Ayelet Gundar-Goshen, Ungebetene Gäste, Roman, 314 Seiten, Kein & Aber
Der kleine Uri wird liebevoll verwöhnt von seiner Mutter Naomi, die ihn nicht aus den Augen lässt. Und dennoch gelingt es dem Kleinkind, unbemerkt einen Hammer vom Balkon zu stoßen, von dem ein Teenager erschlagen wird. Schnell ist der Schuldige ausgemacht: Ein dort arbeitender arabischer Handwerker wird verhaftet. Erst drei Tage nach dem Unfall geht Naomi zur Polizei, um aufzuklären. Um alles hinter sich zu lassen, zieht die Familie Hals über Kopf nach Nigeria, wo sie in einer israelischen Blase lebt. Aber auch hier holt sie die Vergangenheit ein. Die israelische Schriftstellerin, geb. 1982, erkundet das Denken und Fühlen des israelischen Paares, das, getrieben von Vorurteilen, Schuldgefühlen und Ängsten, auf die Tragödie, die ihren Lauf nimmt, mit Flucht und Verschweigen begegnet. Ein spannend geschriebenes, vielschichtiges Buch mit unerwarteten Wendungen, das nicht nur ein persönliches Drama ausleuchtet, sondern auch ein gesellschaftliches Klima, das von Misstrauen und fehlendem Mitgefühl und Verständnis geprägt ist.
Sebastian Haffner, Abschied, Roman, 191 Seiten, Hanser, 2025
Die kurze Liebesbeziehung zwischen dem Rechtsassessor Raimund – dem Ich-Erzähler – und der lebensfrohen Teddy beginnt im Sommer 1930 in Berlin und kriselt bereits. Ein Jahr später trifft Raimund sie in Paris wieder, wohin sie zum Studieren ausgewandert ist. Inmitten einer bunt gemischten Gruppe internationaler Bohème-Studenten erkennt er, dass ihre Beziehung vor dem Aus steht. Während sie gemeinsam durch Paris, Louvre, Cafés und Boulevards streifen, schwankt Raimund zwischen Hoffnung, Eifersucht und Melancholie. Noch ahnt niemand die nahende politische Krise, doch erste Anzeichen einer düsteren Zukunft sind spürbar. Die autobiografisch gefärbte Liebesgeschichte, geschrieben im Herbst 1932 von Raimund Pretzel, alias Sebastian Haffner (1907-1999), vereint Schwärmerei, Wehmut und Weltoffenheit mit dem Paris-Flair der Zwischenkriegszeit.
Clare Leslie Hall, Wie Risse in der Erde, Roman, 396 Seiten, Piper, 2025
"Die Frau, die zwei Männer liebte", so ist es in den Zeitungen zu lesen, die über einen Prozess berichten, dem Beth beiwohnt. Doch über welchen Mann zu Gericht gesessen wird, das klärt sich erst im Lauf des Romans, der von Beth erzählt wird, die sich in der Nachkriegszeit in den aus oberen Ständen stammenden Gabriel verliebte. Doch diese Zeit ist vorbei, als der 1968 spielende Hauptteil der Erzählung einsetzt. Mittlerweile ist Beth mit dem Farmer Frank verheiratet. Doch als in der Nachbarschaft ihre alte Jugendliebe Gabriel wieder einzieht, spürt sie, dass die Vergangenheit noch nicht abgeschlossen ist. "Wie Risse in der Erde" ist ein ruhig erzählter Roman aus dem ländlichen England, der aus Rückblenden und erzählter Gegenwart geschickt zusammengesetzt ist. Das Begehren Beths für die beiden gegensätzlichen Männer, der Verlust ihres eigenen Kindes und die mit Gabriels erneutem Auftauchen verbundene Möglichkeit, alte Fehler zu beheben – oder noch einmal zu begehen, sie machen den Reiz dieses Romans aus. Gut erzählt, romantisch und tragisch.
Tamara Böhm, Büchereimitarbeiterin