Augenzeugen berichten:
Franz Kurz
Es war am 27. Dezember 1944, 2 Tage nach Weihnachten, da erhielt ich meinen Stellungsbefehl. Am Abend sollte ich einrücken, nach Mainz. In der Küche saßen wir am Tisch, mein Bruder hatte sich gerade verabschiedet und machte noch einen Besuch bei Pfarrer Mundel, da kamen die Tiefflieger. Bisher hatten die Tiefflieger meistens die Eisenbahnzüge angegriffen. Jetzt fielen Bomben. Die Erste oben bei der „Rose“, die Zweite hier bei uns (in der Hinnergass).
Oben bei der „Rose“ brannte es, Emma (seine Schwester) lief aus dem Haus und meine Frau rannte hinterher. Rauch und Feuer haben so getäuscht, dass sie glaubten, es würde im „Elsenztal“ brennen. Vielleicht können wir etwas retten. Sie lief vor zur Kirche und bei Lockheimers das Gässel hinunter. Da kamen die Tiefflieger wieder. Zwischen den Häusern von Kirsch und Steinbrenner warf sie sich auf den Boden. Mit Bordwaffen schossen die Flieger auf sie. Drei Durchschüsse und zwei Streifschüsse verwundeten sie schwer, blutüberströmt lag sie da. Nachbarn brachten sie zu Brühlers, bei denen waren zwar die Fensterscheiben kaputt, aber das Haus stand noch, dort wurde sie verarztet, anschließend in das Lazarett nach Heidelberg gebracht.
Unser Haus war getroffen und eingestürzt. Meine Mutter war noch im Haus gewesen. Wir suchten und riefen, endlich meldete sie sich unter den Trümmern. Mit den Händen beseitigten wir die Stückhölzer. Werkzeug hatten wir keines, das lag alles unter den Trümmern. Auf ein Mal hob sie den Arm und sagte: „Ich leb noch.“ So viel, wie ein halber Finger lang ist, konnte noch Luft zu ihr, sonst wäre sie erstickt. Es hat über eine halbe Stunde gedauert, bis wir sie geborgen hatten. Sie war zwischen 2 Balken eingeklemmt. Wir brachten sie hinaus zur Streibs Angela ihrer Mutter, von dort kam sie ins Krankenhaus.
Jetzt hatten wir kein Dach mehr über dem Kopf. Kein Vieh mehr und keinen Stall. Nur unser Leben war uns noch geblieben.
Die erste Nacht konnten Emma und ich bei Halters bleiben. Aber dann, wohin?
Auf dem Weg zum Rathaus trafen wir Frau Karrer, dem Karrer's Fritz seine Mutter. Sie fragte nach, woher und wohin. Ich sagte ihr, dass wir aufs Rathaus wollten, da wir keine Bleibe mehr hatten. Ihr könnt bei uns bleiben, war ihre Antwort. Die Familie Karrer nahm uns auf. Wir hatten nichts mehr, nicht einmal einen Teller oder eine Schüssel. Aber auch das bekamen wir von Karrer's geborgt. Auch die Betten zum Schlafen konnten sie uns zur Verfügung stellen. Dadurch, dass es bei uns nicht gebrannt hatte, konnten wir das Bettzeug aus den Trümmern ziehen. Ein kleines Küchel hatten wir, aber es gingen bloß 2 Personen rein. Nach 3 Wochen kamen meine Frau und meine Mutter vom Krankenhaus heim. Dann müssen wir schauen, wo wir noch eine Stube für euch bekommen, meinte Frau Karrer. Wir fragten bei Frau Lochner an, die uns auch sofort die Zusage gab, obwohl sie auch nur ein kleines Häusel hatte.
Der Stefan Welz stellte mir Stall, Scheune und Keller zur Verfügung, so dass ich am 8. Mai, als der Krieg endlich aus war, wieder neu beginnen konnte.
Karl Brühler
Ich hatte gerade Urlaub von der Front, zwei Tage darauf sollte ich wieder fort. Flaschners waren gerade am Dreschen. Wegen der vielen Tiefflieger fuhr der Dreschwagen aber nicht mehr aus dem Dorf heraus. Die Feldscheuer von Ziegler wurde ausgeräumt und dort gedroschen. Ich brachte gerade mit dem Fuhrwerk Früchte vom Feld herein. Der Flaschners Willi und der Sonst Manfred, das waren zwei so kleine Buwe, die ließ ich auf die Pferde sitzen. Auf ein Mal höre ich schießen, drüben in Horrenberg und Flugzeuge. Ich hielt an und rief den beiden zu: „Buwe, schbringt, was ihr könnt.“ Die beiden rannten so schnell sie konnten zum Anwesen der Benders.
Ich bin beim Fuhrwerk geblieben, da kamen die ersten Flieger an. Auf ein Mal knallt es und ein Gaul fällt um. Ich bin vorgesprungen, der Gaul hat geschrien, noch nie im Leben hatte ich ein Pferd so schreien gehört, wie dieses in seiner Todesangst, es war entsetzlich. Dann kam der nächste Flieger und ich wurde getroffen. Die hielten so mit ihren Bordwaffen drauf, dass keine Speiche am Fuhrwerk mehr ganz war. Ich sah sie sitzen in ihren Kanzeln, mit den Lederhelmen und der Brille und sah, wie sie herunterschauten und draufgedrückt haben. Dann kam der nächste Flieger und ich erhielt einen Durchschuss im Oberschenkel. Was sollte ich jetzt noch tun? Aufstehen konnte ich nicht mehr. Da kam aber schon ein Wachmann, der die Gefangenen (s. „Wirtshausleben“, die Geschichte der „Rose“) bewacht hat. Der packte mich dann und schleifte mich neben rein in den Garten der „Rose“. In dem Moment kamen die 3 Flieger, die über uns kreisten zurück, und warfen eine Bombe ab, direkt vor die Gäule. Eine zweite Bombe auf die Straße. Einer Frau, die aus Mannheim stammte, wurde buchstäblich der Kopf abgerissen. Eine weitere Frau wurde schwer verletzt. Plötzlich fielen Haus und Scheune der „Rose“ ein und verschütteten uns. Der Wachmann, ein kräftiger Mann, konnte sich wieder herausarbeiten. Aus Furcht vor weiteren Angriffen ist er davongerannt. Auch ich versuchte, mit aller Kraft, mich aus dem Schutt zu befreien. Es gelang mir einigermaßen. Da kam der „alte“ Lichtner vorbei, der zum Seewich-Bächl unterwegs war. Viele Leute versuchten dort, unter der Brücke Schutz zu finden. Ich rief ihn um Hilfe an. „Ich kann nicht, ich hab selber eine gekriegt.“ Er hatte einen Durchschuss am Arm. Wenn man in Todesangst ist, kann man viel. Ich bin rausgekrabbelt aus dem Dreck und bin hinter, zu Rosewirt's Hof. Dann sah ich den Walter Kasper vom Rathaus her kommen und winkte ihm. Der wollte aber nicht her, niemand wollte her, da oben immer noch die Flugzeuge kreisten. Endlich schaffte man mich in den Keller des „Adler“. Da bin ich dann auf dem Boden gelegen. Es waren schon einige Frauen in dem Keller, erkannt habe ich niemand, da sie alle so dreckig waren von dem Schutt. Mich fror und ich war halb ohnmächtig, da rief ich: „Muss ich denn gerade hier verrecken wie ein Hund.“ Dadurch wurde man wieder auf mich aufmerksam, ich war schon vergessen, weil jeder genug mit sich selbst zu tun hatte. Dunkel war es in dem Keller auch noch. Der Adlerwirt brachte dann Stroh, darauf wurde ich gebettet. Endlich kamen auch Männer mit der Tragbahre und brachten mich nach Hause. Unser Haus stand noch. Aber niemand im Dorf wusste, dass hinten die katholische Kirche auch getroffen wurde. Ein Franzose (Kriegsgefangener), der 2 Kühe führte, hörte die Flugzeuge kommen, ließ die Kühe stehen und rannte zum Felsenkeller, dabei wurde er getroffen und war tot. Vor Kirsche's Haus lag der Hafner Schorsch – ohne Kopf! Kirsches Haus war zu drei Viertel kaputt und Rumig's Haus ist ganz eingefallen. Das Haus von Kurz ist auch eingefallen.
Im Haus legten sie mich dann ins Bett, bis endlich der Amtsarzt von Sinsheim kam und der Roman, der auch Arzt war und gerade Fronturlaub hatte. Als Letzter wurde ich verarztet.
Der Knochen ist nicht ab, meinten sie, er kann ja die Zehen noch bewegen. Es war ein Loch, dicker wie ein Daumen, das ich im Oberschenkel hatte. Nun suchte man ein Lazarett, das mich aufnehmen würde. Heidelberg und Wiesloch sagten ab, aber in Sinsheim, im Luftwaffenlazarett, wär noch was frei. Also dann, ab nach Sinsheim. Mir war das egal wohin, ich war doch Soldat und Hauptsache, mir wird geholfen. Das Lazarett war da, in der Kreispflege, heute ist es das Altersheim. Zu 64 Mann lagen wir in einem Saal drin.
Meine Wunde hat gestunken wie die Pest, das geronnene Blut und das Pulver. Jeden Tag wurde ein Tampon durch das Loch geschoben zur Reinigung. Wochenlang lag ich so, auf meine Genesung hoffend. Dann kam plötzlich im Saal das Gerücht auf, Zuzenhausen wird angegriffen. Die Angriffe galten aber nicht Zuzenhausen, sondern der Bahnlinie Meckesheim-Siegelsbach, (Muna) auf der immer noch Militärgut transportiert wurde. 26 Bomben warfen sie auf die Bahnlinie, in erster Linie sollte die Brücke zerstört werden. Bombenlöcher gabs genug, aber die Brücke blieb heil. Nach dem Krieg wurden dann diese Äcker versteigert, damit die Löcher wieder zugeschüttet würden, ich hab auch einen Acker gekauft.
Aus einem in den 70er Jahren aufgezeichneten Gespräch über die Ereignisse der letzten Kriegsmonate:
Mitte September 1944 wurde ein Zug, der von Sinsheim nach Meckesheim fuhr, am Nachmittag um 15.30 Uhr von 4 Tieffliegern angegriffen. Bei der Fohlenweide, an einem Samstag. Es gab 11 Tote, davon einer aus Zuzenhausen.
Ich war an diesem Tag oben auf der Höhe und habe geeggt. Da hörte ich die Flieger kommen. Damals hatten wir noch nicht so viel Angst, wie dann im Winter '44 und im Frühjahr '45.
Das besondere Schicksal des Toten aus Zuzenhausen war: Soldat, dienstuntauglich, entlassen. Für ihn wäre der Krieg vorbeigewesen, aber der Krieg hat ihn wieder eingeholt.
Mitte Oktober, an einem Sonntagvormittag wurde der Zug von Zuzenhausen nach Meckesheim zwischen Güterhalle (heute Gipser Schatz) und erstem Schlagbaum von 4 Tieffliegern angegriffen. Es gab 4 Verletzte. Einer der Flieger, die den Zug beschossen hatten, ist dann in Meckesheim abgestürzt.
Am 27. Dezember 1944 wurde der Zug von Zuzenhausen nach Hoffenheim von 4 Tieffliegern angegriffen. Im Zug gab es glücklicherweise keine Personenschäden, aber die Bombenschäden im Dorf waren gewaltig, über eine Stunde kreisten die Flieger über Zuzenhausen und schossen mit Bordwaffen auf alles, was sich bewegte. (s. Augenzeugenbericht Kurz und Brühler)
Am 28. Dezember 1945 erneut Fliegeralarm. Die Brände vom Vortage waren noch nicht gelöscht, da in der Kälte die Schläuche eingefroren waren. Zum Glück kein weiterer Angriff auf Zuzenhausen.
Mitte Februar 1945 wird ein Güterzug auf der Strecke Meckesheim-Siegelsbach am Nachmittag von 4 Tieffliegern angegriffen. Die Lokomotive und ein Waggon werden beschädigt, ein Waggon zerstört, das Bahnwärterhaus wird ebenfalls beschädigt.
Am 22. Februar 1945 erneuter Bombenangriff. Anfangs wussten wir nicht, ob der Angriff unserem Dorf gelten sollte, oder ob die Amis ein anderes Ziel ausgesucht hatten. Der Angriff galt der Bahnlinie Meckesheim-Siegelsbach. Es wurden 26 Bomben abgeworfen.
Der Volkssturm musste die Schäden an dieser, für die Munitionsversorgung der deutschen Armee so wichtigen, Bahnlinie beseitigen. Auch Ausländer, Kriegsgefangene und „Zivilarbeiter“ wurden für diese Arbeiten eingesetzt.
13. März 1945 abends 18.00 Uhr wird ein Personenzug am Bahnhof von Eschelbronn von 4 Tieffliegern angegriffen. Es gab Tote und Verletzte, ein Toter war aus Zuzenhausen.
Der Kriegslärm ist deutlich zu hören. Wegen der vielen Tiefflieger wagten sich die Bauern tagsüber nicht mehr auf die Felder. Es wurde nur noch nachts gearbeitet. Dann kam der Befehl, Panzersperren zu bauen. Dazu mussten Fichtenstämme aus dem Wald geholt werden. Die Gräben waren bereits ausgehoben und die Stämme zugeschnitten, aber ganz fertig sind die Bauwerke, die den Feind aufhalten sollten, nicht mehr geworden. Der Volkssturm war nicht so begeistert von dieser Arbeit, entsprechend war das Ergebnis.
Am 20. März 1945 wird erneut ein Güterzug beim Gänsbuckel beschossen. Der Zug bleibt tagelang mit 4 Geschützen auf den ersten Wagen stehen, bis die Armee endlich die Geschütze abbauen und im Dorf unterstellen kann.
Am Ostersamstag erhielt der Bürgermeister von einem Offizier der deutschen Wehrmacht, vormittags, kurz vor 12.00 Uhr die Schlüssel für das Lager am Schlössl, in dem die Armee Lebensmittel gelagert hatte. Diese Lebensmittel sollten an die Bevölkerung verteilt werden. Was sollten wir machen? Die Leute würden mit allem Fahrbaren hinauspilgern, dann kommen Tiefflieger und mähen alles nieder, was sich bewegt! Wir warteten bis abends und schickten 2 Bauern mit Fuhrwerken hinaus, die dann die Lebensmittel abholten und im Dorf verteilten.
Nachts kamen schon die schweren Geschütze der Amerikaner in die Nähe, die sich aber wieder zurückzogen.
Erst am Mittag ging dann der Einmarsch vor sich. Die Wehrmacht glaubte, die Amerikaner noch stoppen zu können und schoss vom Dorfende, Richtung Hoffenheim den vordersten Amipanzer ab. Die Antwort der übermächtigen Amerikaner kam prompt. Sie schossen mit Brandgranaten in das Dorf. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Endlich kapierten die Nachhuten der Wehrmacht, dass sie nichts mehr ausrichten konnten und nur die Zivilbevölkerung den amerikanischen Bomben und Granaten ausliefern würden.
Sie zogen sich zurück. Nachdem keine Gegenwehr mehr kam, fuhren die Panzer der Amerikaner in das Dorf ein. Beim Gasthof „Adler“ hielt der Erste an. Überall zeigten sich dann weiße Tücher in den Fenstern. Der Bürgermeister kam mit einer kleinen Abordnung und bat darum, die Feuer löschen zu dürfen. Es wurde erlaubt. Daraufhin herrschte große Betriebsamkeit im Dorf. Mit allem, was man hatte, wurde gelöscht, Vieh und Gegenstände soweit möglich aus den Gefahrenzonen gebracht.
Leider waren die Kampfhandlungen noch nicht beendet. Gegen 18.00 Uhr schossen erneut deutsche Soldaten in das Dorf und richteten großen Schaden an. Die Amis konnten sie dadurch weder beeindrucken noch aufhalten.
Eine Zeitzeugin berichtet:
Wenn Fliegeralarm war, öffneten wir immer die Fenster und schlossen die Fensterläden, damit die Scheiben nicht zu Bruch gingen. Glas war sehr schwer zu bekommen.
In den letzten Kriegstagen kamen immer wieder Soldaten ins Dorf, um den Einmarsch der Alliierten zu stoppen. Sie alle hatten den unsinnigen Befehl, Deutschland bis zur letzten Patrone zu verteidigen. Menschen aus den umliegenden Städten, versuchten bei Bekannten und Verwandten auf den Dörfern unterzukommen.
Zu meinen Eltern kam ein Ehepaar, das weiter nach Heilbronn wollte. Dem Mann, einem Polizeibeamten, kam auf der Hauptstraße ein Soldat mit einem Fahrrad entgegen. Auf dem Fahrrad war ein Maschinengewehr montiert. Der Mann sprach den Soldaten an und bat ihn, doch das unsinnige Tun zu unterlassen, da er damit nur die Zivilbevölkerung gefährde. Der Soldat antwortete: „Noch einen Ton, dann erschieß’ ich dich!“