Es ist eher selten, dass tierischer Kot Entzücken herruft. Doch in diesem Fall ist es so. Das Gesicht von Joachim Kerzmanns zeigt ein Grinsen, als er den Blick auf seine Hand richtet. „Das sieht ein bisschen nach Langohr aus“, ruft Edit Spielmann ihm zu. Ob Langohr oder Zwerg, ist Kerzmann möglicherweise gänzlich egal. Die wichtige Botschaft in Spielmanns Satz ist eine andere: Der ehemalige Trafoturm wird von den Fledermäusen endlich angenommen. Geduld ist aber weiter gefragt.
Er ist recht unscheinbar und von der B3 aus gar nicht zu sehen. Doch wenn man von der Bundesstraße in Richtung Oberlaudenbach geht und hinter der evangelischen Kirche direkt links in den kleinen Weg abbiegt, dann erhebt sich der Turm des ehemaligen Trafohauses vor dem eigenen Auge. An dessen Vorderwand prangt mittlerweile eine Tafel. Informationen und Abbildungen rund um die Fledermaus sind darauf abgedruckt. Sie ist ein deutliches Zeichen für die heutige Verwendung des Turms. Als Umspannwerk wird er längst nicht mehr genutzt. Das war auch schon 2019 nicht mehr der Fall, als der BUND Hemsbach Laudenbach 2019 bei den Stadtwerken Weinheim angeklopft hat. Ein Fledermausquartier wollte man einrichten. Bei dem Energieversorger rennt man mit dem Anliegen offensichtlich offene Türen ein. „Sie haben uns direkt die Unterstützung zugesagt“, erinnern sich Jürgen Kerzmann und Claus Krakofczik, die beide im BUND aktiv sind. Und so beginnt der Umbau: Die Stadtwerke entkernen den Turm, entnehmen dabei Trafo und Leitungen. Dann geht der BUND ans Werk, öffnet Einflugschneisen im oberen Bereich Mauerbereich, montiert außen Sommerkästen und im Inneren Hohlblocksteine. Die seien für Fledermäuse ideal, sagt Edit Spielmann. „Sie brauchen Versteckmöglichkeiten, das mögen sie.“ Spielmann ist Biologin und ausgewiesene Fledermausexpertin. Sie weiß selbst den kleinen Kot zuzuordnen, den Kerzmann in seiner Hand hält. Er habe den schon bei seinem letzten Besuch am Turm ausgemacht, erzählt er. Kerzmann ist froh, dass offensichtlich zumindest die Sommerkästen an der Außenwand mittlerweile genutzt werden. „Ich hatte eher mit Zwergfledermäusen gerechnet“, sagt derweil Spielmann. Allerdings sei die Art der Langohren neugieriger als ihre winzige Verwandtschaft. „Daher nehmen sie Quartiere als Erstes an.“
Dann geht es ins Innere. Hier sind noch die Nischen zu erkennen, in denen früher die Trafos angebracht waren. Eine an der Wand befestigte Stiege hoch und durch eine Luke geht es in den oberen dunklen Bereich. Nur das Licht von Taschenlampe oder Handy sorgt hier dafür, dass man überhaupt etwas sehen kann. Die weit oben eingezogenen Einflugschlitze sind zu klein, um den Raum zu erhellen. Sie sind schließlich nur für Fledermäuse gedacht, weniger für die Greifvögel, die hier durchaus auf Suche nach Beute zwischenzeitlich kreisen. Der Lichtstrahl zeigt die Hohlsteine. Sie sind noch immer unbewohnt. Auch wenn der Turm nach Beendigung des Umbaus bereits seit 2021 parat steht, um seiner neuen Pflicht gerecht zu werden. Für Spielmann kein Grund zur Sorge. „Es dauert Ewigkeiten, bis ein Quartier angenommen wird“, macht sie Hoffnung darauf, dass irgendwann auch das Innere irgendwann eine Fledermauskolonie beherbergen wird. Denn auszusetzen an der Ausstattung hat die Biologin definitiv nichts. „Es ist alles gut gemacht. Man kann nur hoffen, dass sie es endlich kapieren“, lacht Edit Spielmann. Vier Jahre scheinen dafür noch nicht lang genug. Dabei, so lässt die Expertin verlauten, seien die Fledermäuse in der Orientierung sehr intelligente Tiere. „Sie haben eine Karte im Kopf und wissen genau, wo gute Quartiere sind.“ Die Lage des Turms sei eigentlich ideal – er liege schließlich in der Flugroute entlang des Odenwalds. „Und hier ist Fledermauszug“, weiß Spielmann, erzählt, dass die Tiere beim Wechsel von Sommer- auf Winterquartier bis zu 1.000 Kilometer zurücklegen. Als Quartiere, so sagt sie, dienten Kirchen, Stollen, Höhlen – und auch umgebaute Trafotürme.
So ist die Hoffnung weiterhin da, dass die Tierchen auch den Laudenbacher Turm irgendwann für sich vereinnahmen. Anlocken dürfte man sie durchaus, wenn man es nicht übertreibe, sagt Spielmann. „Man sollte aber keine Eulen anlocken. Das wäre kontraproduktiv“, verweist sie auf deren Speiseplan.
Dann schließt sich die Tür des Turms. Man sollte Fledermäuse schließlich lassen, wissen alle drei. Folglich gibt es für den BUND hier wenig zu tun. „Wir schneiden ab und zu das Grün zurück“, sagt Kerzmann. Und ja, zwischendurch komme er mal hierher. Es ist wie bei den Langohrfledermäusen: Die Neugier ist da. Und der Wunsch danach, dass die kleinen Tiere das Quartier vielleicht irgendwann sogar zur Überwinterung annehmen, genauso. (cs)