Die Schließung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes am Kreiskrankenhaus Schwetzingen bewegt aktuell die Gemüter in der Stadt und der Region und sorgt für Verunsicherung. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker versuchen zusammen mit den Rathauschefs das Aus der hiesigen Bereitschaftspraxis zu verhindern. Beschlossen hatte die Schließung die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) im Rahmen ihrer Selbstverwaltung. Mit der verantwortlichen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KVBW, Dr. Doris Reinhardt, trafen sich nun die beiden Landtagsabgeordneten Andreas Sturm (CDU) und Dr. Andre Baumann (Grüne). Auch der Schwetzinger Oberbürgermeister Matthias Steffan war dabei. Über die Resultate des Gesprächs informierten die Akteure nun in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Dr. Andre Baumann erklärte: „Wir wissen um die Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung. Und wir sehen den enormen Reformbedarf im Gesundheitswesen." Aber dennoch bleibe die Frage, warum gerade der Standort Schwetzingen geschlossen werden solle: „Ich kenne den verantwortlichen Arzt, der das organisiert, wohne selbst neben dem Schwetzinger Kreiskrankenhaus, ich habe viele Gespräche geführt, aber ich verstehe das nicht. Man findet hier Ärztinnen und Ärzte für die Dienste. Warum also soll Schwetzingen geschlossen werden, wenn es funktioniert?“
Für Andreas Sturm, der zustimmte, spielt auch die Frage der Zeit eine Rolle: „Die Notfallaufnahme im Mannheimer Theresienkrankenhaus wird demnächst schließen und dafür soll es beim Bereitschaftsdienst eine verlängerte Öffnungszeit um eine Stunde geben“. Andreas Sturm fordert darum einen Aufschub: „Wir sollten zuerst schauen, was in Mannheim passiert!“
Doris Reinhardt habe im Gespräch Verständnis gezeigt, was das Ende bewährter Strukturen angeht. Aber aus Sicht der KVBW würden die Probleme tiefer liegen: „Wir haben ein ganz anderes Hauptproblem. Wir haben weniger niedergelassene Ärzte, dafür aber mehr Ärzte, die angestellt sind, und mehr, die in Teilzeit und Anstellung arbeiten. Damit die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte als Arbeitgeber Ärzte anstellen, braucht es Anreize.“ Die zusätzliche Dienstverpflichtung im Bereitschaftsdienst sei dafür nicht hilfreich. 1.000 unbesetzte Standorte gäbe es bereits in der Regelversorgung. „Die wieder zu besetzen ist unser Hauptjob“, so Reinhardt.
Ohne Zweifel sei der Standort des Bereitschaftsdienstes am Kreiskrankenhaus genau richtig, so Reinhardt. „Dort können akut erkrankte Menschen am Wochenende gut versorgt werden. Und natürlich gibt es Kollegen, die bereit sind, Bereitschaftsdienst zu machen“, bestätigte sie. Aber genau das sei das Problem. Die Kolleginnen und Kollegen werden in der Regelversorgung benötigt. „Lange Bereitschaftsdienste und Nachtdienste sind da eher hinderlich“, erklärte Reinhardt. „Als Verantwortungsgemeinschaft für alle Regionen in Baden-Württemberg müssen wir größer denken, damit wir die Regelversorgung verbessern können.“ Und dafür gäbe es auch das neue Standortkonzept der KVBW, in dem der Bereitschaftsdienst neu geregelt werde.
Oberbürgermeister Matthias Steffan brachte zum Ausdruck, dass eine Neuausrichtung und eine Standortreduzierung nach dem Prinzip einer Erreichbarkeit von 30 Minuten zur nächsten Praxis nicht zielführend für Metropolregionen seien. Er betonte, dass die Rhein-Neckar-Region mit Blick auf ihre Einwohnerzahl und ihre Herausforderungen, eine andere Bewertung durch die KVBW bedurft hätte. Aus diesem Grunde hätte man bereits vor über acht Jahren den Standort der Notfall- und Bereitschaftspraxis am Standort der GRN-Klinik Schwetzingen für den südlichen Landkreis Rhein-Neckar gebündelt. Seither habe sich die KVBW-Praxis für Patienten und Hilfesuchende bewährt. Aus Sicht des Schwetzinger Oberbürgermeisters trage das neue Konzept nicht den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen im Notfall- und Bereitschaftsdienst des Rhein-Neckar-Raumes entsprechend Rechnung.
Andreas Sturm pflichtete bei: „Wir erleben gerade eine schwierige Situation in der Gesundheitspolitik und vor Ort. Mögliche Krankenhausschließungen, ein neues Notfalldienstgesetz, von daher plädiere ich für Ruhe im System und dafür, gut funktionierende Strukturen zu erhalten.“
Laut KVBW ist der ärztliche Bereitschaftsdienst auch bei einer Standortverlagerung nach Mannheim und Heidelberg gesichert: „Sie dürfen nicht nur auf die Öffnungszeiten schauen, es werden auch mehr Ärztinnen und Ärzte da sein. Die verfügbaren Arztzeiten werden gemäß dem regionalen Bedarf ausgebaut“, erklärte Doris Reinhardt. Aber Fakt sei eben auch, dass für die KVBW die Regelversorgung wichtiger sei als der Bereitschaftsdienst. Denn dieser sei nur eine Ergänzung und keine Alternative zur normalen hausärztlichen Versorgung. „Unser Auftrag ist die Sicherstellung der Regelversorgung, und der Bereitschaftsdienst gewährleistet die Überbrückungsbehandlung“, stellte Reinhardt fest. „Wir können uns Fehlallokationen im Gesundheitswesen nicht mehr leisten. Die Inanspruchnahme steigt überall im Gesundheitssystem. Wir brauchen dafür eine Steuerung, damit die Menschen wohnortnah durch ihre Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch Fachärzte sowie Psychotherapeutinnen versorgt werden können.“ Die Situation sei besorgniserregend: „Pflegeheime können keine neuen Bewohner mehr aufnehmen, weil sie keine betreuende Hausarztpraxis finden“, erklärte Doris Reinhard.
Dr. Baumann kann die Argumente nachvollziehen: „Im Gesundheitssystem besteht dringender Reformbedarf. Und es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, nämlich dass vergleichbare Bedingungen für alle Menschen im Land bestehen. Aber wir haben gerade festgestellt, dass wir uns zurzeit in einer sehr ereignisreichen Situation befinden. Kann man da wirklich nicht noch abwarten?“, so Baumann.
Doris Reinhardt hielt auch nach dem Gespräch an ihren Plänen fest: „Wir brauchen lieber heute als morgen eine bessere Regelversorgung. Wir als KVBW kämpfen um jede Arztpraxis!“ Und auch, wenn das Gespräch keine substantiellen Ergebnisse lieferte, gab es wenigstens die Einigkeit, uneinig zu sein: „Wir haben unterschiedliche Ansichten, aber wir reden miteinander“, stellten alle Anwesenden am Ende fest. (pm/red)