Michael Uibel, Vorsitzender des Büchenbronner Roten Kreuzes, kümmert sich als Konventionsbeauftragter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Kreisverband Pforzheim-Enzkreis um die Verbreitung des Humanitären Völkerrechts, der Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und um ihre Geschichte. „Es ist für mich unfassbar, dass vor einem Monat im Gazastreifen ein Konvoi von Einsatzfahrzeugen unserer palästinensischen Schwestergesellschaft trotz klarer Kennzeichnung beschossen worden ist. Nach mehrtägiger Suche wurden 15 Leichen identifiziert und für eine würdige Bestattung geborgen. Darunter waren acht Rettungssanitäter des Palästinensischen Roten Halbmonds. Wir alle trauern um die unschuldigen Opfer.“ Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich derzeit dramatisch zu. Zahlreiche Versorgungsstellen für Nahrungsmittel mussten wegen fehlender Ware schließen. Unzählige Menschen, darunter viele Kinder, leiden an Hunger. „Die Lebensumstände vieler Menschen im Gazastreifen sind untragbar. Es ist erforderlich, dass umgehend humanitäre Hilfsgüter zu den notleidenden Menschen kommen und Zugang und Sicherheit für Helfende gesichert werden", sagt Christian Reuter, Generalsekretär des DRK.
Für den Österreicher Jürgen Högl, der von Kairo aus den Gaza-Einsatz der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) leitet, ist es ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention. „Diese Tat ist auf das Schärfste zu verurteilen. Sie bricht mit dem humanitären Völkerrecht. Die Helfer waren im Einsatz, um Menschenleben zu retten, und haben das mit ihrem Leben bezahlt. Das humanitäre Völkerrecht ist klar und eindeutig. Die Zivilbevölkerung, humanitäre Helferinnen und Helfer sowie medizinische Einrichtungen sind zu schützen. Wir haben uns im Gaza-Konflikt und auch in Israel wiederholt mit Brüchen des humanitären Völkerrechts konfrontiert gesehen. Es war nicht der einzige Vorfall in dieser Hinsicht. Es gab den Beschuss eines Büros des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und einen Angriff auf eine UN-Unterkunft. In diesem Konflikt haben 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roten Kreuzes ihr Leben verloren, sechs auf israelischer Seite und dreißig auf palästinensischer Seite.“
Nach Angaben der UN erlebt der Gazastreifen die wohl schlimmste humanitäre Katastrophe seit Beginn des Krieges. Das Nothilfebüro OCHA teilt mit, dass die seit mehr als zwei Monaten andauernde Blockade von humanitären Hilfsgütern, tödliche Angriffe auf zivile Einsatzkräfte sowie Bewegungseinschränkungen die Hilfe für die Zivilbevölkerung massiv behindere. Fast alle der 43 internationalen und palästinensischen Hilfsorganisationen hätten ihre Hilfeleistungen in großem Umfang einschränken müssen. Die Menschen seien akut von Hunger, Krankheit, Epidemien und Tod bedroht. Die Suppenküchen könnten mangels Lebensmittel nicht mehr arbeiten. Mehr als eine Million Kinder seien betroffen.
Nach 15 Monaten bewaffnetem Konflikt gab es während einer kurzen Waffenruhe ein klein wenig Hoffnung für rund 2 Millionen Menschen. Gleichzeitig blieb der humanitäre Bedarf auch während dieser Zeit immens und es gelangte nicht genügend Hilfe zu den Menschen.
Seit dem Bruch der Waffenruhe verschlechtert sich die Lage erneut rapide, und die Lebensumstände der Zivilbevölkerung werden immer untragbarer. Die weitgehende Zerstörung von sicheren Unterkünften, der Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Mangel an Nahrung und Trinkwasser bedeuten, dass die Menschen täglich um ihr Überleben kämpfen.
Teams des Palästinensischen Roten Halbmondes (PRCS) verteilen grundlegende Hilfsgüter wie Trinkwasser und leisten medizinische Hilfe für die Menschen, die inmitten der bewaffneten Kämpfe auf humanitäre Nothilfe angewiesen sind.
PRCS arbeitet zudem am Erhalt der Funktionsfähigkeit seiner medizinischen Zentren und Einrichtungen im nördlichen Gazastreifen. Z. B. hat das Al-Quds-Krankenhaus einen zentralen Stellenwert für die Behandlung von Patienten in der Notaufnahme und chirurgischen Abteilung.
Das DRK betreibt gemeinsam mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und anderen Schwestergesellschaften seit einem Jahr in Rafah ein Feldkrankenhaus. Bisher konnten mehr als 80.000 Personen medizinisch versorgt werden. Dennoch sollte man nicht vergessen: Die medizinische Infrastruktur im Gazastreifen ist trotz dieser provisorischen klinischen Einrichtung komplett unzureichend und nicht den Bedarfen entsprechend.
Das DRK teilt mit, dass im Jahr 2024 weltweit mindestens 281 humanitäre Helfende getötet wurden – mehr als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1990er-Jahren. 32 der Getöteten kamen aus der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Für 2025 liegen noch keine Zahlen vor.
Die Freiwilligen und Mitarbeitenden riskieren ihr Leben, um anderen Menschen lebensrettende Hilfe zu leisten. Das humanitäre Völkerrecht ist eindeutig: Humanitäre Hilfskräfte, medizinisches Personal, Rettungswagen und Zivilschutzorganisationen müssen geschützt werden.
Unsere Trauer und Anteilnahme wird begleitet von drei Forderungen:
Michael Uibel hofft, dass sich die Lage verbessern wird. „Wir helfen nach dem Maß der Not, egal, auf welcher Seite sich die Kämpfenden befinden. Aber das humanitäre Völkerrecht ist einzuhalten.“