„Das längste Bauwerk in Karlsruhe ist etwa zehn Kilometer lang“, das berichtet Wolfgang Kappler. Der Bauingenieur leitet die Abteilung Stadtentwässerung beim Tierbaumt der Stadt Karlsruhe und führt regelmäßig Interessierte in diesen Bau.
Dazu geht’s abwärts geht’s über eine Treppe. Sie beginnt in einem aus Buntsandsteinbrocken aufgesetzten Gebäudewürfel am Lameyplatz. Denn das längste Bauwerk Karlsruhes ist der Landgraben, genutzt als Abwasserkanal, der auf der ganzen Länge überbaut ist.
Das war nicht immer so. 1588 ließ Markgraf Friedrich von Baden-Durlach den Graben von Schloss Gottesaue nach Westen bis Mühlburg als offene Abflussrinne errichten. So sollten, wie Wolfgang Kappler ausführt, die Feuchtwiesen entwässert werden, damit sie als landwirtschaftliche Fläche genutzt werden konnten. Außerdem sollten Albhochwässer abgeleitet werden.
Als 1715 und in den folgenden Jahren die Stadt Karlsruhe errichtet wurde, war der Landgraben ein Bauwerk, das die Anlage der Stadt beeinflusste. So sind unter anderem der Lidellplatz und der Ludwigsplatz deshalb dreieckig, weil sie an einer Seite vom Landgraben begrenzt werden.
1768 wurde der Graben nach Durlach verlängert. Das, so Wolfgang Kappler, habe die Pfinz bei Hochwasser entwässert. Außerdem konnten Steine und Holz nun per Schiff vom Pfinztal nach Westen transportiert werden.
Dabei sollte es nicht bleiben: Ab 1794 wurde der Landgraben auch als Abwasserkanal für Abfälle aus Küche und Bad, nicht jedoch für Fäkalien, genutzt. Zeitgleich erlaubte der Markgraf einen Müller, am Landgraben in Mühlburg eine Mühle zu errichten. Die Folgen: Das Abwasser staute sich, das Gewässer verschlammte, bei wasserhochstand wurden Gebäude überschwemmt, bei Niedrigwasser stank es.
1815 wurde damit begonnen, den Landgraben zu überbauen, 1915 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Zeitgleich wurden Dole als Straßenabläufe angelegt. Sie führten über unterirdisch verlegte Rohre dem landgraben das Regenwasser zu.
Ab 1877 wurde der Landgraben unter der Leitung von Stadtbaumeister Hermann Schück korrigiert und seine Sohle tiefergelegt. Eine moderne Kanalisation entstand. Damals war der überdachte Kanal mit einem Querschnitt von 17 Quadratmetern der zweitweiteste nach Paris. So groß ist er allerdings nur im Westen. „Im Osten ist der Querschnitt im kleiner, weil dort die Grabensohle höher liegt. Wir haben ein Gefälle von zwei Promille, um einen Abfluss Richtung Rhein zu ermöglichen“, erklärt Wolfgang Kappler. Das Kanalgewölbe bestehe aus Beton, es sei nach innen jedoch mit Backsteinen ausgenmauert. „Sie sind viel widerstandsfähiger als der Beton“, sagt er weiter.
Ab 1893 verbreiteten sich Wasserklosetts auch in Karlsruhe. Sie durften in Häusern installiert und Fäkalien durften nun in den Landgraben eingeleitet werden. Dadurch entstand die Notwendigkeit, eine Kläranlage zu errichten. 1913 nahm das Klärwerk in Knielingen seinen Betrieb auf.
Erneut zum großen Thema wurde der Landgraben beim Bau der U-Bahn-Trasse in den Jahren 2010 bis 2021, besonders beim Südabzweig ab 2014. „Teilweise fährt die U-Bahn nun unter dem Landgraben“, so Wolfgang Kappler. Während der Covid-19-Pandemie ab 2020 kam der dauerhaften Analyse des Abwassers eine große Bedeutung zu. Ausgeschiedene Coronavirus-Bestandteile konnten dort schon im Abwasser nachgewiesen werden, bevor die Anzahl der Menschen mit nachgewiesener Erkrankung wieder stieg. Heute nimmt der Landgraben nicht mehr alle Abwässer der Stadt Karlsruhe auf. Tiefer gelegte Sammelkanäle entlasten ihn.
Das Regenwasser wird getrennt vom Abwasser direkt in Vorfluter geleitet. So fließen durch die Kanäle im Durchschnitt 100.000 Kubikmeter Liter Abwasser pro Tag. Es besteht, auch ohne Regenwasser, im Wesentlichen aus Trinkwasser, das zuvor mit hohem und teurem technischem Aufwand gereinigt worden war.
Übrigens: Der Landgraben ist nicht nur das längste, sondern auch das älteste Bauwerk in Karlsruhe. Er steht unter Denkmalschutz.
kostenloses Angebot, vorzugsweise für Gruppen. Einzelpersonen dürfen sich den Gruppen anschließen. Anmeldung und Organisation: Kanalbetrieb, Tiefbauamt Stadt Karlsruhe per E-Mail
Südseite der Durlacher Allee – Kapellenstraße, bis Waldhornstraße Südostseite, danach Nordostseite - Nordseite Steinstraße – unter den Gebäuden bis Marktplatz – unter dem Rathaus – Nordseite der Hebelstraße – unter dem Bankhof - unter der südlichen Herrenstraße – unter dem Erbprinzenhof – Südseite des kleinen Ludwigsplatzes – Nordseite des großen Ludwigsplatzes – unter Stephanplatz Ecke Postgalerie – Südseite Leopoldplatz – ab Scheffelstraße unter der Sophienstraße –Lameyplatz – Klärwerk An der Wässerung