Die diesjährige Sommerführung von Stadtarchivleiter Klaus Herrmann geht um die Gerlinger Heide mit vielen Geschichten und Anekdoten.
Die Heidelandschaft beiderseits der heutigen Straße Solitude – Leonberg ging einst vom Engelberg bis zur Einmündung der heutigen Bopserwald-/Talstraße. Das Gebiet um das heutige Gasthaus „Schillerhöhe“ war die „vordere Heide“. Die Heide und der angrenzende Wald waren Weidefläche insbesondere für Schafe. Auf der Gerlinger Heide wurde um 1850 Obstbau betrieben, im 1. Weltkrieg wurden Kartoffeln angebaut. Alle diese Bemühungen dauerhaft beizubehalten, scheiterten jedoch daran, dass die nährstoffarmen, flachgründigen Böden auf der Heide hierfür ungeeignet sind.
Auf der Leonberger Seite wurde 1926 durch den Stuttgarter Golfclub „Solitude“ ein Golfplatz angelegt, der nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern genutzt wurde. Präsident des Clubs war viele Jahre lang der Industrielle Robert Bosch. Gerlingen begann Ende der 20er und in den 30er Jahren an der nördlichen Seite der Gerlinger Heide Grundstücke für Wohn- oder Wochenendhäuser zu verkaufen. Eine Anfang der 30er Jahre in der Presse geführte öffentliche Diskussion verhinderte eine großflächige Bebauung der Gerlinger Heide. Geplant war, das Heidegelände südlich der heutigen Hermann-Löns-Straße zu bebauen. Nach dem Bau der Autobahn wurde im Jahr 1941 das Heidegelände zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, 1992 wurde die Gerlinger Heide Naturschutzgebiet. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde auf der Heide eine Motocross-Übungsstrecke eingerichtet, auch befand sich in dieser Zeit eine Funkstation der Amerikaner auf der Heide. Heute sind 19 Vogelarten bekannt, die auf der Heide vorhanden sind. Eine große Vegetationsvielfalt mit Magerwiesen, Wacholderheiden und Kiefernwald ist auf dem 15 ha großen Heidegelände anzutreffen.
Die wechselhafte Geschichte des Schafstalls auf der Heide
Der Vorläufer des heute auf der Gerlinger Heide stehenden, 1973 erbauten Schafstalls hat eine sehr wechselvolle Geschichte. 1929 wurde an dieser Stelle erstmals ein Schafstall errichtet. Dieses Gebäude diente bereits zwei Jahre später dem Heimatwerk Stuttgart als Arbeitsdienstlager für Notstandsarbeiter. Nachdem die Notstandsarbeiten im Dezember 1933 eingestellt wurden, kaufte die Gemeinde den Schafstall und vermietete ihn an die Hitlerjugend als Freizeitlager und Betriebsführerschule. Von April 1944 bis zum Kriegsende waren 53 Zwangsarbeiter aus Böhmen, Russland, Polen und anderen Ländern dort untergebracht, die im Engelbergtunnel arbeiten mussten. 1947 wurde der Schafstall abgebrochen und an der Kreuzung Mesneramt/Mathildenstraße in der Siedlung als Flüchtlingsunterkunft für Vertriebene wieder aufgebaut. 1957 wurde der Schafstall auch dort abgebrochen und im Gemeinderat darüber diskutiert, das stabile Gebäude als Kindergarten an anderer Stelle wieder aufzubauen. Dieser Gedanke wurde dann jedoch verworfen. In 27 Jahren hat der ursprüngliche Schafstall fünf verschiedene Funktionen erfüllen müssen.
Erste Sauna in Württemberg
Am Rande des Forchenrains wurde im Dezember 1948 die erste Sauna in Württemberg eröffnet. Besitzer war Siegfried Hermann, ein Baltendeutscher aus Estland, der kriegsbedingt im März 1944 aus Berlin nach Gerlingen kam.
Text: K. Herrmann
Bilder: Stadtarchiv
Über diese und viele andere Geschichten erzählt Klaus Herrmann bei der Sommerführung des Stadtarchivs „Rund um die Gerlinger Heide“ am Samstag, 24. August und Sonntag, 25. August 2024, jeweils ab 14.00 Uhr. Beginn am Parkplatz Stuttgarter Straße / Einmündung Forchenrainstraße am Beginn der Gerlinger Heide. Mit dem Stadtbus 638 ab Rathaus 13:39 Uhr Ankunft Haltestelle Golfplatz 13:58 Uhr.
Dauer 2 Stunden – Keine Anmeldung erforderlich