Nicht nur in Hochberg gab es mit der „Rose“ zeitweise eine jüdische Gastwirtschaft, sondern auch in Aldingen: 1836 erhielt Wolf Levi das Schankrecht für eine Gassenwirtschaft in der Kornwestheimer Str. 20. 1842 erweiterte er zu einer Speisewirtschaft, nachdem er zuvor eine Metzgerei eingerichtet hatte. 1849 verkaufte er das Haus, weil er den Gasthof „Ochsen“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Kornwestheimer Str. 13) erwerben konnte. Der „Ochsen“ war um 1725 von Simon Buchhalter errichtet worden, der sich noch Mitte des 18. Jh. dafür eingesetzt hatte, alle Juden aus Aldingen zu vertreiben. Wolf Levi betrieb nun im Haus des ehemaligen Judenhassers seine Gastwirtschaft mit koscheren Speisen bis 1857. Die Übernahme des Gasthofs vom Vorbesitzer erklärt den ungewöhnlichen Namen „Ochsen“ für eine jüdische Gaststätte. Die Evangelistensymbole Adler, Ochsen, Löwe als Gaststättennamen wurden sonst von jüdischen Gastwirten gemieden. Wolf Levi verzog 1857 mit einem großen Vermögen von 33.000 Gulden nach Ludwigsburg, wo er 1869 verstarb. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Hochberg. Die ehemalige Gastwirtschaft in der Kornwestheimer Str. 20 wurde unter Marx Sonderecker ein Bauernhaus. Der „Ochsen“ wurde in der Christofstr. 1 unter einem christlichen Gastwirt weitergeführt.
Wolf Levi hatte es mit der Genehmigung für seine Gastwirtschaft nicht leicht. Der Aldinger Gemeinderat widersetzte sich zunächst dem „Wunsch der Israeliten, in Hinsicht ihrer Religions-Verhältnisse, und besonders wegen ihren koschern Wein und Getränken, die sie hie und da entbehren müssen, eine Wirtschaft errichten zu dürfen“. Man befürchtete eine „koschemer Bais“, einen Anziehungspunkt für auswärtige „Betteljuden“. Aldingen stand unter dem Verdacht, Anziehungspunkt für jüdische Gaunerbanden zu sein. Wolf Levi erhielt die Zulassung dann aber doch.
Wer war Wolf Levi? Er wurde 1797 in Gemmingen als Sohn des Abraham Levi, Schächter und Vorsänger der dortigen jüdischen Gemeinde, und der Barbara Löw aus Aldingen geboren. 1801 wechselte Abraham Levi auf die Vorsänger- und Schächterstelle der jüdischen Gemeinde in Hochberg und die Familie zog dorthin um. Wolf Levi wuchs somit in einer Familie auf, in der das Schlachten von Rindern nach dem jüdischen Religionsgesetz berufsmäßig betrieben wurde. Abraham Levi starb schon 1809. Der zwölfjährige Wolf kam zunächst zu väterlichen Verwandten nach Haigerloch, dann zu mütterlichen Verwandten nach Aldingen: 1812 hielt er sich bei Veit Löw, dann bei Abraham Seligmann in Aldingen auf, der später nach Hochberg zog und 1831 der Wirt der „Rose“ wurde. 1816 betrieb Wolf Levi mit Abraham Seligmann ein Handelsgeschäft in Hochberg. Seit 1824 bemühte er sich um die Genehmigung, Babette Isaak aus Aldingen zu heiraten, was 1830 gelang. 1828 erhielt Wolf Levi als erster Jude das Aldinger Bürgerrecht. 1833 wurde er Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Aldingen. 1857 erhielt er das Bürgerrecht in Ludwigsburg und wurde mit der Berufsbezeichnung „Partikulier“ (Schiffseigentümer in der Binnenschifffahrt) geführt. Auf seinem Grabstein auf dem Hochberger Friedhof steht: Wolf Levi, „welcher sich ernährte von seiner Hände Arbeit. Der sprach: Wenn von deiner Hände Arbeit du dich ernährst, wohl dir und gut geht es dir.“
Der Verein Alt-Aldinger Handwerksgeschichte lädt am kommenden Sonntag, 10.8.25, 14 bis 19 Uhr, zu einer Ausstellung „Gasthäuser in Aldingen früher und heute“ ein. Um 14 und 16 Uhr gibt es Führungen zu den bestehenden und ehemaligen Gaststätten im Aldinger Ortskern.
Kai Buschmann
Beth Shalom – Haus des Friedens
Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e. V.
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