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Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

BTZ hilft psychisch Erkrankten zurück ins Berufsleben

Wie das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) psychisch Erkrankte unterstützt.
Ein Mann in blauem Overall und eine Frau mit einem schwarzen Pullover lächeln in die Kamera. Sie stehen in einer Werkstatt, die zum Beruflichen Trainingszentrum in Wiesloch gehört.
Eric Barth und Annemone Feike in der Industriewerkstatt des BTZ.Foto: dj

Psychische Erkrankungen sind längst kein Randthema mehr – sie betreffen Menschen aller Alters- und Berufsgruppen. Doch was passiert, wenn eine psychische Erkrankung den bisherigen Berufsweg unmöglich macht? Genau hier setzt das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) an. Annemone Feike, Standortleiterin des BTZ in Wiesloch, gibt Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der beruflichen Rehabilitation.

Berufliche Rehabilitation

Wenn von Rehabilitation die Rede ist, denken viele an medizinische Maßnahmen nach Unfällen oder körperlichen Erkrankungen. Doch psychische Erkrankungen können ebenfalls massive Einschränkungen verursachen. Während die medizinische Rehabilitation beispielsweise eine stationäre Therapie umfasst, setzt die berufliche Rehabilitation einen Schritt später an: Sie hilft Betroffenen, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

Gute Investition

„Es lohnt sich für eine Gesellschaft, in berufliche Rehabilitation zu investieren“, erklärt Feike. Denn wer wieder arbeitsfähig wird, zahlt nicht nur in die Sozialsysteme ein, sondern gewinnt auch Lebensqualität zurück. Das BTZ richtet sich dabei speziell an Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Die Bandbreite reicht von Depressionen über Angststörungen bis hin zu Borderline-Persönlichkeitsstörungen“, sagt Feike.

Während psychische Erkrankungen in den 1980er-Jahren noch ein großes Stigma waren, ist das Thema heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Trotzdem bleibt die Rückkehr ins Berufsleben für viele eine gewaltige Herausforderung.

Hürden für psychisch Erkrankte

Viele Unternehmen bemühen sich um ein positives Arbeitsklima – doch wenn es um psychische Erkrankungen geht, gibt es oft Unsicherheiten. Während ein Burn-out mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert ist, sind andere Diagnosen wie Schizophrenie oder bipolare Störungen mit Ängsten behaftet.

Feike erklärt: „Es gibt Arbeitgeber, die sich aktiv um ihre Mitarbeitenden kümmern und Möglichkeiten zur Wiedereingliederung schaffen. Aber es gibt auch Betriebe, die das Thema umgehen oder schlichtweg keine Ressourcen haben.“

Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Große Unternehmen haben oft eigene Gesundheitsmanagement-Programme, während kleinere Betriebe weniger Spielraum für flexible Lösungen haben.

Persönlicher Faktor

Je nach Branche gibt es auch etwaige Unterschiede, Kreativ- und IT-Berufe seien oft flexibler als klassische Industrieberufe mit festen Strukturen. Doch auch die persönliche Haltung der Führungskräfte kann ein entscheidender Faktor sein, ob eine Führungskraft bereit ist, individuelle Lösungen zu finden.

Offenheit fehlt

Ein positives Beispiel ist ein Architekturbüro, das bereits mehrere Mitarbeitende mit Burn-out hatte. „Der Chef sagte irgendwann: ‚Das ist jetzt der dritte Architekt, der mir in den Burn-out läuft – vielleicht müssen wir als Betrieb etwas ändern.‘ Das zeigt, dass betriebliche Strukturen eine große Rolle spielen“, erzählt Feike.

Doch nicht alle Unternehmen sind so offen. „Viele akzeptieren eine Behinderung nur, wenn sie keine zusätzliche Mühe macht“, sagt Feike. „Manchmal hängt es schlicht davon ab, ob ein Mitarbeiter leicht oder schwer zu ersetzen ist.“

Vom Patienten- zur Arbeitnehmerrolle

Eine der größten Herausforderungen für die Teilnehmer des BTZ ist der Rollenwechsel. „In einer Klinik wird man umsorgt, da ist immer jemand da. Plötzlich sollen sie wieder selbstständig arbeiten“, erklärt Feike. Dieser Übergang kann belastend sein und Ängste auslösen. Deshalb setzt das BTZ auf einen gestuften Prozess mit verschiedenen Maßnahmen:

„First Step“ – Ein sanfter Einstieg

Viele Betroffene haben lange nicht gearbeitet und müssen sich erst wieder an eine Tagesstruktur gewöhnen. Das Programm „First Step“ beginnt mit nur vier Stunden Belastung pro Tag. Dabei geht es nicht nur um fachliche Qualifikationen, sondern auch um soziale und emotionale Stabilisierung. „Die Teilnehmer lernen, mit Stress umzugehen, Grenzen zu setzen und sich selbst besser zu organisieren“, sagt Feike.

Berufsvorbereitende Maßnahmen für junge Erwachsene

Junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren haben oft Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, insbesondere wenn sie unter psychischen Erkrankungen leiden. „Viele haben während der Pandemie wichtige soziale Phasen verpasst, sei es die Schulzeit, die Ausbildung oder die ersten Berufsjahre“, erklärt Feike. Daher bietet das BTZ spezielle Programme an, die ihnen helfen, in eine Ausbildung oder den Arbeitsmarkt einzusteigen.

„Integration Plus“ – Unterstützung für den Wiedereinstieg

Wer nach einem Klinikaufenthalt zurück in den alten Job will, kann mit „Integration Plus“ begleitet werden. Die Teilnehmer werden nicht allein gelassen – bei Bedarf werden Gespräche mit dem Arbeitgeber geführt, um eine möglichst reibungslose Rückkehr zu gewährleisten.

Zwei Drittel finden einen neuen Job

Etwa zwei Drittel der Teilnehmer des BTZ schaffen den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Doch was ist mit dem verbleibenden Drittel? „Manche Menschen haben zusätzliche Einschränkungen, sei es körperliche Beschwerden, fehlende Mobilität oder einen Beruf, in dem es wenig Stellen gibt“, erklärt Feike.

Andere entscheiden sich für eine Erwerbsunfähigkeitsrente, weil der Stress eines regulären Jobs zu hoch wäre. Trotzdem ist Feike optimistisch: „Wir können nicht zaubern, aber wir geben den Menschen Werkzeuge an die Hand, um es zu schaffen.“

Pandemie und digitale Welt

Die Corona-Pandemie hat psychische Erkrankungen verstärkt. Besonders junge Menschen leiden unter den sozialen Einschränkungen, die sie während wichtiger Entwicklungsphasen erlebt haben. „Viele Freundschaften sind auseinandergegangen, und die soziale Isolation hat den Einstieg ins Berufsleben erschwert“, sagt Feike.

Hinzu kommt der zunehmende Einfluss der digitalen Welt. Ständige Erreichbarkeit, Social Media und Homeoffice machen es schwer, abzuschalten. „Dabei sind Achtsamkeit und körperliche Aktivität wichtige Faktoren für psychische Gesundheit“, betont Feike.

Was müssen Arbeitgeber ändern?

Feike hat klare Vorstellungen davon, was sich in der Arbeitswelt ändern müsste: Einerseits sollte es ein größeres Bewusstsein für psychische Erkrankungen geben. Hierzu sollten sich Arbeitgeber mit dem Thema auseinandersetzen und eine offene Gesprächskultur fördern.

Flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeitmodelle oder Homeoffice können helfen, die Belastung für psychisch Erkrankte zu reduzieren.

Ein langer Weg

Die Arbeit des BTZ zeigt, dass eine Rückkehr in den Beruf trotz psychischer Erkrankung möglich ist – aber sie braucht Zeit und die richtige Unterstützung. Der Schlüssel liegt in einer Kombination aus individueller Förderung, betrieblicher Akzeptanz und gesellschaftlicher Offenheit. „Unser Ziel ist es, Menschen wieder eine Perspektive zu geben“, sagt Feike.

Weitere Standorte des BTZ sind in Mannheim, Stuttgart, München, Freiburg, Trier, Frankfurt am Main, Hannover und Berlin.

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von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM / Jonny Diep
23.09.2025
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