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Wahlkreis Heidelberg

Bundestagswahl: 10 Fragen an Franziska Brantner (Grüne)

Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner will im Wahlkreis Heidelberg ihr Direktmandat verteidigen. Ihr Einzug in den Bundestag gilt als sicher.
Franziska Brantner will das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg verteidigen.
Franziska Brantner will das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg verteidigen.Foto: Elias Keilhauer

nussbaum.de: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis?

Brantner: Ein großes Thema ist natürlich das Wohnen. Wo findet man Wohnraum, wie bezahlbar ist er, und wie viel Platz gibt es überhaupt? Das beschäftigt viele Menschen hier. Ich setze mich dafür ein, dass Wohnen für alle bezahlbar bleibt. Unsere Region zieht Menschen an – viele wollen hier leben –, und das ist ein großer Unterschied zu Regionen, aus denen eher Menschen wegziehen. Diese Attraktivität bringt Herausforderungen mit sich: Wo wird gebaut, wie wird saniert, und wie schaffen wir genügend Kindergartenplätze, eine verlässliche Betreuung, und die entsprechende Infrastruktur? Das ist eine echte Aufgabe bei uns und dafür braucht es mehr Investitionen und Vereinfachungen, damit das funktioniert.

Auch die Wirtschaft spielt eine zentrale Rolle. Wir haben viele innovative Unternehmen und Start-ups in der Region. Heidelberg hat sogar deutschlandweit die meisten Gründungen pro Kopf. Mir geht es darum, diese Unternehmen zu stärken und ihnen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit sie ihre Technologien tatsächlich auf den Markt bringen können und sich nicht mit Bürokratie umherschlagen müssen. Wir haben hier viele kluge Menschen, aber wir müssen auch in unsere Region investieren und eine gute Infrastruktur schaffen wie bezahlbaren Wohnraum, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Freizeitangebote für junge Menschen, um sie und ihre Unternehmen hier zu halten.

Auch im Gesundheitsbereich, etwa mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und den Biotech-Unternehmen der Region, steckt enorme Innovationskraft. Für Einrichtungen wie dem DKFZ und den vielen Biotech-Unternehmen konnten wir bereits hier zum Beispiel klinische Studien im Bereich der Medizinforschung erleichtern, damit sie hier in der Region noch besser arbeiten können.

Und natürlich das Thema Sicherheit, bei dem wir bundesweit die Sicherheitsbehörden stärken und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessern müssen, damit Gefährder lückenlos überwacht werden. Dazu gehört auch, alle Asylverfahren zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass unsere europäischen Partner die Menschen zurücknehmen, für deren Asylverfahren sie zuständig sind. Migrationsabkommen müssen zur Chefsache gemacht werden, damit Menschen ohne Aufenthaltsrecht zügig in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt werden können.

Aber einfach alle Grenzen zu schließen, würde unser Europa kaputt machen. Grenzschließungen würden gerade den Menschen und den Unternehmen in den Grenzregionen schaden und massiv Personal bei der Polizei binden, das etwa bei der Schleierfahndung gezielter eingesetzt werden könnte. Und wichtig für unsere Region ist: Wir sind und bleiben eine weltoffene Region und wissen, dass unsere Kraft auch darauf aufbaut, dass viele Menschen bei uns mit anpacken und sich hier einbringen.

Zuletzt bleibt da auch noch der Verkehr. Es geht um bessere Anschlussmöglichkeiten, den öffentlichen Nahverkehr, den Straßenzustand, die Sanierung von Straßen, aber auch um die Barrierefreiheit von Bahnhöfen…

nussbaum.de: Was würden Sie im Rückblick auf die letzte Legislatur als bisher größten erzielten Erfolg für die Region bezeichnen und wo sehen Sie aktuell den dringendsten Handlungsbedarf?

Mit Blick auf die Region haben wir die gesetzlichen Grundlagen für eine mögliche Klinikfusion Mannheim und Heidelberg geschaffen. Das ist ein wesentlicher Schritt, um den Gesundheitsstandort hier langfristig zu sichern und die medizinische Versorgung auf hohem Niveau zu halten.

Ein weiterer Erfolg betrifft die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur. Besonders die Strecke Mannheim in Richtung Frankfurt wurde endlich saniert. Das ist nicht nur wichtig für Pendler, sondern auch für die wirtschaftliche Attraktivität unserer Region.

Außerdem haben wir bürokratische Hürden im Gesundheitssektor abgebaut, was hier in der Region direkt spürbar ist, da viele Arbeitsplätze davon abhängen. Und auch für Schulsanierungen und die Sanierung von Kultureinrichtungen, zum Beispiel in Laudenbach oder Heidelberg, habe ich mich eingesetzt. Es gibt da einiges wie die Förderung der Schwimmbadsanierung in Ladenburg, wo ich mich erfolgreich eingesetzt habe, wenn es darum geht, dass wir in der Region nicht zu kurz kommen, wenn Bundesgelder verteilt werden.

nussbaum.de: Mieten, Lebensmittel, Energiekosten – die Preise in diesen Bereichen bleiben nach wie vor auf hohem Niveau. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Preise wieder zu senken?

Brantner: Klar ist, das Leben muss wieder bezahlbar werden. Ein wesentlicher Teil der Inflation wurde durch die Energiepreiskrise verursacht, denn Energiepreise schlagen sich fast in allen Produkten und Dienstleistungen nieder. Die Energiepreiskrise wurde durch den Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine entfacht. Wir haben erfolgreich dagegengehalten – unter anderem durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien. Glücklicherweise sind die Energiepreise mittlerweile wieder deutlich gesunken. Das haben wir durch schnelle Maßnahmen wie den zügigen Bau von LNG-Terminals erreicht. Jetzt geht es darum, die Preise dauerhaft niedrig zu halten.

Das Problem sind dabei weniger die Gestehungskosten von Solar- und Windenergie – diese sind günstig –, sondern die sogenannten Systemkosten, also die Transportkosten von A nach B, vom Norden zu uns. In der Vergangenheit wurden viele tausend Kilometer Netzausbau geplant, jedoch ohne tragfähige Finanzierungsmodelle. Das war unverantwortlich von den vorherigen Bundesregierungen. Jetzt spüren wir die Konsequenzen: Die Netzentgelte belasten die Verbraucher, weil die Kosten auf wenige Generationen umgelegt werden. Unser Vorschlag ist es, diese Kosten über mehrere Generationen zu strecken. Die ersten Bahnkunden mussten damals auch nicht die gesamte Infrastruktur bezahlen. Das ist entscheidend, um die Energiekosten niedrig zu halten. Außerdem wollen wir für alle die Stromsteuer auf das europäisch vorgegebene Minimum absenken.

Ein weiteres Thema ist die günstige Mobilität. Mit dem Deutschlandticket, einer Idee, die wir Grünen eingebracht haben, haben wir bereits einen großen Schritt gemacht. Über 13 Millionen Menschen nutzen es – darauf bin ich sehr stolz. Aber wir müssen weiterhin an bezahlbarer Mobilität arbeiten, das Deutschlandticket dauerhaft bezahlbar halten und mehr in eine verlässliche Bahn investieren.

Und natürlich ist die Wohnenfrage eine zentrale soziale Herausforderung. Wir setzen uns für die Verlängerung der Mietpreisbremse und das Schließen von Schlupflöchern ein, was gerade in unserer Region relevant ist. Gleichzeitig müssen wir das Bauen günstiger machen, etwa durch Entbürokratisierung, bessere Kredite und die Förderung von Bausparverträgen. Es geht darum, sowohl Mieten als auch Baukosten zu senken – beides muss bezahlbarer werden.

nussbaum.de: Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas - Tendenz steigend. Wie kann man hier gegensteuern?

Brantner: Es gibt mehrere Hebel, die wir nutzen können. Der erste Schritt ist, das Arbeitspotenzial, das wir bereits im Land haben, besser auszuschöpfen. Zum Beispiel, indem wir Anreize schaffen, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Ein Vorschlag, der in der Bundesregierung diskutiert wurde – leider aber nicht umgesetzt wurde –, war, dass Menschen, die über das Rentenalter hinaus arbeiten, von bestimmten Beiträgen wie zur Arbeitslosenversicherung befreit werden. Solche Anreize können einen Unterschied machen.

Wichtig ist auch eine starke und verlässliche Kinderbetreuungsinfrastruktur. Gerade Frauen, die arbeiten möchten, müssen darauf zählen können, dass ihre Kinder gut betreut sind. Es geht darum, Wahlfreiheit zu schaffen. Allein die bessere Nutzung dieses Potenzials würde bereits viel bewirken.

Drittens müssen wir sicherstellen, dass Menschen, die schon hier sind, arbeiten dürfen. Viele Menschen hatten in Deutschland bisher Arbeitsverbote, obwohl sie arbeiten wollten und nicht nur von Steuergeldern leben. Wir haben das geändert, sodass es nun einfacher ist, für Flüchtlinge eine Arbeit aufzunehmen, als Sozialhilfe zu beziehen.
Natürlich bleibt auch die Frage nach mehr qualifizierter Einwanderung. Wir haben bereits Prozesse vereinfacht, etwa bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Wir müssen diesen Weg weitergehen und gezielt mehr Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben.

Schließlich spielt auch die Digitalisierung, insbesondere durch KI, eine wichtige Rolle. Viele Prozesse können durch den Einsatz von KI effizienter gestaltet werden, was ebenfalls helfen kann, den Fachkräftemangel zu entschärfen.

nussbaum.de: Was die Wirtschaft zudem zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Wie entkommen wir diesem Dilemma?

Brantner: Was zum Abbau nötig ist, ist zum einen, Gesetze auszumisten, so wie wir es bei den Erneuerbaren gemacht haben. Da war etwa bei den Balkonsolarkraftwerken selbst für den Stecker ein extra Antrag nötig, oder auch eine Steuererklärung für die Solaranlage auf dem Dach. Da haben wir viel unnötige Bürokratie weggehauen und müssen es in vielen anderen Bereichen auch noch machen.

Es geht nicht nur um die Gesetzeslage, sondern auch um die praktische Umsetzung. Mit unserem Föderalstaat sind wir da nicht gerade im Wettbewerbsvorteil. Deswegen glaube ich, dass wir eine umfassende Staatsreform brauchen, bei der die Zuständigkeiten klarer verteilt werden. Wir sollten uns fragen: Wer kann bestimmte Aufgaben am besten und schnellsten übernehmen? Müssen wirklich alle Kommunen eigenständig Reisepassanträge digitalisieren, oder sollte das zentralisiert werden?

Gleichzeitig ist es wichtig, den Kommunen mehr finanzielle Mittel an die Hand zu geben, die sie flexibel und eigenständig einsetzen können.

Ein entscheidender Punkt ist außerdem die Digitalisierung. Deutschland hinkt in diesem Bereich hinterher. Mein Ziel ist eine Deutschland-App – ähnlich wie es sie in Estland oder anderen Ländern gibt. Dort können Bürger oder Unternehmen ihre Daten einmalig hinterlegen, und diese stehen dann für alle relevanten Behörden zur Verfügung. Man muss also nicht immer wieder dieselben Daten an zig Stellen neu einreichen. Das ist keine technische Hürde, sondern eine Frage des politischen Willens.

Ich weiß, dass das eine große Aufgabe ist, aber es ist längst überfällig, dass wir diese Herausforderung endlich angehen.

nussbaum.de: Der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es nach 2030 keine Untergrenze mehr für das Rentenniveau. Gleichzeitig werden junge Menschen historisch hohe Beiträge zahlen müssen. Wie können wir dem begegnen?

Wir stehen hier vor einem demografischen Wandel, der durch die Boomer-Generation und den medizinischen Fortschritt – der ja etwas Positives ist – verstärkt wird. Damit das Rentensystem nachhaltig bleibt, möchten wir eine zusätzliche Einkommensquelle in die Rente einbringen.

Konkret planen wir in der ersten Säule des Rentensystems, die umlagefinanziert ist, eine kapitalgedeckte Komponente einzuführen. Das bedeutet, dass ein Teil der Beiträge in Unternehmen, Start-ups und andere Investitionen in Deutschland und Europa fließen würde. Die erzielten Dividenden könnten dann zurück in die Rentenversicherung fließen und eine neue Einnahmequelle schaffen.

Dieser Rentenfonds oder Bürgerfonds, wie wir ihn nennen, hätte zwei Ziele: Einerseits würde er die Rente stabilisieren, andererseits würde er dazu beitragen, dass mehr Kapital in deutsche Unternehmen fließt, was wiederum unserer Wirtschaft zugutekommt.

Man darf da aber auch nicht mehr versprechen. Es gibt Parteien, die fordern, das System weiter auszubauen, aber ich denke, es ist realistischer, das aktuelle Niveau durch solche zusätzlichen Maßnahmen zu sichern. Außerdem sollten Aufgaben, die eigentlich steuerfinanziert sein sollten, aus der Rentenversicherung herausgenommen werden, um das System zu entlasten.

Obwohl Deutschland 2024 seine Klimaziele erfüllt hat, hinkt der Verkehrssektor weiterhin hinterher. Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zielführend, um hier aufzuholen?

Nun ja, 2024 war das erste Jahr, in dem bei der Deutschen Bahn mehr repariert wurde, als kaputt gegangen ist. Das ist eine wichtige Trendwende, die nicht vom Himmel gefallen ist, sondern weil wir massiv in die Bahn investiert haben. Außerdem haben wir eine neue Herangehensweise an die Instandhaltung etabliert. Das konnte man bei uns in der Region sehen, als die Riedbahnstrecke einmal komplett am Stück saniert wurde, anstatt immer nur kleine Abschnitte auszubessern, was nie wirklich funktioniert hat.

Diese Missstände, die wir nun aufarbeiten, tragen die Handschrift von Verkehrsministern wie Ramsauer, Dobrindt und Scheuer. Wenn wir jetzt nicht dranbleiben und weiter investieren, dann wird die Deutsche Bahn irgendwann gar nicht mehr funktionieren. Das ist eine der zentralen Aufgaben im Verkehrsbereich: die Bahn zu stärken und kontinuierlich zu modernisieren – das erfordert noch viel mehr Mittel.

Auch bei der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge gibt es nicht nur Nachholbedarf bei der Anzahl der Ladesäulen, sondern auch bei der Standardisierung – etwa bei einheitlichen Bezahlsystemen und besserer Benutzerfreundlichkeit. Das sind wichtige Schritte, um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität zu erleichtern.
Außerdem gibt es Maßnahmen, die nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern auch Menschenleben retten, wie ein Tempolimit. Dieses Thema wird oft diskutiert, aber der Hauptaspekt ist tatsächlich die Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Wir haben auch den Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit gegeben. Zum Beispiel bekommen Städte und Gemeinden jetzt mehr Möglichkeiten zu entscheiden , wo Tempo-30-Zonen eingerichtet werden sollen. Früher war das an sehr starre Vorgaben gebunden – beispielsweise musste es erst eine Zahl von Unfällen geben, bevor etwas umgesetzt wurde. Die Kommunen haben da jetzt mehr Entscheidungsspielräume, etwa bei Spielplätzen oder bei Schulwegen, wie es meiner Meinung nach auch sein sollte.

Aber klar ist: Die Bahn wieder zuverlässig und klimafreundlich in den Takt zu bringen, bleibt eine riesige Mammutaufgabe.

nussbaum.de: Werden Sie sich für das Weiterbestehen des Deutschlandtickets in den nächsten Jahren starkmachen?

Brantner: Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Deutschlandticket verlängert wird – und das bis Ende dieses Jahres. Aber natürlich setzen wir uns dafür ein, das Ticket und den Preis auch danach weiter zu sichern. Es gibt ja einige Parteien, die antreten und sagen, sie wollen es abschaffen. Deswegen muss man sich als Wähler schon überlegen, wer das Ticket weiterhin unterstützt.

Übrigens: Wir wollen nicht nur den öffentlichen Nahverkehr stärken, sondern auch denen helfen, die ihn nicht nutzen können – zum Beispiel, weil das Angebot in ländlichen Regionen nicht ausreicht oder die Erreichbarkeit schwierig ist. Deshalb setzen wir uns für einen Zuschuss zum Führerschein ein, vor allem für Auszubildende. Der Führerschein ist heute viel teurer geworden, im Vergleich zu meiner Generation. Deswegen wollen wir bürokratische Hürden abbauen und den Auszubildenden helfen, sich den Führerschein leisten zu können.

nussbaum.de: Die Verschuldung der Kommunen steigt rasant an, gleichzeitig gibt es immer mehr Pflichtaufgaben. Gerade kleinere Kommunen haben es immer schwerer. Braucht es neue Finanzierungsmodelle für die Kommunen?

Brantner: Das ist eine berechtigte Frage. Viele Gesetze, wie das Bundesteilhabegesetz, wurden bereits in der vorherigen Legislaturperiode verabschiedet und treten nun schrittweise in Kraft – oft mit hohen Kosten. Auch der Kita-Ausbau ist ein Beispiel. Der Bund kann jedoch nicht direkt an die Kommunen zahlen, sondern stellt Gelder den Bundesländern zur Verfügung. Für den Kita-Ausbau haben wir für die nächsten zwei Jahre noch einmal vier Milliarden Euro bereitgestellt.

Wichtig ist auch die Sanierung der Infrastruktur. Die Kosten hierfür sind einfach extrem hoch. Wir glauben nicht, dass Kommunen diese Aufgaben allein aus laufenden Haushalten finanzieren können, und setzen uns deshalb für einen Deutschlandfonds ein, der genau diese kommunalen Infrastruktursanierungsprojekte finanziert. Das halte ich für dringend nötig, sei es bei Schulen, Sporthallen, Brücken oder Straßen. Dieser Sanierungsbedarf kann aus den regulären kommunalen Haushalten kaum gestemmt werden. Das ist einfach extrem schwierig und deshalb haben wir ein Angebot im Programm, um Kommunen gezielter zu entlasten.

Ein wichtiger Punkt ist die langfristige Finanzierung. Es ist sinnvoll, größere Programme mit längeren Laufzeiten zu schaffen, anstatt immer nur kurzfristige Projekte zu fördern. Genau das haben wir mit dem Startchancen-Programm umgesetzt, dem bisher größten Bildungsprogramm zwischen Bund und Ländern. Es ist auf zehn Jahre und 20 Milliarden Euro angelegt. Natürlich könnte man sagen, zehn Jahre seien immer noch zu kurz, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Kurzfristige Programme führen oft dazu, dass Antrags- und Abrechnungsprozesse zu viel Zeit in Anspruch nehmen und am Ende kaum Laufzeit bleibt. Wir brauchen mehr Langfristigkeit und weniger Kleinprojekte.

nussbaum.de: Populistische Forderungen, Tendenzen zu extremistischen Positionen, Verrohung der politischen Debatte – nennen Sie konkrete Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken.

Auf gesetzlicher Ebene haben wir mit dem Digital Services Act (DSA) auf europäischer Ebene einen wichtigen Schritt gemacht. Dieses Gesetz verpflichtet Plattformen, Regeln und Gesetze der EU auch im digitalen Raum durchzusetzen. Was offline nicht erlaubt ist, darf online ebenfalls nicht geduldet werden. Im Digitalen ist es aber bisher so, dass man leicht mit allem davonkommt. Aber da kann die Europäische Kommission jetzt Plattformen wie X oder TikTok stärker in die Pflicht nehmen, und ich hoffe, sie nutzt diese Möglichkeiten konsequent.

Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig das ist: Nach dem entsetzlichen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden antisemitische Inhalte auf Plattformen wie X nur unzureichend entfernt. Die EU-Kommission hat daraufhin ein Verfahren gegen X eingeleitet. Es ist besorgniserregend, dass solche Maßnahmen sogar geopolitische Spannungen hervorrufen können – wie die Reaktion des US-Vizepräsidenten Vance zeigt, der die Durchsetzung der europäischen Gesetze mit der NATO-Frage verknüpft hat. Aber das darf uns nicht davon abhalten, unsere Werte und Gesetze zu verteidigen.

Langfristig müssen wir auch in Europa eigene digitale Plattformen aufbauen, um unabhängiger von internationalen Akteuren zu werden. Momentan dominieren TikTok (chinesisch), X und Facebook (amerikanisch) sowie Telegram (russisch). Europa braucht eigene starke Plattformen, die demokratischen und transparenten Prinzipien folgen.
Und am Ende bleibt aber immer auch der Bürger oder die Bürgerin, die sich auch überlegen muss, was man teilt oder ob man das doch noch mal hinterfragt. Ich glaube, das ist auch nicht immer ganz einfach, sich zu besinnen, wie man mit Wut umgeht und das im Netz auch entsprechend durchzuhalten.

Die Fragen stellte Kevin Moschner für nussbaum.de.

Alle Infos zum Wahlkreis sowie Gespräche mit weiteren Kandidaten gibt es hier.

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Politik
von Redaktion NUSSBAUMKevin Moschner
03.02.2025
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