Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Mit einer Sternfahrt aus dem Umland, einer Ausstellung von „Soldatenbrettern“ unter dem Aufruf „Nie wieder Krieg“ sowie einer zentralen Gedenkveranstaltung hat die Stadt Philippsburg an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnert.
Eine Gedenkfeier am 8. Mai und die AfD lädt zum Stammtisch ein!
Die entsprechende Veröffentlichung der AfD im Stadtanzeiger vom 3. Mai liest sich wie im „Völkischen Beobachter“. So lautet die Aussage von zwei Bürgern, die mich am Samstag direkt angerufen haben.
Zum einen hatte ich zu diesem Zeitpunkt den Stadtanzeiger noch nicht, zum anderen hätte ich den Bericht der AfD auch nicht gelesen.
Der 8. Mai ist in Deutschland der „Tag der Befreiung“ vom Nationalsozialismus und markiert das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa.
Als Gedenktag erinnert er an das Ende einer verbrecherischen Diktatur und an die Wiedergewinnung von Freiheit und Menschenwürde.
Umso befremdlicher ist es, dass die AfD dieses historische Datum für eine Einladung zu einem Stammtisch unter dem Motto
„Gemeinsam für Deutschland – Patrioten und Mitstreiter für unsere Heimat“ instrumentalisiert.
Die AfD benutzt den Tag der Befreiung rein als Werbeplattform, ohne einmal die zentrale Botschaft des 8. Mai – die Mahnung gegen Totalitarismus und die Verpflichtung zur Wahrung der Menschenwürde – aufzugreifen.
Dieses Vorgehen verkennt nicht nur den Sinn dieses Tages, sondern untergräbt auch den Geist der Versöhnung und der Freiheit, für den wir vor acht Jahrzehnten einen hohen Preis bezahlt haben.
Zum Inhalt und zur Wortwahl des AfD-Aufrufs:
(„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,“) – Der höfliche Einstieg suggeriert Nähe und Gemeinsinn.
Doch es folgt keine Einladung zum Gedenken, sondern zum Stammtisch: kein Blick zurück auf die Gräber und Mahnmale, sondern der Blick nach vorn – in eine Politik der Ausgrenzung.
„Patrioten und Mitstreiter für unsere Heimat!“ –Hier treffen wir auf den Kern einer völkischen Rhetorik.
• Patrioten – wer ist das und wer ist es nicht?
• Mitstreiter – welches Schlachtfeld ist gemeint?
Zum Tag der Befreiung hätte man erwarten dürfen, dass die Partei zumindest die einfache Botschaft aufgreift: Nie wieder Krieg, nie wieder Diktatur. Stattdessen wird ein exklusives Wir-Gefühl entworfen, das uns zurückwirft in dunkelste Zeit unserer Geschichte.
„Die Zeit ist reif, unsere Stimmen zu erheben und für ein starkes, freies und souveränes Deutschland einzustehen.“
Freiheit und Souveränität sind zweifellos unverzichtbare Werte unserer Verfassung. Doch hier wird im Tonfall ein Kriegsruf beschworen, anstatt eine demokratische Debatte zu eröffnen.
Die wahren Verteidiger unserer Demokratie erheben ihre Stimme nicht mit Kampfmetaphern, sondern mit Sachargumenten und mit Respekt – auch und gerade gegenüber Minderheiten.
„Wir stehen Schulter an Schulter für Tradition, Freiheit und Sicherheit – gegen Bevormundung und den Ausverkauf unserer Heimat!“
Tradition, Freiheit und Sicherheit sind zentrale Elemente unserer Grundordnung.
Doch echte Verantwortung bedeutet, diese Werte ohne Feindbilder zu verteidigen. Wer „Bevormundung“ und „Ausverkauf“ der Heimat anprangert, ohne zu benennen, wen er damit meint, nährt Misstrauen und spaltet die Gesellschaft.
Unsere Stadtgesellschaft lebt von Vielfalt. Wer das leugnet, tritt die Würde des Einzelnen mit Füßen.
„Seid dabei, zeigt Flagge und bringt eure Leidenschaft für unser Land mit!“
Flaggen können Stolz bedeuten – sie können aber auch Ausgrenzung signalisieren, wenn sie wie hier als alleinige Identitätsstifter dienen.
Für uns bedeutet Leidenschaft für unser Land, sich im Sportverein, in der Kirche, für die Kultur, in der Seniorenarbeit, in der Betreuung von Spätaussiedlern oder in der Flüchtlingshilfe zu engagieren.
Aber nicht am Stammtisch, an dem exotische Feindbilder propagiert werden.
„Gemeinsam sind wir unaufhaltsam!“ Dieser Satz klingt kraftvoll, und ja: Er beschreibt, was wir als Gesellschaft erreichen können, wenn wir zusammenstehen – für Respekt, für Demokratie, für ein friedliches Miteinander.
Dieser Satz wird missbraucht und verliert daher seine Menschlichkeit.
Aus Zusammenhalt wird Ausschluss, aus Stärke wird Drohung.
Dagegen stellen wir uns klar: Unser ‚Gemeinsam‘ schließt niemanden aus.
Unser ‚Unaufhaltsam‘ richtet sich nicht gegen andere, sondern gilt dem Ziel, eine offene und gerechte Gesellschaft zu gestalten.
Gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes muss sich jede Partei demokratischen Grundsätzen verschreiben und öffentlich Rechenschaft ablegen.
Demokratische Grundsätze verlangen Transparenz, Pluralismus und die Achtung der Grundrechte. Die Einladung der AfD setzt hingegen auf eine exklusive „Wir-Gruppe“ und Kampfmetaphorik statt auf einen offenen Diskurs.
Der Bericht und die Stammtischeinladung zum 8. Mai sind respektlos. Die Wortwahl ist ausgrenzend und diskriminierend.
Echter Patriotismus bedeutet, ehrfürchtig und demütig am Kriegsgräberfeld zu gedenken, die Opfer zu ehren und sich zu Frieden und Menschlichkeit zu bekennen.
Er steht für ein vereintes Europa, für eine vielfältige Gesellschaft und für die unantastbare Würde des Menschen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
lassen Sie uns weiter gemeinsam stehen – nicht Schulter an Schulter gegen vermeintliche Feinde, sondern Hand in Hand für Freiheit, Demokratie und Frieden!
Denn nur so bleibt Deutschland auch in Zukunft stark, frei und souverän!
Der 8. Mai ist ein Gedenktag: Der 80. Jahrestag der Befreiung steht für Frieden und Freiheit – auch für alle kommenden Generationen.
„Sei nicht gleichgültig“, das war die klare Botschaft der Gedenkfeier.
Demokraten stehen für Frieden, Freiheit und ein souveränes Europa.
Ich komme noch einmal auf den Inhalt und die Wortwahl des Stadtanzeiger-Artikels vom 3. Mai 2025 zurück und gebe dem Verfassungsschutz recht:
Wer so denkt, schreibt und handelt, ist „gesichert rechtsextremistisch!“
Als CDU-Gemeinderäte erwarten wir von den Vertretern der AfD in diesem Gremium eine förmliche Entschuldigung und eine deutliche Distanzierung!
Hans-Gerd Coenen
Fraktionsvorsitzender