Titel und Artikel stammen von Roland Vossebrecker. Beides ist ironisch gemeint. Hier zum Originaltext, Teil 2: Bedenklich, wenn nicht gar gefährlich ist es, wenn in Kinderliedern gedanken- und rücksichtslos Unwahrheiten verbreitet werden: „Ringel, Ringel, Reihe“ ist zweifelsohne noch richtig, aber bei „sind der Kinder dreie“ muss man sich doch fragen, ob hier nur um des Reimes willen gelogen wird!
Skandalös ist dann: „Sitzen unterm Holderbusch, schreien alle Husch, husch, husch!“. Hier wird einem Sittenverfall das Wort geredet, dass einem Angst werden kann! Als ob wir nicht schon genug Probleme bei der Erziehung junger Menschen zu höflichem und verantwortungsvollen Benehmen hätten, werden hier Kinder zu ungehemmter Lärmbelästigung animiert.
Glücklicherweise (muss man leider hinzufügen) entspricht auch diese Zeile meistens nicht der Wahrheit: Unter den allermeisten Holderbüschen sitzen überhaupt keine Kinder, und dort, wo tatsächlich welche zu finden sind, halten sie sich dort meist zu zweit oder allein auf, nur ganz selten zu dritt oder mehr, da Holderbüsche in der Regel für so viele Kinder kaum Platz bieten. Und zum Glück schreien sie fast nie „Husch, husch, husch“. so weit ist es noch nicht gekommen, aber wir sollten auf der Hut sein! Erfrischenden Optimismus hingegen verbreitet das Lied „Froh zu sein bedarf es wenig“, doch ist „und wer froh ist, ist ein König!“ nicht ein peinlicher Anachronismus? Sollte es in unserer heutigen aufgeklärten Zeit nicht heißen: „und wer froh ist, ist ein aufrechter Demokrat“?
Mir ist natürlich bewusst, dass ich mit diesem Vorschlag das Versmaß verletze und auch den Reim beschädige, aber ist dieses Opfer angesichts der gewaltigen politischen Herausforderungen unserer Zeit nicht angemessen? Man denke nur an den Klimaschutz, den internationalen Terrorismus, Hartz 4 ... Ärgerlich in diesem Kontext ist auch das Lied „Zeigt her eure Füße …“. Zwar wird auf das schwere Schicksal der Waschfrauen hingewiesen: „sie waschen den ganzen Tag“, doch sucht man die entscheidende Frage nach angemessenem Mindestlohn für diese aufopferungsvolle Arbeit vergebens! Statt an die soziale Verantwortung jedes Einzelnen zu appellieren, wird man nur aufgefordert, seine Füße und seine Schuhe herzuzeigen. Was, bitte schön, soll das? Ist das Füße und Schuhe herzeigen auch nur im mindesten geeignet, das Los der armen Waschfrauen zu lindern? Voller Ungenauigkeiten und Halbwahrheiten steckt auch das Lied „Backe, backe Kuchen“. Fast möchte man meinen, der Kuchen selbst würde aufgefordert, zu backen! Teil 3 folgt.
Ingo Kuntermann