Wahlkreis Heidelberg

Bundestagswahl: 10 Fragen an FDP-Kandidaten Tim Nusser

Schon zum dritten Mal kämpft der Heidelberger Stadtrat Tim Nusser um das Direktmandat im Wahlkreis. Große Chancen hat er dabei nicht.
Tim Nusser kämpt für die FDP ums Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg.
Tim Nusser kämpt für die FDP ums Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg.Foto: Maximilian Mester

nussbaum.de: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis?

Nusser: Ein zentrales Anliegen der Menschen im Wahlkreis ist die Kombination aus bezahlbarem Wohnen und einer starken Wirtschaft. Viele sorgen sich um steigende Mieten und den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der besonders für Familien, Auszubildende und ältere Menschen eine Herausforderung darstellt. Der Traum Eigenheim ist für jüngere Menschen oft in weiter Ferne. Gleichzeitig ist eine lebendige Wirtschaft entscheidend, um sichere Arbeitsplätze zu schaffen und die regionale Attraktivität zu erhalten. Bezahlbares Wohnen und wirtschaftliche Stabilität sind eng miteinander verknüpft: Nur wenn Wohnraum bezahlbar bleibt, können Unternehmen qualifizierte Fachkräfte anziehen, und nur mit einer starken Wirtschaft können wir Wohnungsbau und sinnvolle Stadtentwicklung nachhaltig finanzieren.

nussbaum.de: Inwiefern gedenken Sie die Themen aus dem Wahlkreis in die Bundespolitik einzubringen?

Nusser: Als Vertreter der Freien Demokraten sehe ich es als essenziell, die Stärken und Herausforderungen unseres Wahlkreises Heidelberg-Weinheim in die Bundespolitik einzubringen. Heidelberg steht als Wissenschafts- und Forschungsstandort exemplarisch für Fortschritt und Innovation – das will ich durch eine bessere Förderung von Exzellenzinitiativen und Start-ups noch weiter voranbringen. Gleichzeitig muss die Infrastruktur den Ansprüchen unserer Region gerecht werden: Ich setze mich für moderne, leistungsfähige Verkehrslösungen ein, bei denen Fortschritt und Freiheit Hand in Hand gehen – sei es durch den Ausbau des ÖPNV, neue Technologien oder flexible Mobilitätsangebote, auch für den Individualverkehr mit dem PKW.

Zudem braucht es mehr Anreize für privaten Wohnungsbau, um die Wohnraumknappheit zu bekämpfen, ohne bürokratische Hürden weiter zu erhöhen. Und letztlich ist die Finanzlage vieler Kommunen angeschlagen – als Stadtrat weiß ich, dass das auch damit zu tun hat, dass weitere Verpflichtungen durch Bund und Land meist nicht mit weiterer Finanzierung einhergehen. Deswegen setzte ich mich für einen Rückkehr zum grundgesetzlichen Konnexitätsprinzip ein.

Als Liberaler möchte ich, dass unser Wahlkreis in Berlin ein starkes Beispiel dafür bleibt, wie man Wissenschaft, Unternehmertum und Lebensqualität verbindet. Dafür werde ich mich mit Nachdruck einsetzen.

nussbaum.de: Mieten, Lebensmittel, Energiekosten – die Preise in diesen Bereichen bleiben nach wie vor auf hohem Niveau. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Preise wieder zu senken?

Nusser: Um die hohen Preise bei Mieten, Lebensmitteln und Energiekosten zu senken, setzen wir Freie Demokraten auf marktwirtschaftliche Lösungen und Bürokratieabbau. Bei den Mieten wollen wir Genehmigungsverfahren beschleunigen, steuerliche Anreize für den Wohnungsbau schaffen und die Mietpreisbremse schrittweise auslaufen lassen, um Investitionen zu fördern. Im Bereich Lebensmittel stärken wir die unternehmerische Landwirtschaft durch Innovationen und reduzieren staatliche Auflagen. Bei Energiekosten senken wir die Stromsteuer auch für Privathaushalte auf das EU-Mindestmaß, fördern den Ausbau erneuerbarer Energien und setzen auf Technologieoffenheit. Damit schaffen wir gezielte Entlastungen für Bürger und Betriebe und sichern gleichzeitig langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

nussbaum.de: Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas - Tendenz steigend. Wie kann man hier gegensteuern?

Nusser: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere in den Bereichen Pflege, Handwerk, Schulen und Kitas. Um dem entgegenzuwirken, setzen wir Freie Demokraten auf gezielte Maßnahmen, die bei Bildung, Arbeitsbedingungen, Zuwanderung, Bürokratieabbau und Digitalisierung ansetzen.

Eine starke berufliche Bildung und lebenslanges Lernen bilden die Grundlage, um Menschen besser auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Mit der Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung und dem Ausbau von Berufsbildungszentren zu regionalen Innovations- und Gründerzentren schaffen wir Perspektiven. Ergänzend ermöglichen flexible Bildungsangebote und ein neues „Lebenschancen-BAföG“ auch älteren Arbeitskräften die Chance auf Weiterbildung und Umschulung. Gleichzeitig wollen wir internationale Berufsbildungsmobilität durch einen Deutschen Beruflichen Austauschdienst (DBAD) fördern.

Attraktive Arbeitsbedingungen sind essenziell, um Berufe im Pflege- und Handwerkssektor wieder lohnender zu machen. Die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes gibt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten besser auf ihre individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Leistungsorientierte Vergütungssysteme und der Abbau bürokratischer Hürden schaffen zusätzlich Anreize.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erleichterung von Zuwanderung und Integration von qualifizierten Arbeitskräften. Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse wollen wir digitalisieren und beschleunigen, damit Fachkräfte schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Sprach- und Integrationskurse sollen modular und arbeitsmarktorientiert gestaltet werden, sodass Zugewanderte frühzeitig ihre Kompetenzen einbringen können. So schaffen wir eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt statt in die sozialen Sicherungssysteme.

nussbaum.de: Was die Wirtschaft zudem zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Wie entkommen wir diesem Dilemma?

Nusser: Wir schlagen vor, Bürokratie gezielt und nachhaltig abzubauen, um Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu entlasten. Dazu wollen wir ein dreijähriges Moratorium einführen, das neue Belastungen verhindert, sowie ein „bürokratiefreies Jahr“, in dem Betriebe keine Berichtspflichten erfüllen müssen. Mit einem jährlichen Bürokratieentlastungsgesetz, der Vereinfachung des Bundesrechts und Maßnahmen wie Sunset-Klauseln und automatischen Genehmigungen schaffen wir mehr Effizienz. Darüber hinaus setzen wir auf die Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht und den Abbau unnötiger EU-Regulierungen

nussbaum.de: Der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es nach 2030 keine Untergrenze mehr für das Rentenniveau. Gleichzeitig werden junge Menschen historisch hohe Beiträge zahlen müssen. Wie können wir dem begegnen?

Nusser: Die Freien Demokraten sehen die Stabilität der Rente angesichts des demografischen Wandels als eine der größten Herausforderungen für unser Sozialsystem. Um ein sinkendes Rentenniveau und eine übermäßige Belastung der jungen Generation zu vermeiden, setzen wir auf zukunftsweisende Reformen:

Wir wollen den Renteneintritt flexibler gestalten. Nach schwedischem Vorbild sollen Menschen selbst entscheiden können, wann sie in Rente gehen – je später der Ruhestand, desto höher die Rente. Teilrenten machen einen schrittweisen Übergang möglich. Zudem setzen wir auf die Einführung einer gesetzlichen Aktienrente, bei der ein kleiner Teil der Beiträge in unabhängige Fonds fließt, um die gesetzliche Rente durch kapitalgedeckte Elemente zu ergänzen und langfristig ein steigendes Rentenniveau zu sichern.

Darüber hinaus wollen wir die private Altersvorsorge durch ein steuerlich gefördertes Altersvorsorgedepot stärken. Erträge und Umschichtungen innerhalb des Depots sollen steuerfrei sein, um den Vermögensaufbau zu erleichtern. Auch in der betrieblichen Altersvorsorge möchten wir durch höhere Flexibilität und klare Regelungen mehr Betriebe einbinden. Gleichzeitig setzen wir auf eine Begrenzung der Sozialabgaben auf maximal 40 Prozent, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entlasten und die Finanzierung langfristig auf eine stabile Basis zu stellen.

nussbaum.de: Obwohl Deutschland 2024 seine Klimaziele erfüllt hat, hinkt der Verkehrssektor weiterhin hinterher. Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zielführend, um hier aufzuholen?

Nusser: Wir Freie Demokraten erkennen die Dringlichkeit, den Verkehrssektor auf Kurs zu bringen, um die Klimaziele langfristig zu erreichen. Hierfür setzen wir auf eine technologieoffene, innovationsgetriebene und marktwirtschaftliche Strategie, die ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Vernunft miteinander verbindet.

Zentral für uns ist, den europäischen Emissionshandel als Leitinstrument auszubauen. Ein einheitlicher CO₂-Preis sorgt dafür, dass Emissionen dort reduziert werden, wo es am effizientesten ist. Um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, setzen wir auf technologieoffene Maßnahmen und den weiteren Ausbau klimaneutraler Antriebstechnologien. Der Fokus auf den Lebenszyklus eines Fahrzeugs anstelle reiner Abgaswerte ist essenziell, um realistische und ganzheitliche Klimaziele zu erreichen.

Wir möchten zudem Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte drastisch beschleunigen. Der Ausbau moderner, emissionsarmer Verkehrsnetze – ob Fahrradweg, Schiene, Straße oder digitale Mobilität – muss Vorrang haben, um Deutschland zu einer Mobilitätsnation zu machen. Im öffentlichen Nahverkehr fördern wir Innovationen wie flexible On-Demand-Angebote, die digitale Vernetzung von Verkehrsträgern und eine wettbewerbsorientierte Schienenpolitik. Starre Strukturen müssen durch effiziente und bedarfsgerechte Lösungen ersetzt werden.

Zusätzlich fordern wir marktwirtschaftliche Anreize, etwa die Förderung autonomer und effizienter Mobilitätskonzepte, um Staus und Emissionen zu reduzieren. Unser Ziel ist eine klimaneutrale Mobilität, die sowohl bezahlbar als auch zukunftssicher ist. Nur durch Pragmatismus und Innovationsfreude kann Deutschland seine Vorreiterrolle in der Mobilität sichern.

nussbaum.de: Werden Sie sich für das Weiterbestehen des Deutschlandtickets in den nächsten Jahren starkmachen?

Nusser: Ja, wir Freie Demokraten setzen uns nachdrücklich für das Weiterbestehen des Deutschlandtickets in den kommenden Jahren ein. Es hat den Tarifdschungel im öffentlichen Nahverkehr erheblich vereinfacht und einen wichtigen Schritt zu einer modernen und flexiblen Mobilität in Deutschland ermöglicht. Allerdings sehen wir Handlungsbedarf, um das Deutschlandticket nachhaltig zu sichern. Hierzu gehören strukturelle Reformen bei den Verkehrsverbünden und Ländern, die ihre starren und ineffizienten Strukturen aufbrechen müssen. Zudem setzen wir auf Digitalisierung und die bessere Vernetzung der Verkehrsträger, um nahtlose Mobilitätsketten zu schaffen. Flexible und bedarfsgerechte Angebote sowie Innovationen im ÖPNV sind für uns unverzichtbar, um Mobilität individueller, klimafreundlicher und bezahlbar zu gestalten.

nussbaum.de: Die Verschuldung der Kommunen steigt rasant an, gleichzeitig gibt es immer mehr Pflichtaufgaben. Gerade kleinere Kommunen haben es immer schwerer. Braucht es neue Finanzierungsmodelle für die Kommunen?

Nusser: Die steigende Verschuldung der Kommunen und die wachsenden Pflichtaufgaben stellen eine massive Belastung dar, vor allem für kleinere Kommunen. Wir Freie Demokraten fordern daher eine Reform des Finanzföderalismus, die klare Zuständigkeiten und eine faire Verteilung der finanziellen Mittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen sicherstellt.

Konkret wollen wir den kommunalen Finanzausgleich anpassen und die Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund auf ein Minimum beschränken. Gleichzeitig setzen wir auf eine umfassende Entbürokratisierung und Digitalisierung der Verwaltung, um Kosten zu senken und Prozesse effizienter zu gestalten. Die Einführung moderner Finanzierungsmodelle wie öffentlich-private Partnerschaften und die Förderung interkommunaler Zusammenarbeit sollen zusätzliche Ressourcen erschließen und Synergien schaffen.

Unser Ziel ist ein schlanker, leistungsfähiger Staat, der den Kommunen ausreichend finanzielle Freiräume lässt, um ihre Aufgaben eigenverantwortlich und nachhaltig zu erfüllen.

nussbaum.de: Populistische Forderungen, Tendenzen zu extremistischen Positionen, Verrohung der politischen Debatte – nennen Sie konkrete Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken.

Nusser: Wir Freien Demokraten setzen auf Bildung und politische Aufklärung, um Populismus und Extremismus entgegenzuwirken. Demokratische Werte und Toleranz müssen früh vermittelt und gestärkt werden. Gleichzeitig fordern wir eine offene Debattenkultur, die Meinungsfreiheit schützt und konstruktive Diskussionen ermöglicht. Gegen Extremismus treten wir entschieden mit besserer wissenschaftlicher Expertise in den Sicherheitsbehörden und klaren rechtlichen Maßnahmen ein. Durch die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Stärkung der Zivilgesellschaft wollen wir Spaltungen überwinden. Eine faktenbasierte öffentliche Debatte und der Schutz vor Desinformation sind essenziell für eine starke Demokratie, die sich auf Vernunft und Offenheit stützt.

Die Fragen stellte Kevin Moschner für nussbaum.de.

Alle Infos zum Wahlkreis sowie Gespräche mit weiteren Kandidaten gibt es hier.

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von Redaktion NUSSBAUM
30.01.2025
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