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Bürgermeister Frank Volk geht: Ein Abschied mit Wehmut, aber auch mit zufriedenem Blick auf das Erreichte

„Ich bin nicht der Mensch, der ein Denkmal für sich haben wollte“ Es fühlte sich alles nach Abschied an. Die Büroräume ganz oben im Rathaus, die...
Die Rathaustür hinter sich schloss der frühere Bürgermeister der Stadt Neckargemünd Frank Volk.
Die Rathaustür hinter sich schloss der frühere Bürgermeister der Stadt Neckargemünd Frank Volk.Foto: du

„Ich bin nicht der Mensch, der ein Denkmal für sich haben wollte“

Es fühlte sich alles nach Abschied an. Die Büroräume ganz oben im Rathaus, die dem Bürgermeister vorbehalten sind, wirkten leer und nicht geschäftig. Es war einer der letzten Arbeitstage des nun aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters Frank Volk.

Das Vorzimmer war nicht mehr besetzt – ein Anzeichen dafür, dass die Zeit der offiziellen Termine und Verpflichtungen bald vorbei ist. Bürgermeister Frank Volk, der acht Jahre lang die Geschicke dieser Stadt geleitet hat, räumte sein Büro auf. Die letzten persönlichen Gegenstände wurden gepackt, und obwohl er gefasst wirkte, war ihm die Schwere dieses Moments deutlich anzumerken. Es ist nicht einfach, einen Ort zu verlassen, den man geliebt hat, auch wenn der Verstand längst akzeptiert hat, dass die Wahlniederlage unumstößlich ist.

Fünfmonatige Auszeit

Er sprach ruhig, fast reflektierend über das, was nun vor ihm liegt. Für die nächsten fünf Monate plane er, sich eine Auszeit zu nehmen. Vielleicht wird er sich in eine Berghütte in Oberstdorf zurückziehen, um in der Einsamkeit neue Eingebungen zu finden. Er erinnerte sich daran, wie er 38 Jahre lang in Traumberufen tätig war – 30 Jahre bei der Volksbank und die letzten acht Jahre als Bürgermeister. „Ich bin immer gern ins Rathaus gegangen“, sagte er, „und zu den Veranstaltungen. Jetzt habe ich den Anspruch, in den kommenden zehn Jahren, in denen ich noch arbeiten werde, etwas zu finden, das mir wieder vergleichbar viel Freude bereitet.“

Trotz der offensichtlichen Enttäuschung über das Wahlergebnis sprach er auch von einer gewissen Erleichterung. „Ich freue mich auf mehr Freiheiten und Freizeit“, sagte er und erklärte, dass man als Bürgermeister niemals wirklich privat ist. „Egal, wohin man kommt, man ist immer im Amt, wird ständig in Anspruch genommen. Das ist gelebte Bürgernähe, aber es fehlt Zeit für die Familie, für ein entspanntes Wochenende.“

Viele Einblicke gewonnen

Gern denkt er an die vielen Kontakte zurück, die er in seiner Amtszeit geknüpft hat – mit Bürgern, Vereinen und Institutionen. „Ich habe Einblicke bekommen, wie vieles funktioniert, was man sonst nicht mitbekommt“, erzählt er. „Zum Beispiel, was alles hinter der Abfallbeseitigung steckt oder dem Abwasserzweckverband. Was muss man tun, damit Wasser fließt, wir Strom haben und die Müllabfuhr funktioniert? Diese Strukturen werden oft viel zu wenig wertgeschätzt.“

Doch die Realität des Amtes war nicht immer einfach. Der Bürgermeister spricht offen über die Schattenseiten, die das moderne Leben und insbesondere die sozialen Medien mit sich bringen. „Von zehn zufriedenen Menschen hört man nichts“, sagt er. „Aber einer, der unzufrieden ist, erzählt es weiter, und plötzlich sind es acht weitere, die auch unzufrieden sind.“ Die Diskussionen in den sozialen Medien und nicht nur dort hat er oft als hinterhältig und gemein empfunden. „Die Leute toben sich mit negativer Kritik aus, lassen kein gutes Haar an den Dingen.“

Pandemie als große Herausforderung

Ein weiteres Thema, das ihn bewegt, ist die große Krise seiner Amtszeit: die Corona-Pandemie. Es war eine Zeit enormer Herausforderungen – psychisch anstrengend durch die mangelnden Kontakte, arbeitstechnisch aber auch vereinfacht durch die eingeschränkten Öffnungszeiten. „Es war ein 16- bis 18-Stunden-Tag, ständig mussten neue Verordnungen umgesetzt werden“, erinnert er sich. „Man war der Böse, der Schulen und Kindergärten schloss, Tests anordnete. Die Gesundheit der Bevölkerung stand im Vordergrund, und ich denke, wir haben das ganz gut geschafft.“ Doch es blieb vieles andere liegen. Ideen konnten nicht weiterverfolgt werden, zwanglose Kontakte fehlten. „All die Energie, die wir in diese schwierige Zeit gesteckt haben, wurde bei der Wahl nicht gewürdigt“, sagt er sichtlich enttäuscht.

Es gibt einen Grund, warum viele Bürgermeister ein ähnliches Schicksal erlitten haben oder ihr Amt aufgegeben haben, meint er. „Man fühlt sich wie in einem Hamsterrad, aber die Bürger sehen das nicht so.“

Familiäre Zeit kam zu kurz

In den vergangenen acht Jahren ist er neunmal Großonkel geworden, erzählt er mit einem Anflug von Bedauern. „Ich habe festgestellt, dass ich meine Großneffen und Großnichten so gut wie gar nicht kennenlernen konnte. Ich hatte auch keine Zeit für Hobbys, war seit Jahren nicht mehr im Fußballstadion oder auf Konzerten. Der Terminkalender war schon zu Jahresanfang gefüllt, und auch am Wochenende war es oft so, dass man gern noch sitzen geblieben wäre, aber der nächste Termin wartete schon.“

Zur Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Jan Peter Seidel stellt er fest: „Er übernimmt ein gut funktionierendes Rathaus.“ Er betont, dass es ihm nie um Macht ging. „Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und mein Ziel war es immer, das Beste für sie zu erreichen.“

Menzer Villa einer seiner großen Erfolge

Stolz ist er auf einige Projekte, die ihm besonders am Herzen lagen. „Die Menzer Villa durch das Freiräume-Konzept zu retten, das war und ist ein Erfolg. Auch die Jugendherberge Dilsberg, die vor dem Aus stand, konnte dank einer großen Spende und Renovierung erhalten werden. Das Naturbad ist wieder auf Vordermann gebracht worden, und natürlich der Halt des Regionalexpresses am Bahnhof Neckargemünd.“ Mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Die Wanderhütte war ein Herzensprojekt von mir, und es hat sich wirklich gelohnt. Viele Wanderer schätzen diese Einkehrmöglichkeit.“ Ein weiteres Projekt, das ihm wichtig war, war die Verhinderung der Umwandlung des Hotel Kredells in der Stadtmitte in Wohnungen. „Ich bin nicht der Mensch, der ein Denkmal für sich haben wollte. Mein Ziel war es immer, viel Gutes für die Stadt zu tun, und ich denke, das ist mir gelungen.“

Eine „enorme Herausforderung“

Doch er weiß auch, dass es in seiner Amtszeit nicht immer einfach war. „In einer Zeit, in der das Geld sprudelt, kann man gut arbeiten“, sagt er mit einem Anflug von Wehmut. „Das waren eben andere acht Jahre.“ Und dann blickt er zurück auf die Corona-Zeit: „Wir haben Corona-Tests sortiert, die in Größen geliefert wurden, die man nicht brauchen konnte, und mit den Blaulichtorganisationen ein Testzentrum aufgebaut, Impfungen vor Ort ermöglicht. Es war eine enorme Herausforderung.“

Warum er die Wahl verloren hat? Er hat eine klare Erklärung und die ist auch in seiner gradlinigen Haltung begründet, mit der er sich nicht nur Freunde gemacht hat, auch wenn es um „das gleiche Recht für alle“ und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ging. Außerdem sagt er: „Ich habe mich immer gegen Rechts positioniert, und das hat diese auch gegen mich aufgebracht. Das mache ich aus voller Überzeugung. Ich positioniere mich schon seit den 80er Jahren gegen Rechts, und das wird sich nicht ändern. Wenn mich dann 20 Prozent der Wähler nicht wählen, dann ist das eben so. Ich behalte meine gerade Haltung bei, auch wenn es im Endeffekt weh tut.“

Eine komplexe Aufgabe

Einer seiner Leitsprüche, die ihn in seiner Amtszeit begleitet haben, lautet: „Wenn es einfach wäre, bräuchte es uns nicht, dann könnte es jeder.“ Er ist sich der Komplexität der Aufgaben bewusst und hat stets die Zusammenarbeit mit seinen guten Mitarbeitern geschätzt. „Es gab viele Tränen, als ich mich persönlich verabschiedet habe“, erzählt er und man merkt ihm an, dass diese Abschiede ihm noch schwerer fallen als der eigentliche Amtsverlust.

Trotz allem will er seiner Stadt treu bleiben. „Ich bin hier zuhause und das will ich auch bleiben“, sagt er entschlossen. Weiterhin ist er in den Kreistag für die Freien Wähler gewählt und wird diese Aufgabe auch ausfüllen. Sich kommunalpolitisch in der Stadt selbst zu engagieren, plant er jedenfalls nicht. Er sucht nun aber nach einem Haus in der Stadt, in der er ganz in Bahnhofsnähe aufgewachsen ist und die er als Bürgermeister für acht Jahre geführt hat. „Bürgermeister zu werden war für mich interessant, aber nur hier, in der Stadt, in der ich lebe.“ (du)

Erscheinung
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NUSSBAUM+
Ausgabe 33/2024
von Redaktion Nussbaum
15.08.2024
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