… hat viele Mitmenschen bewegt – hat sie bei uns auch etwas verändert?
Wir bringen in den Folgewochen hier im Stadtblatt Auszüge aus den Texten der einzelnen Stationen, natürlich in der gebotenen Kürze. Hier die Station 2 am Ebersbacher Rathaus:
Gustav Seebich war Bürgermeister von Ebersbach – in schwierigen Zeiten von 1924 bis 1948. Er wurde mit 25 Jahren Württembergs jüngster Bürgermeister. Seebich kam aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Er trat 1918 mit 19 Jahren in die SPD ein und blieb Mitglied bis 1933. Von Anfang an hatte er guten Kontakt zur evangelischen und katholischen Kirche. Er selbst wurde durch Wahl 1925 evangelischer Kirchengemeinderat und blieb es bis 1953.
Gustav Seebich trat 1933 aus der SPD aus und stellte den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, denn in anderen Städten und Orten wurden die meisten Bürgermeister ohne NSDAP-Parteibuch abgelöst. Sein Antrag wurde aber abgelehnt, vermutlich wegen seines sozialdemokratischen Hintergrundes.
Als Bürgermeister war er selbstverständlich auch Vorsitzender des Ebersbacher Gemeinderats. Im Dezember 1931 war das 14-köpfige Gremium gewählt worden. Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wurde durch Landesgesetz auch die Zusammensetzung des Ebersbacher Gemeinderates verändert. Ab 5. Mai bestand er nur noch aus 6 Nationalsozialisten, 3 SPD-Mitgliedern und einem Vertreter des Obstbauvereins. Laut Erlass des Reichsinnenministers vom 28. Februar sollte jedes SPD-Mitglied sofort aus den Gremien ausgeschlossen werden. Die verbliebenen SPD-Mitglieder zogen sich also zurück, per Brief am 22. bzw. durch Ausschluss am 27. Juni 1933. Der Gemeinderat bestand danach aus nur noch 7 Mitgliedern, die alle die NSDAP vertraten. Er war innerhalb eines Vierteljahrs „gleichgeschaltet“ worden, ganz wie es der NS-Staat wollte.
1937 rieten ihm Freunde dringend, einen weiteren Antrag zur Aufnahme in die NSDAP zu stellen. Diesmal wurde er aufgenommen. Er blieb Bürgermeister, dabei gelang es ihm, seinen Heimatort nicht voll und ganz den Nationalsozialisten ausliefern. Bemerkenswert, dass er als Standesbeamter bei den Trauungen nicht das sonst übliche Buchpräsent „Mein Kampf“ von Adolf Hitler überreichte.
An die Aufforderung des Reichskirchenministers Kerl, dass NSDAP-Mitglieder sich nicht mehr als Vertreter der Kirchen beteiligen sollten, hat er sich nicht gehalten. Dafür setzte er sich für eine menschenwürdige Unterbringung und Verpflegung der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen ein. Bei der Hinrichtung des polnischen Zwangsarbeiters Miezyslaw Wiechec 1943 verlangte die Gestapo, dass er zugegen sein sollte. Er konnte sich dem zwar entziehen, doch seine Versuche, die Sache aufzuklären und zu verhindern, waren fehlgeschlagen.
Am 23. März ‘45 hielt er als Amtsverweser vor dem Rosswälder Gemeinderat eine Ansprache und warnte vor unüberlegten Maßnahmen. Er appellierte, auf den Bau von Panzersperren und sinnlose Zerstörungen zu verzichten. Das brachte ihn und seine Familie durchaus in Lebensgefahr. Als dann die amerikanische Armee praktisch da war, schickte Seebich zunächst den französischen Lagerpfarrer und danach den weitgereisten Gustav Kolb als Unterhändler zu den Besatzern ins Nassachtal. Am 22.04.1945 besetzten die amerikanischen Truppen Ebersbach. Das Rathaus wurde kampflos übergeben.
Seebich wurde zunächst von den Amerikanern verhört, dann aber in seinem Amt belassen. Im Herbst‘ 45 sollte er als ehem. NSDAP-Mitglied seines Amtes enthoben werden. Stattdessen bestätigte die Militärregierung ihn im Amt. Als 1946 die gesetzlich geregelte „Entnazifizierung“ einsetzte, wurde er als „entlastet“ eingestuft. Gustav Seebich blieb Bürgermeister, bis er 1948 als Landrat gewählt wurde. Bis 1966 stand er dem Göppinger Landratsamt vor und war von ‘56 – ‘66 Präsident des Landkreistages in Baden-Württemberg.
Wenn wir heute auf Seebichs Wirken zurückschauen, können wir dankbar sein. Ohne ihn als Bürgermeister wäre vermutlich einiges in Ebersbach schlimmer ausgegangen.