Geplantes Realschul-Aus

Bürgermeister Kirchner verteidigt BIZ-Pläne trotz Widerstand

Nach der Veröffentlichung einer gemeinsamen Pressemitteilung des Schulverbands Nördliche Badische Bergstraße am 9. Juli war die öffentliche Reaktion...
Schriftzug: "Bildungszentrum Nördliche Badische Bergstraße" auf einem Schild.
Die aktuellen Pläne des BIZ-Neubaus treffen auf zunehmenden Widerstand aus der Bevölkerung - eine echte Alternative fehlt aber bislang. (Archiv)Foto: ben

Nach der Veröffentlichung einer gemeinsamen Pressemitteilung des Schulverbands Nördliche Badische Bergstraße am 9. Juli war die öffentliche Reaktion deutlich: Innerhalb weniger Tage sammelte eine Onlinepetition gegen die geplante Schließung der Carl-Engler-Realschule über 600 Unterschriften. Der Vorwurf: Der Realschulabschluss werde aus der Region verdrängt, das Angebot für Familien verschlechtere sich. Um auf die Kritik zu reagieren und die Hintergründe der Planungen zu erläutern, luden Hemsbachs Bürgermeister Jürgen Kirchner und sein Laudenbacher Amtskollege Benjamin Köpfle am Montag zu einem Pressegespräch.

Im Zentrum der Überlegungen steht ein möglicher Neubau eines Bildungszentrums auf dem Gelände der Schillerschule in Hemsbach. Das neue Konzept sieht vor, künftig nur noch eine Gemeinschaftsschule und ein Gymnasium am Standort zu betreiben. Die Realschule soll mittelfristig auslaufen. Noch ist keine Entscheidung gefallen, doch der Vorschlag ist nach Einschätzung der Verantwortlichen derzeit der einzige, der genehmigungsfähig wäre.

BIZ nicht sanierbar

Die Ausgangslage ist komplex. Das bestehende Bildungszentrum – errichtet auf einer früheren Sondermülldeponie – bereitet der Stadt seit Jahren große Sorgen. Bereits im Jahr 2012 habe das Gesundheitsamt mitgeteilt, dass das Gebäude nicht sanierungsfähig sei, erläuterte Kirchner. Christopher Wetzel von der Bauverwaltung erklärte: „Ein Bauteil des Gebäudes ist in der Deponie begründet, auf Pfählen. Wir wissen nicht, wie sich die Deponie in dem Bereich zusammensetzt und wie das mit Beton reagiert.“ Teile des Kellers seien bereits heute nicht mehr betretbar, um notwendige Reparaturen durchzuführen, so Kirchner. Der laufende Betrieb könne nur mit großem finanziellem Aufwand aufrechterhalten werden: Allein für die Aufrechterhaltung der Elektroversorgung sei in den kommenden drei Jahren ein Betrag von rund einer Million Euro erforderlich – lediglich um die bestehenden Steckdosen zu sichern.

Angesichts dieser Ausgangslage stand für die Stadt früh fest, dass das bestehende Gebäude langfristig aufgegeben werden muss. Ein Neubau am aktuellen Standort sei jedoch kaum umsetzbar. Die letzte Kostenberechnung habe rund 100 Millionen Euro ergeben – eine Summe, die aus Sicht der Kommunen auch mit regulären Fördermitteln nicht tragbar wäre. Man haben es trotz intensiver Gespräche und der Unterstützung einiger Landtagsabgeordneter nicht geschafft, eine Sonderfinanzierung zu erhalten, erklärte Benjamin Köpfle. „Es ist schlicht nicht finanzierbar, so sehr wir uns das wünschen.“

Haushalt muss genehmigungsfähig bleiben

Die angespannte Haushaltslage in Hemsbach lässt wenig Spielraum. Ein Projekt in dieser Größenordnung würde die kommunale Finanzkraft deutlich übersteigen. Ein solcher Haushalt würde nicht genehmigt, machte Kirchner deutlich. Seit inzwischen 13 Jahren prüft die Stadt verschiedene Alternativen, ohne eine tragfähige Lösung gefunden zu haben. Eine Variante war der Neubau auf Laudenbacher Gemarkung – doch auch hier wären die Kosten zu hoch gewesen. Allein durch nötige Investitionen in Infrastruktur, Lärmschutz und Sporthallen sei dieses Vorhaben etwa 20 Millionen Euro teurer als die nun ins Auge gefasste Variante auf dem Gelände der Schillerschule.

Dort könnte ein siebenzügiger Neubau entstehen. Um die Bedarfe realistisch abzuschätzen, wurde eine Prognose zur künftigen Schülerentwicklung in Auftrag gegeben. Diese berücksichtigt neben der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung auch den Zuzug durch neue Wohngebiete – etwa in Laudenbach – sowie die Umstellung auf das neunjährige Gymnasium. Die Ergebnisse zeigen, dass zwei Schularten mit stabiler Schülerzahl darstellbar wären – drei hingegen nicht.

Schüler sollen nach Weinheim

Da jede Schulart im Schulverbandsgebiet angeboten werden muss, steht die Gemeinschaftsschule nicht zur Disposition. Auch das Gymnasium verzeichnet mit derzeit 602 Schülerinnen und Schülern deutlich höhere Zahlen als die Realschule mit 280. Bei einer Begrenzung auf zwei Schularten sei daher allein die Realschule verzichtbar.

Für künftige Realschüler sei laut Kirchner eine Lösung bereits in Sicht. Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just habe zugesagt, dass die dortigen Realschulen den zusätzlichen Bedarf abfangen könnten. Einwände aus der Bevölkerung, wonach die Klassen dort bereits jetzt voll seien, versucht die Verwaltung zu entkräften. Die sogenannte Schülerstromlenkung solle künftig sicherstellen, dass Kinder aus dem Schulverbandsgebiet vorrangig berücksichtigt werden. Aktuell besuchen auch viele Schülerinnen und Schüler aus dem benachbarten Hessen – etwa aus Birkenau oder dem Gorxheimer Tal – die Weinheimer Realschulen. Diese dürften es dann nicht mehr so leicht haben, eine Weinheimer Realschule zu besuchen.

Auch der künftige Schulweg, insbesondere für Kinder aus Laudenbach, werde sich verlängern. „Das ist uns bewusst“, so Köpfle. „Aber längere Schulwege sind ja heute in vielen Orten schon Realität.“ So gingen auch schon viele Kinder aus dem Schulverbandsgebiet auf das Weinheimer Gymnasium. Für Kirchner sind diese Wege zumutbar und mit Bus und Bahn gut zu erreichen - das geschehe ja bei einigen Kindern schon jetzt aus eigenem Antrieb.

Keine Alternative in Sicht

Kirchner betonte mehrfach, dass noch keine Entscheidung getroffen sei. Die Verwaltung sei vom Schulverband mit der Prüfung eines tragfähigen Neubaus beauftragt worden. Der nun vorgelegte Vorschlag sei das Ergebnis jahrelanger Gespräche mit dem Regierungspräsidium und dem Kultusministerium – und bislang die einzige Variante, die realistisch umsetzbar erscheine. Wenn die Gemeinderäte den Vorschlag ablehnen sollten, wisse man nicht, wie es weitergehe, so Kirchner: „Dann sind wir mit unserem Latein am Ende.“ Denn eins steht fest: das aktuelle BIZ weiterzubetreiben birgt unabsehbare Risiken und dürfte nicht im Sinne der Schülerinnen und Schüler sein.

Kritik aus der Bevölkerung sei legitim, betonte Kirchner, doch fehlten oft tragfähige Gegenentwürfe. „Kritik – klar, damit können wir umgehen. Aber dann braucht es bitte auch Vorschläge.“ Man investiere in die Zukunft der Kinder, doch müsse auch darauf achten, dass die Ausgaben mit dem Haushalt in Einklang zu bringen seien. In jedem Fall mache man es sich nicht leicht mit dieser Entscheidung: „Das macht keiner von uns gerne, es ist einfach eine Notwendigkeit“, so Kirchner. Der Vorwurf, die Entscheidung sei überstürzt getroffen worden, weist Kirchner zurück. Man sei seit über einem Jahrzehnt mit den zuständigen Stellen im Gespräch. Die vorliegende Planung sei der bislang einzige Weg, der sowohl pädagogisch als auch finanziell tragbar sei. Köpfle: „Wir sind sehr offen dafür, wenn jemand eine finanzierbare, besser Idee hat. Aber wir sehen sie im Moment nicht.“

Blick in die Zukunft

Wie es weitergeht, soll nach der Sommerpause in den politischen Gremien entschieden werden - eine Zustimmung ist nach aktuellen Aussagen der Fraktionen völlig ungewiss. Sollte der Vorschlag angenommen werden, könnte auf dem heutigen Gelände der Schillerschule mit der Planung begonnen werden. Der Altbau würde erhalten bleiben, der Sporttrakt des bisherigen Bildungszentrums könnte weitergenutzt werden. Das jetzige BIZ-Gelände könnte künftig als Parkplatz, Fahrradabstellfläche und Bushaltestelle dienen – ein ökologischer Nebeneffekt: durch die Versiegelung würde weniger Regenwasser in den belasteten Boden eindringen.

Bis zu einem möglichen Spatenstich dürften noch Jahre vergehen. Doch den Verantwortlichen ist wichtig: Der Weg in die Zukunft hat einen langen Anlauf genommen. Jetzt soll er auch gegangen werden.

Weitere Artikel

Kommentar zum geplanten Realschul aus: Wenn der Aufschrei vorprogrammiert ist

Neue BIZ-Pläne: Keine Realschule mehr in Hemsbach?

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUMKevin Moschner
16.07.2025
Orte
Hemsbach
Laudenbach
Weinheim
Kategorien
Gemeinderat
Kommunalpolitik
Politik
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto