gibt es alles Mögliche rund Pflanzenschutz, Baumschnitt, Anpflanzungen und vieles mehr.
Neben den rund 15.000 Obstbäumen wartet in diesem Jahr eine ganz besondere Neuerung auf die Gäste. Sie ist nicht zu übersehen: Wer das Gelände durch den Haupteingang betritt oder befährt, stellt fest, dass der Blick auf das Hauptgebäude aus Buntstandstein verstellt ist. Auf einem Hektar Fläche ist nämlich eine Versuchsanordnung mit einer Agri-Photovoltaik-Anlage installiert. Das ist eine Technologie, durch die landwirtschaftliche Flächen für die Pflanzenproduktion durch Photosynthese als auch für die Gewinnung elektrischer Energie durch Photovoltaik genutzt werden sollen. 18 Reihen mit Apfelbäumen verschiedener Sorten und 4 Reihen mit Birnbäumen wachsen dort unter Photovoltaik-Modulen, die in etwas mehr als vier Metern Höhe angebracht sind.
Greta Ott, Agrarwissenschaftlerin, und Nicola Haag, Agrarbiologe und promovierter Agrarwissenschaftler, betreuen die Versuche, die dort durchgeführt werden. Greta Ott erklärt: „Die Anlage besteht aus drei Teilen. Ein Teil hat Photovoltaik-Module als Vollanlage, ein Teil als semitransparent Anlage und der Kontrollbereich ist nicht überdacht.“ Dabei ist die Decke über den Bäumen nicht voll geschlossen: Die Module erstrecken sich über die Bäume, die Fahrgasse zwischen den Reihen sind unbedacht.
Die semitransparente Anlage, montiert im April 2024, sei unbeweglich montiert und ließe fünfzig Prozent des einfallenden Lichts durch. Die Vollanlage aus dem August 2024 werde monatlich nach der Stellung der Sonne ausgerichtet. Insgesamt fünf verschiedene Modellanlagen gebe es in Baden-Württemberg, an denen unterschiedliche Aspekte untersucht würden. Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit eine Fläche sowohl zur Energiegewinnung als auch zum Obstbau genutzt werden kann.
Unterhalb der Module ist ein Hagelschutz angebracht, der bei Bedarf über die Bäume gespannt werden kann. Außerdem kann die gesamte Anlage eingesetzt werden, um vor Tieren zu schützen, die den Bäumen schaden, etwa dem Apfelwickler, der Blutlaus oder der marmorierten Baumwanze. Untersucht und beobachtet werden viele verschiedene Elemente. „Wir erhoffen uns positive Veränderungen“, sagt Greta Ott, „es wird jedoch auch Probleme geben.“
Es müsse herausgefunden werden, was möglich ist und was nicht. So sei es etwa im Sommer unter den Modulen schattiger und kühler und sie böten Schutz vor Sonnenbrand. Im Winter sei es um etwa ein Grad wärmer. „Dieses eine Grad kann eventuell vor Nachtfrost schützen“, sagt Greta Ott. Der Schatten dagegen bewirke, dass die Bäume versuchten, darunter herauszuwachsen und mehr und längere Triebe bekämen. Gezeigt habe sich im letzten Jahr auch, dass unter den semitransparenten Modulen viel weniger Blüten kommen. „Der Ansatz reicht dennoch für einen Vollertrag“, so Greta Ott, „und wir sparen uns das Ausschneiden von Blüten.“ Das Mikroklima sei verändert und eine Ernteverzögerung um acht bis vierzehn Tage sei 2024 zu beobachten gewesen.
Dass der Regen nicht mehr direkt auf die Bäume falle, sei vermutlich nicht problematisch, sagt Nicola Haag. Das Wissenschaftsteam gehe davon aus, dass über die Fahrgasse genug Wasser eingetragen wird. „Insgesamt ist es wichtig, dass wir die Anlage über mehrere Jahre beobachten, um wirklich zu erfahren, wie die Bäume sich darunter entwickeln“, so Nicola Haag weiter. (rist)