Es war eine große Runde, die sich am heutigen Freitag in der Lauffener Stadthalle traf: Die im Verband Baden-Württembergischer Bürgermeister organisierten (Ober-)Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister waren zur Mitgliederversammlung in die Hölderlinstadt gekommen. Und neben internen Themen stand dabei auch der direkte Austausch mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf der Agenda.
Dass vorweihnachtliche Freude derzeit nicht das dominierende Gefühl in den Rathäusern ist, daran ließ auch der grundlegende Tenor keinen Zweifel. Der fortschreitende Ukrainekrieg sowie die unsichere Weltpolitik machen sich auch in der hiesigen Wirtschaft bemerkbar – für das Exportland Baden-Württemberg ein Fundament für die Prosperität, auch in den Kommunen. Auch um die öffentlichen Finanzen, so das Fazit der Kommunalvertreter, sei es eher schlecht bestellt, obenauf komme die Bürokratisierung, deren Abbau dringend auf der Agenda steht. Doch, und das war der Tenor des Tages: Die Herausforderungen, vor denen Bürgermeister tagtäglich stehen, sind zwar so hoch wie nie, lösen können Land und Kommunen sie aber nur gemeinsam.
Präsident Michael Makurath, Oberbürgermeister in Ditzingen, nutzte das Podium aus Amtskolleginnen und -kollegen sowie Vertretern aus der Landespolitik, um auf die dringlichsten Themen hinzuweisen. Ehrengast Ministerpräsident Winfried Kretschmann bekam dabei auch das eine oder andere kritische Wort zu hören, immer wieder begleitet vom Zwischenapplaus der Anwesenden.
Die dringenden Themen aus den Reihen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Land skizzierte Makurath im Gespräch vorab: „Die Finanzlage, die erkennbar werden lässt, dass die Aufgaben, die man an uns übertragen hat, unterfinanziert sind. Das ist in einer Situation, in der unsere Gewerbesteuereinnahmen drastisch zurückgehen, eine Gefahr für die kommunale Selbstverwaltung.“ Auch die Themen Bürokratieabbau und Digitalisierung treiben die Bürgermeister im Land laut Makurath derzeit um, „weil hier vielfach ohne Maß und Ziel und vor allem auch ohne Geld erwartet wird, dass Kommunen hier groß einsteigen.“ Es bedürfe mehr Geld von Land und Bund, jedoch dürfe man hier keine Illusionen hegen, „es ist nicht viel da“, so der Präsident. Den Bürokratieabbau im Rahmen des Leistbaren voranzutreiben, sei deshalb die größte Herausforderung und ein Langzeitprojekt. „Das wird nicht mit der Kettensäge gehen, sondern wir werden hier mit der Heckenschere arbeiten müssen.“
Lob gab es aber auch: Für das Sofortprogramm des Landes 2024, das die Kommunen unterstützen soll, die Aufgaben in Sachen Krankenhausfinanzierung, Flüchtlingshilfe und Förderung der Baumaßnahmen im Ganztagsbereich bewältigen zu können. „Hier ist schon ein Bemühen spürbar“, so Makurath. Dieses dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Projekte nach wie vor anhaltend unterfinanziert sind.
In seiner Rede vertiefte er dieses Dilemma: „Die Lücke zwischen Anspruch und Realität kann nicht annähernd geschlossen werden, weil die Kommunen deutlich mehr Mittel benötigen.“ Bei Herausforderungen wie Klimaschutz und Wärmewende, Wohnungsbau und Digitalisierung oder die Raumbedarfe nach der Rückkehr zu G9, Fachkräftemangel und überlastete Dienststellen, so Makurath, „bleibt uns nur gemeinsam der viel schwierigere Weg den Umfang staatlicher Aufgabenerfüllung wieder in Einklang mit den verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen derer zu bringen, die sie umsetzen sollen. Da brauchen wir den Schulterschluss mit dem Land.“
Und man müsse an einer gemeinsamen Haltung arbeiten, die zusätzliche Freiräume für kommunales Handeln nicht als Gefahr oder als Kontrollbedürfnis wahrnehme, sondern auf dem Vertrauen aufbaue, „dass wir es in den Kommunen schon richtig machen. Daran arbeiten wir jeden Tag.“
Winfried Kretschmann setzte in seiner Rede dennoch auf Einheit in schwierigen Zeiten. Bei seinem letzten Besuch 2022 stand man kurz vor einer der größten Energiekrisen in der Geschichte der BRD und mitten in einer Inflation. Beides habe man, so der Ministerpräsident gemeinsam gemeistert, davor habe er großen Respekt. Im Hinblick auf das Finanzielle, entgegnete er der Kritik, es gäbe es neben Bayern kein Flächenland, das seine Kommunen so gut ausstatte, wie Baden-Württemberg: „2013 betrug die Nettoleistung des Landes an die Kommunen knapp 8 Milliarden Euro, 10 Jahre später waren es 14,3 Milliarden, die sind fast 90% mehr, und das, obwohl unsere Einnahmen in diesem Zeitraum um nur 50% gestiegen sind.“ Obwohl die kommunalen Ausnahmen stärker gewachsen seien als die des Landes, habe man Kommunen mit einem immer größeren Anteil am Landeshaushalt ausgestattet.
Länder und Kommunen hätten deshalb nicht nur ein Einnahmen-, sondern auch ein Ausgabenproblem. Dies müsse man unbedingt lösen, trotz der wirtschaftlichen Lage, die so Kretschmann „schlichtweg dramatisch“ sei. Auch der dringend notwendige Bürokratieabbau bedeute nicht, dass die Politik aufhöre zu gestalten. Er sei mühsam und erfordert Zeit, so Kretschmann. Und er erfordere ein Umdenken: Wenn man Regeln abschaffe, die einem erhöhten Sicherheitsdenken entspringen, nehme die Sicherheit ab und man lande im Risiko.
Dass am Ende zumindest in der Theorie Konsens über die Dringlichkeit und pragmatische Lösungen herrschte, stellte der Ministerpräsident auch im anschließenden Gespräch heraus: „Wir arbeiten in der Entlastungsallianz gemeinsam – Wirtschaft, Kommunen und Land haben inzwischen schon 170 Maßnahmen beschlossen, und diese werden wir jetzt auch umsetzen, es wird nicht nur darüber geredet. Für das dritte Entlastungspaket haben wir auch ordentliches Lob bekommen – das ist nicht selbstverständlich“, zeigte sich Kretschmann überzeugt vom richtigen Kurs. Und den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern riet er, zuversichtlich zu bleiben: „Ich erlebe immer wieder, dass wir in Baden-Württemberg auch tolle Bürgerinnen und Bürger haben, die sich engagieren, im Ehrenamt, in den Gemeinderäten. Man neigt ja immer dazu, das Negative stärker wahrzunehmen, als das Positive. Mein Rat in schwierigen Zeiten ist, dass man sich auf die stützt, die nach vorne wollen, die an die Zukunft glauben und da gibt es Menschen in jeder Gemeinde.“
Ein positives Fazit zog am Ende auch Gastgeberin Sarina Pfründer, Bürgermeisterin von Lauffen am Neckar unter eine aus ihrer Sicht „sehr gelungene Veranstaltung“: „Wir waren dankbar, dass Ministerpräsident Kretschmann zu uns gekommen ist und eine starke Rede gehalten hat, die die aktuelle Situation sehr gut dargestellt hat und zeigt, dass Kommunen und Land zusammenhalten müssen.“ Auch mit den getroffenen Ausgaben zeigte sich die Bürgermeisterin zufrieden: „Man hat am Beifall der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter gespürt, dass er unseren Nerv getroffen hat. Wir brauchen eine Entbürokratisierung, eine Aufgabenkritik, denn mehr Geld ist weder beim Land noch bei den Kommunen vorhanden, so, dass wir uns gemeinsam an Einsparungen machen müssen. Da sitzen wir im selben Boot und das müssen wir auch nach außen deutlich machen.“
Und eine kleine positive Botschaft hatte der Ministerpräsident am Ende auch bereit: Entgegen der Tendenz, Zusagen ohne Absprachen mit den Ministerialen zu treffen, meinte Kretschmann, das im Laufe der Veranstaltung von Michael Makurath angesprochene Problem, dass Dienstfahrten der Bürgermeister zu Zweckverbandstreffen als Privatfahrten betrachtet werden, werde er lösen – immerhin ein kleines Weihnachtsgeschenk.