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Die 2. Ebersbacher Gedenkrunde für Vielfalt, Menschenrechte und Demokratie – gegen das Vergessen am 8. Mai 2025

… es fehlt ihnen am Nötigsten. Alles, was uns selbstverständlicher Besitz ist an Hausrat, Möbeln, Kleidung und Wäsche. Wir möchten Ihnen, die alles...

… es fehlt ihnen am Nötigsten. Alles, was uns selbstverständlicher Besitz ist an Hausrat, Möbeln, Kleidung und Wäsche. Wir möchten Ihnen, die alles verloren haben, helfen, wieder eine neue Heimat aufzubauen. Wir müssen ihnen helfen, ihre Räume wohnlich einzurichten und Schlafgelegenheiten zu schaffen. Sie sollen möglichst einen eigenen Haushalt führen und selbst für sich und ihre Angehörigen kochen können.

Es geht hier natürlich um Flüchtlinge. Wir kennen diese Aufrufe aus der jüngeren Vergangenheit ja hinreichend. Und dann hilft man – oder auch nicht. Je nachdem, ob man in den Flüchtlingen Menschen sieht, die unverschuldet in Not geraten sind, oder sie für Sozialschmarotzer hält. Dabei besteht doch eigentlich kein Zweifel daran, dass niemand freiwillig und gerne aus seiner Heimat flieht, Verwandte und Freunde zurücklässt und natürlich Haus und Hof, sofern vorhanden.

Das Thema ist also brandaktuell. Doch der zitierte Text ist bald 80 Jahre alt – Nachkriegsgeschichte. Er stammt aus einem Aufruf der Gemeinde Ebersbach und ist überschrieben mit „Werk der Nothilfe“. Nach dem Krieg kamen auf unsere Gemeinde hunderte, später tausend Flüchtlinge zu. Vertrieben aus den Ostgebieten, mussten sie sich im Nachkriegsdeutschland eine neue Heimat suchen. Der selbst Not leidenden Ebersbacher Bevölkerung waren sie nicht willkommen, hatte man doch selbst nicht genug zum Leben. Wie einfach wäre es gewesen, vom Reichtum abzugeben, vom Überfluss – aber da war in den Nachkriegsjahren nichts mehr.

Umso eindringlicher der Appell von Bürgermeister Seebich und den Pfarrern Diem und Schwerdtle:
„Seit Jahren gewohnt, nur unter Druck und Zwang zu geben, ohne zu wissen wofür, sind wir nun in Gefahr, unsere Herzen und Hände vor der wirklichen Not, die uns begegnet, verschlossen zu halten. Das darf nicht sein. Wir helfen uns selbst am meisten, […] wir machen unsere eigenen, verbitterten Herzen am sichersten dadurch frei, dass wir sie öffnen für die Not des Bruders und der Schwester an unserem Wege. Wo die Liebe ein Opfer für den Nächsten zu bringen imstande ist, da macht die Liebe auch das eigene Leben wieder hell. Darum schließt euch nicht aus, von diesem Werk.“

Heute muss man anerkennen, dass diese Nothilfe gelungen ist. Über die Fremdheit der Flüchtlinge hinweg, andere Religionen, Dialekte, ja Sprachen waren zu überwinden. Es gab Neid und Missgunst und oftmals wenig Verständnis auf beiden Seiten. Und so dauerte es Jahre, bis die Unterschiede ausgeglichen oder belanglos geworden waren. Doch bald schon arbeitete, lebte, feierte und heiratete man gemeinsam. Schon seit vielen Jahrzehnten sind diese Differenzen überwunden und heute können wir uns das kaum noch vorstellen.

Wenn da nicht neue Flüchtlinge wären. Fremde, die zu uns kommen, ob wir sie wollen oder nicht. Fremde Sprachen, Bräuche, andere Hautfarben. Die Geschichten gleichen sich…

Ganz anders dagegen ist die heutige Situation der meisten Ebersbacherinnen und Ebersbacher. Vielen von uns geht’s wirtschaftlich gut und wir haben mehr, als wir brauchen. Wir können wirklich vom Überfluss abgeben! Schaffen wir heute nicht mehr, was die notleidenden Nachkriegs-Ebersbacher hinbekommen haben?

„Darum schließt euch nicht aus...“

Anhang
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Erscheinung
Ebersbacher Stadtblatt
NUSSBAUM+
Ausgabe 25/2025
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