Literatur

Buchtipp der Woche

Ronya Othmann, Die Sommer, Roman, 284 Seiten, Hanser, 2018 Das ergreifende Debüt der Gewinnerin des Publikumspreises des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs...

Ronya Othmann, Die Sommer, Roman, 284 Seiten, Hanser, 2018

Das ergreifende Debüt der Gewinnerin des Publikumspreises des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs (2019) und diesjährigen nominierten Autorin auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Leyla wächst in München als Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden auf. Ihr deutscher Alltag wird bestimmt durch Gymnasium und typische Aktivitäten mit Freunden. Die Sommer verbringt sie im Dorf ihres Vaters in Nordsyrien bei der Großfamilie, lernt und verlernt jedes Jahr aufs Neue ihr Kurdisch, fühlt sich eingebettet und geliebt. Sie erzählt von ihrer Kindheit dort, ihrer geliebten Großmutter, bösen Cousinen, Schlangen und den Bruchstücken des jesidischen Glaubens, der für ihren Vater keine Bedeutung mehr hat. Der Krieg in Syrien, die Verfolgung der Jesiden und der aussichtslose Kampf der Kurden führen zur Flucht des Vaters nach Deutschland, wo er Asyl erhält und seine Familie gründet. Während Leyla erst kaum Interesse an der Geschichte ihres Vaters hat, rückt der brutale Krieg in Syrien medial immer näher. Leyla beginnt ein Studium, versucht die drohende Auslöschung der Jesiden auf Distanz zu halten und merkt immer mehr, dass sie Position beziehen muss.

Vera Zischke, Ava liebt noch, Roman, 302 Seiten, List, 2024

Ava ist 43 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und Hausfrau. Ihr Tag wird bestimmt von den Anforderungen ihrer Kinder. Als sie den 19 Jahre jüngeren Kieran kennenlernt, fühlt sie, wie sehr sie sich in ihrem Alltag von der Frau, die sie sein möchte, entfernt hat. Sie begehrt Kieran, dieses Gefühl wird von ihm erwidert. Was mit Begehren beginnt, wird zu einer tiefen Liebe. Doch Ava ist gefangen in ihrem Muttersein, sie lebt vier Leben - das eigene und die ihrer Kinder. Erst, als die Kinder eigene Wege gehen, können Ava und Kieran zueinanderfinden. - Vera Zischke schreibt einfühlsam und mit einer Tiefgründigkeit, die in den Bann zieht. Man weint und lacht beim Lesen dieses Buches, Verantwortung, aber auch der Mut, zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen, werden in dieser Geschichte wunderbar sichtbar und nacherlebbar.

Iida Turpeinen, Das Wesen des Lebens, Roman, 315 Seiten, Fischer, 2024

Im Jahr 1741 schließt sich der deutsche Theologe und Naturforscher Georg Wilhelm Steller der "Großen Nordischen Expedition" unter Vitus Bering an. Sein Auftrag lautet, Tiere, Pflanzen und Gestein Kamtschatkas zu kartieren. Noch im selben Jahr entdeckt er die nach ihm benannte "Stellersche Sehkuh" und besiegelt damit deren Schicksal: Wenige Jahre später ist die Art ausgerottet. Doch deren Geschichte setzt sich fort in Museen, Sammlungen und wissenschaftlichen Abhandlungen. - Turpeinen verknüpft in ihrem 1. Roman geschickt Wissenschaftsgeschichte mit Literatur. In kurzen Abschnitten beschreibt sie den Enthusiasmus der Forscher, die Schwierigkeiten der Expedition und bindet wiederholt historische Dokumente in die Erzählung ein. Sie verfolgt das "Nachleben" der Art und schlägt so den Bogen in die Gegenwart, wo Menschen noch immer Arten ausrotten. Ein faszinierendes, gut lesbares Buch, das zum Nachdenken anregt.

Tamara Böhm, Büchereimitarbeiterin

Erscheinung
Mitteilungsblatt Plankstadt
Ausgabe 41/2024

Orte

Plankstadt

Kategorien

Kultur
Literatur
von Bücherei Plankstadt, Im Gemeindezentrum
10.10.2024
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