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Die 2. Ebersbacher Gedenkrunde für Vielfalt, Menschenrechte und Demokratie – gegen das Vergessen am 8. Mai 2025

…. hat 80 Jahre nach Kriegsende viele Teilnehmer bewegt. Wir bringen seither im Stadtblatt Auszüge aus den Texten der einzelnen Stationen. Heute...
Foto: Bülent

…. hat 80 Jahre nach Kriegsende viele Teilnehmer bewegt. Wir bringen seither im Stadtblatt Auszüge aus den Texten der einzelnen Stationen. Heute nun die 3. Station in der Kirchheimer Straße zur Situation der Heimatvertriebenen nach 1945 in Ebersbach.

Die ersten 279 Flüchtlinge aus dem Osten erreichten im November 1945 unseren Ort. Sie wurden wahrscheinlich nicht mit offenen Armen empfangen, denn sie waren Fremde, sprachen andere Dialekte, hatten andere Vorlieben. Nun hieß es aber, für alle eine Bleibe zu finden. So wurden viele Neuankömmlinge bei Ebersbachern einquartiert, man teilte Küche und Wohnzimmer, gebadet wurde in der Waschküche, was heute kaum mehr vorstellbar ist.

Der größte Zustrom erreichte Ebersbach 1946. Menschen, die ihre Heimat Schlesien, das Sudetenland, Böhmen, Mähren, Pommern oder auch Bessarabien verlassen mussten, dazu kamen die ersten Flüchtlinge aus der Sowjetzone. Bei der Volkszählung 1953 hatte Ebersbach 7593 EinwohnerInnen, davon 2070 NeubürgerInnen.

Arbeit gab es bei den Ebersbacher Firmen Häfele, Scheufele, Schwäbische Textilwerke, Zindel, den Süddeutschen Spindelwerken Zinser, Zinser-Schweißtechnik sowie bei Bauunternehmen und Handwerksbetrieben ausreichend. Auch die umliegenden Filstalgemeinden boten genügend Arbeitsplätze.

Das größte Problem aber waren die Wohnungssuchenden für Verwaltung und Gemeinderat sowie für die einheimische Bevölkerung. So waren Bauland, Bauherren und Geldmittel bitter nötig. In einer riesigen Kraftanstrengung baute die Gemeinde zwischen 1948 und 1953 in der Leintelstraße, in der Breite, der Marktstraße und Kanalstraße viele Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 72 Wohnungen im Wert von 736 000 DM. Bei heutigen Bauvorschriften und Baupreisen nicht mehr vorstellbar.

Ferner gab die Gemeinde Baudarlehen an Bauherren für weitere 119 Wohnungen, gleichzeitig stellte sie 112 Bauplätze teilweise auch als Darlehen zur Verfügung.

Neue Baugebiete wie in der Dickne oder in der Weidenhalde in Sulpach wurden erschlossen. Natürlich mussten die Neubaugebiete mit Straßen, Wasserleitungen, Kanälen und Straßenbeleuchtung ausgestattet werden.

In der Dickne fanden 1953 bereits 342 Einwohner eine neue Heimat, das Neubauviertel für Heimatvertriebene.

Gleichzeitig hatte die Gemeinde noch den Mut und den Weitblick, in der Dickne unser Waldhöhenfreibad zu bauen, das ebenfalls 1953 eingeweiht werden konnte.

Ein Dach über dem Kopf ist das Eine, aber es gehörte mehr dazu, dass Ebersbach zur Heimat werden konnte. Kindergärten, Schulen, Vereine, Kirchengemeinden spielten dabei eine wichtige Rolle. So kamen sich Zugereiste und Einheimische beim Musizieren und Fußballspielen näher und es entstanden Freundschaften. Auch kam mit Paprika und Knoblauch Farbe in die schwäbische Küche.

Natürlich war auch die politische Beteiligung wichtig. 1947 wurden in den neu konstituierten Gemeinderat zwei ehrenamtliche Berater für Neubürgerangelegenheiten gewählt. Von 1956 bis 1971 gab es eine Liste der Wählervereinigung aller Heimatvertriebenen, gewählt wurden in dieser Zeit Anton Jocham und Alfred Keinert. Danach waren die Heimatvertriebenen so integriert, dass sie auf den Listen der anderen Gruppierungen kandidierten.

So können wir heute von einer gelungenen Integration sprechen, aber es brauchte Zeit, sich kennen und schätzen zu lernen.

Die heutige Zeit ist eine ganz andere, aber es muss auch heute möglich sein, Flüchtlinge zu integrieren; oft haben sie dieselbe Odyssee hinter sich wie die Menschen vor 80 Jahren. Wir müssen es versuchen, Einheimische und NeubürgerInnen.

An dieser Stelle verlasen wir auch ein Interview, das wir mit der 103-jährigen Frau Elfriede Deuschle führen durften. Darin erzählte sie uns von ihrer abenteuerlichen Flucht aus Bessarabien über Polen und Norddeutschland bis in ihre neue Heimat, die sie in Ebersbach fand. Vielen Dank an Frau Deuschle für ihre ergreifende Geschichte.

Quellen: Aufzeichnungen des Stadtarchivs und Aufzeichnungen von Herrn Gilbert Kübler

Erscheinung
Ebersbacher Stadtblatt
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Ausgabe 23/2025
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