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Der Große Brand von Ilsfeld

Vor 120 Jahren, am 4. August 1904 , wurde der größte Teil des Dorfes bei einem Großbrand zerstört. Obwohl 19 Feuerwehren, darunter auch die der Stadt...
Die Bartholomäuskirche nach dem Großen Brand
Die Bartholomäuskirche nach dem Großen BrandFoto: Heimatverein

Vor 120 Jahren, am 4. August 1904, wurde der größte Teil des Dorfes bei einem Großbrand zerstört. Obwohl 19 Feuerwehren, darunter auch die der Stadt Heilbronn und ein in Heilbronn stationiertes Infanterieregiment, gegen die Flammen ankämpften, war die Katastrophe im eng bebauten Dorf nicht aufzuhalten.

Die Ursache der engen Bebauung des Ortes geht vermutlich zurück auf die Dorfmauer, die im 15. Jahrhundert fertiggestellt wurde. Die Dorfmauer bot einen bestimmten Schutz gegen versprengte Söldnerhaufen und räuberische Banden, deshalb hat man Gebäude bevorzugt innerhalb der Dorfmauer errichtet.

Durch den heftigen Ostwind haben sich die Flammen schnell ausgebreitet. Dazu beigetragen hat die Hanglage des Dorfes von der Schozach in Richtung zum Alten Friedhof, die zu einer terrassenförmigen Bebauung führte.

In einem Bericht an den König sind die Schäden aufgeschlüsselt: 130 Wohngebäude einschließlich der öffentlichen Bauten, 77 Scheunen, 71 Stallungen und 42 Schuppen sind abgebrannt. Beschädigt wurden 25 Wohngebäude, 10 Scheunen, 7 Stallungen und 6 Schuppen. Etwa 700 Ilsfelder waren obdachlos. Ein Toter war zu beklagen: Gemeinderat Friedrich Gemmrig ist im Keller seines Hauses erstickt.

Anschaulicher als die amtlichen Berichte sind die Erinnerungen der vom Unglück Betroffenen. Der damals 64-jährige Johann Schäfer hat seine Eindrücke vom großen Brand auf mehreren Seiten festgehalten und in seiner Bibel hinterlegt:

„Am 4. August, Donnerstag, ging Feuer aus abends um ½3 in Wilhelm Sieber, Seifensieder Anwesen (bei „Häußermanns Ochsen“), durch den 7 Jahr alten (Albert) Schütz. Dieser wollte in Gemeinschaft mit Kindern vom Sieber Äpfel braten, die Einwohner waren meistens im Feld Haber wenden, große Hitze, lange Zeit vorher alles dürr, das Feuer fraß schnell um sich. Um 4 Uhr brannte schon unsere Kirche. Ochsen und anderes Vieh sind verbrannt. Tauben wollten heim, sind in der Luft verbrannt und sind heruntergefallen. Verbrannt sind das Pfarrhaus, Rathaus, Schulhaus, Kinderschule, Lehrerwohnung und Kirche. Kaufläden 3 große und 3 kleine verbrannt. Wirtschaften sind verbrannt – Hirsch, Adler, Traubenwirt, Kronenwirt, Rosenwirt, Waldhorn. Viele konnten nichts retten oder sehr wenig bis sie vom Felde kamen. Alle Keller brannten aus. Welch ein Entsetzen, der Jammer war groß. Es war herzzerreißend in der Schreckensnacht, in Gärten und Feld mussten Schweine, Ziegen und viel Vieh an Bäume gebunden werden. Die Angehörigen mit ihren wenig geretteten Habseligkeiten kauerten trübselig dabei unter freiem Himmel. Am Sonntag wurde durch den Herrn Pfarrer Gottesdienst einige mal im Friedhof gehalten. Welch unvergesslicher trauriger Anblick, wo es viele nasse Augen gegeben hat.“

Bereits zwei Tage nach dem Brandunglück besuchte König Wilhelm II. die Brandstätte, der König tröstete die Betroffenen und versprach Hilfe und Beistand.

Die Neckarzeitung berichtete am 8. August 1904 vom Besuch des Königs.

„Am Samstag sollte es Wahrheit werden. Um 11 Uhr 45 Minuten fuhr der Zug (von Marbach kommend) mit dem König ein. Nach (der Begrüßung) trat er den Rundgang durchs Dorf an. Nicht Schutt und Stein und Holz, nicht Staub- und Rauchwolken auch nicht glühende Mittagshitze oder widriger Aasgeruch vermögen seine Schritte zu hemmen – alles wird in Augenschein genommen.

Dem Ernst des Unglücks entsprechend wurde der König durch Hutabnehmen, Stillstehen und Verbeugung gegrüßt. Einige Mal trug es sich auch zu, dass ein beim Brand Verwundeter am Wege stand. Alsdann redete ihn der König freundlich an und erkundigte sich nach dem Befinden. Da und dort richtete er an weinende Frauen ein Trostwort. Steht da am Weg eine Witwe tränenden Auges. „Sind sie versichert?“, fragt teilnahmsvoll der Herr. „Ach, es ist nicht der Rede wert“, entgegnet das Weib. „Trösten Sie sich, es wird Ihnen beigestanden werden“, wirft der König ein, worauf das Weib treuherzig meint: „Jo, Herr König, send se so guat Herr Majestät und sorget sie au für arme Witwen, wie i eine bin“. Ein Bürger erzählte, dass er den kleinen Knaben mit dem „runden Ding, mit so'm Deckele“ (Spirituskocher) aus dem Haus des Seifensieders Sieber habe fliehen sehen.“

Vor seiner Abreise versprach der König Hilfe. „Unter den abermaligen Hochrufen der Menge fuhr der König, grüßend am Wagenfenster stehend, um 1 Uhr 7 Minuten wieder ab.“

Vom Leben nach dem Brand berichten wir in einer der nächsten Ausgaben.

Walter Conrad, M. Braun

Der König vor dem Eingang zur Sakristei der Kirche
Der König vor dem Eingang zur Sakristei der Kirche.Foto: Heimatverein
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Ausgabe 27/2024
von Ilsfelder Heimatverein e.V., Altes Lehrerwohnhaus
04.07.2024
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